Wohl nichts von Dauer
Der Anstieg der Renditen der Bundesanleihen entlang der gesamten Kurve ist auf die Inflationsbefürchtungen an den Märkten zurückzuführen. Die Teuerungsanstiege lösen unter Marktteilnehmern die Sorge aus, dass die Zeit des billigen Geldes seitens der Notenbanken auf ihr Ende zusteuern könnte und die Währungshüter nun bald damit beginnen, geldpolitisch gegenzusteuern, d. h. die Leitzinsen anzuheben. Gegenstand der Diskussion an den Märkten ist, ob die Inflation nun vorübergehend ist oder ob es sich um einen dauerhaften Anstieg des Preisniveaus handelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mehrfach klargestellt, dass sie nur mit einer vorübergehenden Erhöhung der Inflationsrate rechnet. Dafür sprechen durchaus verschiedene Gründe. Dies würde dann auch dazu führen, dass der Renditeanstieg der Bundesanleihen in den kommenden Monaten ausläuft, weil es nicht zu der vielfach befürchteten geldpolitischen Wende kommt.
Zu nennen ist zum einen der Basiseffekt, der dazu führt, dass die Anstiegsraten in den kommenden Monaten aus rein mathematischer Sicht kleiner werden sollten, es sei denn, es gibt tatsächlich noch erhebliche Steigerungen – wie etwa beim Ölpreis –, die dann auch zu stärkeren Teuerungsschüben führen. Zum anderen ist die Inflationsbeschleunigung auf Einmaleffekte zurückzuführen, die naturgemäß dann nicht wiederkehren und aus Zeiten der Lockdowns stammen wie etwa bestimmte Anschaffungen von langlebigen Konsumgütern. Auch das sind somit keine dauerhaften Inflationsbeschleuniger, ebenso wenig wie Nachholeffekte, die nun noch auf die Anstiege des Preisniveaus wirken. Auch dies betrifft vielfach Konsum und die Freizeitgestaltung oder aber auch den im vorigen Jahr ausgefallenen Urlaub, der nun nachgeholt wird. Aber auch das dürfte die Teuerung nur vorübergehend nach oben treiben, da hier zwei limitierende Faktoren wirken: zum einen das verfügbare Einkommen zusammen mit einer Entnahme aus Ersparnissen. Beides lässt sich nicht unbegrenzt steigern und kann damit nicht eine lang anhaltende Konsumnachfrage auslösen. Zum anderen ist auch die Anzahl von Tagen, um Urlaub nachzuholen, begrenzt. Die Effekte sollten dafür sorgen, dass die Inflationsrate wieder sinkt und damit die Inflationssorgen an den Märkten wieder eingedämmt werden. Damit sollten dann auch die Renditen der Bundesanleihen wieder zurückgehen. Es wirkt zudem ein vierter Faktor, und das ist die Unsicherheit. Die Krise und die Angst vor Mutationen des Coronavirus löst auch die Sorge vor erneuten Lockdowns im Winter aus. Das würde wiederum wirtschaftliche Beeinträchtigungen bedeuten und führt auch dazu, dass die Flucht in Sicherheit und damit in den sicheren Hafen der Bundesanleihen verschärft wird. Auch das begrenzt den Renditeanstieg der Bundesanleihen bzw. führt dazu, dass die Renditen wieder zurückkommen.
Weniger gespielt wird momentan an den Märkten die Karte der Stagflation, also eine stagnierende Konjunktur gepaart mit höheren Teuerungsraten. Es ist natürlich nicht absehbar, ob die Märkte die Teuerung höher bewerten werden oder die nachlassende Konjunkturtätigkeit. In der Vergangenheit war aber schon zu beobachten, dass Wachstumssorgen die Oberhand über die Inflationsängste der Märkte gewannen. Die Zentralbanken, allen voran die Fed, die in der Vergangenheit häufig doch sehr zögerlich in Sachen geldpolitischer Verschärfung war, könnten dann auch dieses Mal Vorsicht walten lassen und lieber noch mit Zinsanhebungen warten, um die Konjunktur in einem derartigen Szenario nicht abzuwürgen. Auch das würde den Renditeanstieg der Bundesanleihen dann wiederum abbremsen bzw. diesen sogar umkehren.
Ein weiterer Faktor, der auf die Renditen der Bundestitel einen erheblichen Einfluss haben wird, ist die Nachfrage der Real Money Accounts in Phasen steigender Renditen. Dieser Effekt war in der Vergangenheit schon häufig zu sehen. Kommt es zu steigenden Renditen und werden Niveaus erreicht, die Investoren schon lange nicht mehr festzurren konnten, wird kräftig zugegriffen. Dies ist gerade dann der Fall, wenn bestimmte Laufzeitensegmente wieder positive laufende Renditen erwirtschaften, nachdem sie über lange Zeit in der Minuszone waren oder im Nullbereich lagen. Und gerade diese Nachfrage ist es dann auch, die den Renditeanstieg im risikolosen Zinsbereich wiederum abbremst oder ihm sogar den Garaus macht. Vieles spricht dafür, dass diese Kraft auch dieses Mal an den Märkten wieder wirken wird. Man sollte sich also nicht auf allzu hohe Renditeanstiege der Bundesanleihen einstellen.