GastbeitragGeldanlage

Korrelationsdilemma und Inflationsdruck: Die neue Realität für Mischfonds?

Angesichts persistenten Preisdrucks, restriktiverer Geldpolitik als in der Vergangenheit und einer aktuell positiven Korrela­tion zwischen Aktien und Anleihen müssen sich Investoren auf veränderte Marktbedingungen einstellen.

Korrelationsdilemma und Inflationsdruck: Die neue Realität für Mischfonds?

Korrelationsdilemma und Inflationsdruck:
Die neue Realität für Mischfonds?

Von Thomas Romig

Die Diversifikation durch Aktien und Anleihen war und ist ein zentraler Baustein vieler Mischfonds. In den vergangenen zwei Jahrzehnten machte die tendenziell negative Korrelation zwischen beiden Anlageklassen den Fonds-Managern das Leben relativ einfach: Verluste in einer Anlageklasse konnten häufig durch Gewinne in der anderen abgefedert werden. Dadurch sank die Gesamtvolatilität der Portfolios, während die maximalen Drawdowns vergleichsweise gering ausfielen. Diese Effekte führten in der Vergangenheit zu einem attraktiven Rendite-Risiko-Profil vieler Mischfonds mit den Haupt­bestandteilen Aktien und (Staats-)anleihen.

Historisch betrachtet ist eine negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen aber keineswegs Gesetz. Das zeigt die rollierende Drei-Jahres-Korrelation für die Vereinigten Staaten im Zeitraum 1944 bis Januar 2025. Zwischen 1944 und 1971 schuf das Bretton-Woods-System, mit festen Wechselkursen und einem Goldstandard, ein stabiles, aber rigides Um­feld für die Kapitalmärkte, in dem die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen überwiegend moderat war. Nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods und der Einführung flexibler Wechselkurse war der Zeitraum 1971 – 1999 von einer beinahe durchweg positiven Korrelation beider Asset-Klassen geprägt. In dieser Zeit hatte die globale Wirtschaft mit steigender Inflation in Folge der Ölpreisschocks und hoher Volatilität zu kämpfen. Die Währungshüter versuchten, die Inflation durch umfangreiche Zinserhöhungen einzufangen. Erst mit der Einführung der Forward-Guidance und des Infla­tion-Targeting durch die westlichen Notenbanken Ende der 1990er-Jahren kehrte sich der Zusammenhang um.

In den 2010er-Jahren wurde die negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen zudem durch den Zentralbank-Put gestützt. Gemeint ist damit die Erwartung, dass die Notenbanken – allen voran die US Fed und die EZB – bei Turbulenzen an den Finanzmärkten mit Zinssenkungen oder Anleihekäufen einsprangen, um Kurseinbrüche abzumildern. Immer wenn die Realwirtschaft aus dem Tritt geriet und Aktienkurse fielen, erwarteten Anleger, dass die Zentralbanken darauf mit einer Lockerung der Geldpolitik reagieren würden – mit sinkenden Zinsen und steigenden Anleihekursen als Folge. Seit dem Jahr 2022 ist wieder ein Gleichlauf von Aktien und Anleihen zu beobachten. Die Situation heute zeigt Parallelen zu den 1970er und 1980er Jahren: Die stark gestiegene Inflation, bedingt durch die Energiekrise, Störungen in den Lieferketten und die Ausweitung der Geldmenge, zwang die Notenbanken zu einer geldpolitischen Vollbremsung, indem Zinsen erhöht und Wertpapierkäufe eingestellt wurden. Wie lassen sich diese Phasen positiver Korrelation makroökonomisch einordnen? Grundsätzlich gibt es zwei Haupttreiber positiver Korrelation: eine starke Inflation und eine erhöhte Zinsvolatilität.

Hoher Inflationsdruck

Zunehmende Inflation wirkt auf beide Anlageklassen unterschiedlich. Festverzinsliche Anleihen verlieren bei steigenden Preisen zwangsläufig an Wert, da fixe Kuponzahlungen sowie finale Rückzahlungen real entwertet werden. Kupons müssen daher steigen, um den Wertverlust zu kompensieren – dies ist gleichbedeutend mit fallenden Anleihepreisen. Auf der Ak­tienseite sind die Effekte steigender Inflation weniger eindeutig. Unternehmen mit Marktmacht können steigende Kosten für Rohstoffe, Energie und Löhne an die Konsumenten weitergegeben. Unternehmen aus wettbewerbsintensiven Branchen oder mit einer preiselastischen Nachfrage können die Kosten hingegen nicht vollständig auf die Konsumenten abwälzen. Die Gewinnmargen geraten unter Druck, die Profitabilität sinkt und die Bewertungen gehen zurück. Zusätzlich wird der Markt zukünftige Gewinne aufgrund höherer Inflation stärker abzinsen. Historisch gesehen scheint der Einfluss von Infla­tion auf Aktien ab einem Niveau von 3-4% tendenziell negativ zu sein. Bei an­haltend hohen Inflationsraten von über 3% war die Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen in knapp 90% der Beobachtungen positiv.

Ein weiteres zentrales Bindeglied, das eng mit der Inflation verknüpft ist, ist die Rolle der Zinsen. Steigt das allgemeine Preisniveau, sehen sich Zentralbanken gezwungen, die Geldpolitik zu straffen – etwa durch Zinserhöhungen oder die Reduzierung von Wertpapierbeständen. Diese Maßnahmen lassen die Anleihekurse fallen und belasten zeitgleich die Aktienmärkte. Bei höheren Zinsen werden zukünftige Unternehmensgewinne stärker diskontiert und Aktienkurse geraten unter Druck. Gleichzeitig steigen die Refinanzierungskosten der Unternehmen, was Investitionen erschweren und das Gewinnwachstum dämpfen kann. Senken Zentralbanken hingegen die Leitzinsen, steigen in der Regel die Anleihekurse, während die günstigere Finanzierung über den Kapitalmarkt den Aktienkursen zugutekommt. In beiden Fällen fällt die Korrelation positiv aus.

Hohe Zinsvolatilität

Allerdings kann ein stark schwankender Marktausblick hinsichtlich künftiger Zinsschritte auch zu abrupten Kursbewe­gungen in beiden Anlageklassen führen. Insbesondere wenn Marktteilnehmer in kurzen Abständen ihre Erwartungen anpassen, erhöht dies die Zinsvolatilität und führt zu häufigen Umschichtungen im Portfolio. Diese können Aktien wie Anleihen gleichermaßen unter Druck setzen, weil sprunghafte Veränderungen der Renditeerwartungen mit ebenso sprunghaften Abverkäufen oder Käufen einhergehen. In einem Umfeld, in dem Geldpolitik stark datenabhängig ist und Investoren auf jedes neue Konjunktursignal reagieren, kann hohe Zinsvolatilität somit zeitweise beide Asset-Klassen in die gleiche Richtung bewegen.

Es gibt Gründe für die Annahme, dass die Korrelation weiterhin positiv bleibt. Erstens zeigt sich die Inflation in den Ver­einigten Staaten und in Europa hartnäckiger als von vielen Ökonomen erwartet. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie Zweitrundeneffekte aufgrund starker Lohnsteigerungen. Hinzu kommen strukturelle Faktoren wie ein Mangel an qualifi­zierten Arbeitskräften, welcher Löhne in bestimmten Branchen ebenfalls nach oben treibt. Als Folge lag die Kerninflation im Dezember 2024 in der Eurozone bei 3,3% und in den Vereinigten Staaten bei 3,2%, im Dienstleistungssektor stiegen die Preise gar um 4% und 4,5% an. Daher wären erhöhte Inflationsraten von 2% bis 4% in Zukunft keine Überraschung. Zweitens sind in einem solchen Inflationsumfeld umfangreiche Zinssenkungen oder Anleihe­käufe nur sehr eingeschränkt möglich. Die Währungshüter tun sich aktuell schwer, einen verlässlichen Pfad für die zukünf­tige Geldpolitik aufzuzeigen. Ein Zentralbank-Put wie im vergangenen Jahrzehnt steht bis auf Weiteres nicht in vollem Umfang zur Verfügung. Drittens hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich Korrelationsregime durchaus über Jahrzehnte verfestigen können. Ein einmal etabliertes Regime kann sich über lange Zeiträume halten und wird oftmals erst durch grundlegende makroökonomische Veränderungen aufgebrochen.

Veränderte Marktbedingungen

Angesichts persistenten Preisdrucks, restriktiverer Geldpolitik als in der Vergangenheit und einer aktuell positiven Korrela­tion zwischen Aktien und Anleihen müssen sich Investoren auf veränderte Marktbedingungen einstellen. Wo früher ein einfacher Mix aus beiden Asset-Klassen genügte, um eine robuste Diversifikation zu erzielen, ist heute mehr Weitblick gefragt. Moderne Multi Asset-Portfolios setzen auf mehrere Renditequellen, passen sich dynamisch an veränderte Markt­bedingungen an und nutzen aktiv unterschiedliche Instrumente und Strategien, um Risiken auszugleichen. Zwar bleibt das Ziel, Stabilität und Wachstum gleichermaßen im Portfolio zu vereinen – doch wird die Umsetzung anspruchsvoller. Insbe­sondere die Kombination aus makroökonomischer Analyse, Flexibilität in der Allokation und Einbeziehung weiterer Asset-Klassen kann dabei helfen, die neuen Herausforderungen zu meistern und langfristig ein attraktives Rendite-Risiko-Profil zu erreichen, das konventionellen Ansätzen in vielen Marktphasen überlegen sein kann.

Unser Gastautor Thomas Romig ist Geschäftsführer der Assenagon Asset Management S.A. und verantwortet den Bereich Multi Asset Port­folio Management.