LeitartikelBondmärkte

Zinssenkungen voraus

Im zweiten Halbjahr wird es zu Zinssenkungen kommen. Eine weitere bei der EZB. Und die Fed kommt auch zum Zug.

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Zinssenkungen voraus

Im zweiten Halbjahr wird es zu Zinssenkungen kommen. Eine weitere bei der EZB. Und die Fed kommt auch zum Zug

Von Kai Johannsen

Prognosen sind bekanntlich schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. So wird gern gescherzt. Und natürlich sind auch Zinsprognosen nicht so ganz einfach. Aber in den vergangenen 15 bis 20 Jahre gab es auch Zeiten, da ließ sich die Zinsrichtung schon recht gut abschätzen, ohne dass man dafür allzu viel Prognosekraft brauchte. Dass die EZB etwa die Bankenkrise nicht mit höheren Zinsen beantworten würde, war schon recht klar. Und auch die Staatsschuldenkrise erforderte nicht viel Vorhersagequalität, um niedrigere Zinsen abzuleiten. Und dass die EZB beim Quantitative Easing (QE) nicht von jetzt auf gleich wieder eine Rolle rückwärts macht, sondern schon über längere Zeit als großer Bondkäufer am Markt auftreten würde und dadurch die Bondrenditen schlichtweg niedrig hält, leuchtete ebenfalls schnell ein. QE bestimmte lange die Zinsmärkte, brachte Abwärtsdruck auf die Renditen. Und in Japan war durch die Zinskurvenkontrolle schon exakt vorgegeben, wo das Zinsniveau am Markt sein wird. Und dass nun jüngst die Inflationsentwicklung von den weltweiten Notenbanken nicht mit Zinssenkungen noch angefacht wird, konnte man auch schnell erahnen.

Aber so einfach ist es eben nicht immer, und schon gerade jetzt nicht. Die ersten Notenbaken sind schon in den Zinssenkungszyklus eingestiegen. Dazu gehört seit kurzem auch die Europäische Zentralbank (EZB). Die meisten Akteure an den Zinsmärkten stellen sich auch darauf ein, dass die europäischen Währungshüter diesen Kurs im zweiten Halbjahr fortsetzen werden. Und gehen nun erstmal für September von einem weiteren Zinsschritt aus, wenn neue Projektionen zu Inflation und Wachstum vorliegen. Die Inflationsbekämpfung hat in der Eurozone und auch anderswo gut funktioniert, und so ist auch nicht damit zu rechnen, dass die EZB wieder in den Erhöhungsmodus wechseln wird. Allerdings muss in Sachen Inflation auch immer die Rohstoffpreisentwicklung im Auge behalten werden. Von dieser Seite könnte schon ein Inflationstreiber aufkommen. Aber dieser sollte die EZB dann höchstens zum Abwarten veranlassen. So könnte sich der Zinsschritt der EZB noch etwas nach hinten verschieben, also etwa auf den Dezember. Dann sollte es aber soweit sein. Aber auf mehr als zwei Leitzinssenkungen seitens der EZB sollte man sich in diesem Halbjahr eher nicht mehr einstellen. Von daher sind die Zinserwartungen, die noch zum Jahresende 2023 bzw. Anfang 2024 an den Märkten auch hinsichtlich der EZB bestanden, erheblich nach unten korrigiert worden. Den Zinskurs der EZB konterkarieren könnte noch ein weiterer Faktor, und das sind die geopolitischen Risiken. Da lässt sich schlichtweg nicht seriös abschätzen, was aus kriegerischen Auseinandersetzungen wird, welchen Einfluss sie auf Märkte zeigen und welche Krisenherde womöglich noch dazu kommen.

Den Blick in die USA gerichtet, dürfte es denn auch bei der US-Notenbank nun soweit sein, dass auch sie die Zinswende nach unten einschlägt. Bekannt ist sie nicht gerade für zügiges Handeln, sondern aus früheren Zinswenden ist eher bekannt, dass sie abwartend taktiert, viele Faktoren ins Kalkül einbezieht – von der Zinswende in Sachen Inflationsbekämpfung mal abgesehen. Im September dürfte es denn auch bei der Fed soweit sein, dass sie den anderen Notenbanken in Richtung niedrigerer Zinsen folgt. Auch sollte man sich hier auf einen Zinsschritt von 25 Basispunkten einstellen. Die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen könnten sie noch zu einem Verschieben bewegen, damit sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen muss, für eine gewisse Beeinflussung oder gar Verzerrung gesorgt zu haben. Allerdings sind auch bei der Fed die Zinserwartungen stark nach unten angepasst worden. Mehr als zwei Leitzinssenkungen sind von ihr in diesem Jahr wohl kaum zu erwarten. Dafür passt das Makroumfeld einfach nicht dazu.

Den Blick auf die Sekundärmärkte gerichtet und hier speziell auf die Bundesanleihen, ist der Weg für die Bundrenditen weitgehend vorgezeichnet. Sehr starke Anstiege nach oben sollte es nicht geben. Über 3% wird es bei der zehnjährigen Bundrendite wohl kaum gehen. 2% bis 2,50% sind in diesem Laufzeitenbereich eher die zu erwartende Spanne in den nächsten Wochen – mit einer leichten Tendenz nach unten, wenn von der Inflationsseite kein Störfeuer kommt.

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