Jahr der Weichenstellungen beim digitalem Euro
Jahr der Weichenstellungen bei digitalem Zentralbankgeld
Vorbereitungsphase des digitalen Euro endet 2025 – EZB berät auch über Zahlungssystem im Inter-Banken-Bereich.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Einfach, sicher, schnell und zuverlässig: Mit diesen vier Attributen bewirbt die EZB in einem rund eineinhalb minütigen Imagefilm den digitalen Euro. Allerdings ist noch unklar, wie das Eurosystem dies im Detail gewährleisten will – sollte die EZB das digitale Zentralbankgeld überhaupt einführen, denn auch das ist noch nicht in Stein gemeißelt. „Beim digitalen Euro ist weiterhin sehr viel unsicher und offen“, sagt Jonas Groß, Vorsitzender der Digital Euro Association, einem unabhängigen Thinktank, der sich auf digitale Zentralbankwährungen, Stablecoins und Krypto-Assets spezialisiert hat.
Dabei kann man der EZB nicht vorwerfen, 2024 untätig gewesen zu sein. „Wichtig war, dass das Regelwerk Fortschritte gemacht hat, auch wenn es noch nicht final ist“, sagt Groß. 2025 stehen dann unter anderem gemeinsame technische Tests mit den Unternehmen an, mit denen die EZB bei der Ausgestaltung des digitalen Euro zusammenarbeitet. Zudem werden die Gespräche mit Banken, Unternehmen und Verbraucherschützern intensiviert, um deren Input aufzunehmen.
Kritik der Banken am digitalen Euro
Die Banken betrachten den digitalen Euro durchaus skeptisch, insbesondere die Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Sparkassenpräsident Ulrich Reuter sieht darin einen „unnötigen Eingriff in den Markt.“ Er hält es zwar für richtig, dass die EZB in einer digitalisierten Welt an einem digitalen Zentralbankgeld arbeitet, aber nicht, dass sie auch ein dazugehöriges „quasistaatliches digitales Zahlungsverkehrssystem“ einführen will. Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) stört sich an diesem Punkt.
Die Banken befürchten dadurch negative Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell. Die EZB und die nationalen Notenbanken wiederum beteuern, den Geschäftsbanken keine Konkurrenz machen zu wollen und dass im digitalen Euro Chancen für die Banken lägen. „Seine Infrastruktur könnte als Plattform für Innovationen dienen“, meint Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Bundesbank. „Der digitale Euro könnte so zum Fortschrittsmotor werden und den strukturell dringend notwendigen digitalen Wandel der europäischen Wirtschaft vorantreiben.“
Bedingte Zahlungen
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) springt den Banken bei. „Die EZB darf den Geschäftsbanken mit dem digitalen Euro keine Konkurrenz machen“, sagt Rainer Kambeck, Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand bei der DIHK. „Ansonsten drohen negative Konsequenzen für die Kreditvolumina der Geschäftsbanken an die Unternehmen.“ Für die EZB werde es eine große Aufgabe, den digitalen Euro so zu konzipieren, dass er für Unternehmen und Verbraucher einfach in der Nutzung ist, den Geschäftsbanken aber dennoch nicht ihr Geschäftsmodell streitig macht.
Einen großen Nutzen für Firmen sieht Kambeck darin, wenn der digitale Euro bedingte Zahlungen ermöglicht. Damit sind Transaktionen gemeint, die erst dann automatisch ausgelöst werden, wenn bestimmte vorab definierte Bedingungen erfüllt sind.
Datenschutz im Mittelpunkt
„Datensicherheit ist beim digitalen Euro ein ganz zentrales Thema“, sagt Kambeck zudem. Dieser Punkt spielt nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Verbrauchern eine große Rolle. Hier muss es die EZB schaffen, besser zu sein als die bestehenden digitalen Zahlungsmittel, meint Groß. Der Experte für digitales Zentralbankgeld (CBDC) sieht darin eine Möglichkeit, einen echten Nutzen für die Verbraucher zu erzeugen. Insgesamt ist er jedoch noch nicht überzeugt, dass ein digitaler Euro im Zahlungsverkehr der Privathaushalte dringend benötigt wird. „Ich bin überzeugt vom Nutzen von Retail-CBDC in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern. In Industriestaaten ist die Lage weniger eindeutig.“
Ein Argument für die Einführung des digitalen Euro, das die Notenbanker ständig wiederholen, ist die aktuell bestehende Abhängigkeit von Zahlungsdienstleistern aus dem Nicht-Euroraum. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Konflikte rückt das Thema immer mehr in den Fokus – auch bei Unternehmern. „Die Abhängigkeit von ausländischen Zahlungsdienstleistern treibt auch Unternehmen um“, meint Kambeck. Doch dieser Aspekt alleine dürfte nicht reichen, um den digitalen Euro, dessen Nutzung freiwillig wäre, zu einem Erfolg zu machen.
Gastbeitrag Peter Bofinger: Der digitale Euro ist ein ordnungspolitischer Sündenfall
Gastbeitrag Burkhard Balz: Europa braucht ein eigenes digitales Zahlungsmittel
Die EZB und die nationalen Notenbanken haben den Aspekt Datensicherheit als relevanten Marketingaspekt ausgemacht. Sie betonen, dass Sie anders als Geschäftsbanken oder Unternehmen keinerlei Geschäftsinteresse an der Auswertung von Daten hätten. Es würden nur die Daten erfasst werden, die für Abwicklung der Transaktionen sowie die Geldwäschebekämpfung zwingend notwendig sind. In den politischen Rändern wird an diesen Aussagen gezweifelt. Darum schlägt Groß vor, dass die EZB Teile der Programmierung des digitalen Euro als Open Source im Internet veröffentlicht. Dies schaffe Transparenz.
Ein wichtiger Aspekt beim Thema Schutz der Privatsphäre der Nutzer ist die geplante Funktion der Offline-Zahlungen. So sollen Transaktionen in digitalem Euro auch ohne Zugang zum Internet möglich sein. Die Zahlungsdetails sehen in einem solchen Fall nur der Zahlende und der Empfänger – analog zu Bezahlungen mit Bargeld. Um Geldwäsche jedoch nicht Tür und Tor zu öffnen, soll es ein Limit für Offline-Zahlungen geben. Die genaue Höhe ist noch offen. „Die EZB sollte das Thema Privatsphäre für den digitalen Euro in der Außenkommunikation in den Fokus rücken“, sagt Groß. „Und es auch so meinen. Hohe Limits für die Privatsphäre schützende Offline-Zahlungen wären dann die Konsequenz.“
Digitale Euro wird präsenter
Noch haben viele in der Bevölkerung wenig bis nichts vom Projekt digitaler Euro mitbekommen. Das dürfte sich zunehmend ändern, da das Eurosystem mehr und mehr ins Marketing einsteigt, etwa über soziale Medien. Auch, wenn noch vieles unklar ist. So fehlt weiterhin der gesetzliche Rahmen der EU für eine mögliche Einführung. Die Wahl des EU-Parlaments in 2024 ist ein Grund dafür gewesen, weswegen sich seit einem Gesetzgebungsvorschlag der Kommission 2023 wenig getan hat. Dass der digitale Euro im Wahlkampf quasi keine Rolle gespielt hat, dürfte ein zweiter gewesen sein.
„Ich gehe eher nicht davon aus, dass die EU 2025 bereits einen gesetzlichen Rahmen für den digitalen Euro beschließt“, schätzt Groß. Bei der EZB läuft die aktuelle sogenannte Vorbereitungsphase im November 2025 aus. Der EZB-Rat betont immer wieder, dass über eine Einführung erst dann entschieden werde, wenn klar ist, wie der gesetzliche Rahmen dafür aussähe. Gut möglich also, dass die EZB Ende 2025 erstmal die aktuelle Phase verlängert oder eine neue ausruft, mit der jedoch weiterhin noch nicht über eine mögliche Einführung entschieden ist.
Banken bei Wholesale-CBDC positive gestimmt
Weiter ist die EZB beim Thema digitales Zentralbankgeld im Inter-Banken-Zahlungsverkehr (Wholesale-CBDC). Das liegt zum einen daran, dass es anders als im Retail-Bereich keine neue rechtliche Grundlage braucht. Außerdem sehen die Banken im Wholesale-CBDC einen großen Nutzen, um den Zahlungsverkehr effizienter zu gestalten.
Im November endete eine Testphase, in der Banken drei Modelle – von den Notenbanken in Deutschland, Frankreich und Italien – ausprobieren konnten. Das Feedback wertet die EZB nun aus und legt 2025 einen Bericht dazu vor. Was bislang von Banken kommuniziert wird, klingt positiv. „Wenn der Wille da ist, dürfte das digitale Zentralbankgeld im Wholesale-Bereich schneller auf den Markt kommen als im Retail-Bereich“, meint Groß.