Erwartungen brechen so stark ein wie seit 2 Jahren nicht

US-Zollpolitik schickt ZEW-Index in den Keller

Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland und den Euroraum sind im April so kräftig eingebrochen wie zuletzt vor zwei Jahren: Die irrlichternde US-Handelspolitik heizt die Unsicherheit und damit auch die Konjunktursorgen kräftig an. Ein Aufschwung hierzulande erscheint immer unwahrscheinlicher.

US-Zollpolitik schickt ZEW-Index in den Keller

US-Zölle schicken ZEW-Index in den Keller

Erwartungen brechen so stark ein wie seit Ausbruch des Ukrainekriegs nicht mehr − Lagebarometer legt leicht zu

Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland und den Euroraum sind im April so kräftig eingebrochen wie zuletzt vor zwei Jahren: Die irrlichternde US-Handelspolitik heizt die Unsicherheit und damit auch die Konjunktursorgen kräftig an. Ein Aufschwung hierzulande erscheint immer unwahrscheinlicher.

ba Frankfurt

Die von US-Präsident Donald Trump angekündigten reziproken Zölle machen die Hoffnungen auf einen Aufschwung in Deutschland zunichte. Nach dem Konjunkturbarometer von Sentix ist nun auch das Pendant des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) scharf eingebrochen. Einen kräftigeren Rutsch gab es zuletzt nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022. Die zudem von der erratischen US-Handelspolitik befeuerten Unsicherheit bestärkt Unternehmen und private Haushalte, sich mit Investitionen und Ausgaben zurückzuhalten. Womit sich die Lage der stark exportorientierten deutschen Wirtschaft verschärft.

Unsicherheit steigt massiv

„Der erratische Umbruch in der US-Handelspolitik lässt die Erwartungen für Deutschland einbrechen", kommentiert ZEW-Präsident Achim Wambach den Absturz des Indikators für die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten um 65,6 auf –14,0 Punkte. Nicht nur die potenziellen Folgen der angekündigten Reziprozitätszölle für den Welthandel, sondern auch die Dynamik ihrer Änderungen hätten zu einem massiven Anstieg globaler Unsicherheit geführt. „Dies spiegelt sich in den Erwartungen für Deutschland und die Eurozone wider“, so Wambach. Ökonomen wurden von dem zweitstärksten je gemessenen Rückgang überrascht: Sie hatten mit einer Abschwächung auf plus 9,5 Zähler gerechnet, nachdem der Indikator im März wegen der Aussicht auf das von der künftigen Bundesregierung vereinbarte Finanzpaket so kräftig zugelegt hatte wie seit mehr als zwei Jahren nicht. Unter den Branchen stieg der Pessimismus vor allem in den exportintensiven wie der Auto- und Chemieindustrie sowie der Metall-, Maschinen- und Stahlproduktion, die Wambach zufolge „zuletzt eine deutliche Verbesserung verzeichnet haben“.

Bezeichnend findet Christian Lips von der NordLB, dass die Konjunkturerwartungen trotz der Rolle rückwärts von US-Präsident Donald Trump so stark eingebrochen sind. Trump hatte am sogenannten „Liberation Day“ am 2. April mit den verkündeten Zollerhöhungen gegenüber fast allen Handelspartnern „die effektiven Importzölle schlagartig auf ein Niveau der 1930er Jahre zurückkatapultiert“, wie Lips erklärt, die Zölle wegen des folgenden Börsenbebens dann aber für die meisten Länder – außer China – für 90 Tage auf 10% begrenzt. Die ZEW-Umfrage unter 168 Analysten und institutionellen Anlegern fand vom 7. bis 14. April statt.

Rekordtief des US-Indikators

„Die Unsicherheit ist immens und das Vertrauen erst einmal verspielt, zumal es an konkreten Hinweisen für eine echte Umkehr auf einen konstruktiven Kurs weiterhin mangelt“, betonte Lips. Konsequenzen sieht er auch in den Umfrageergebnissen für die übrigen Wirtschaftsräume. Bei den Konjunkturerwartungen für die Eurozone ging es um 58,3 auf –18,5 Saldenpunkte abwärts, für China stehen nun –38,1 Zähler zu Buche. Der Indikator für die die USA fiel um 22,8 auf –71,5 Punkte und damit den niedrigsten je gemessenen Wert. „Selbst die Pandemie, 9/11 und die Lehman-Pleite hatten nicht ein solches Ausmaß an Pessimismus für die US-Konjunktur zur Folge – vielleicht, weil in früheren Krisen Politik als Teil der Lösung gesehen wurde“, erklärte Lips.

Lage wird etwas besser eingeschätzt

Auch die aktuelle Lage wird für fast alle Wirtschaftsräume schwächer eingeschätzt. Die einzige Ausnahme ist Deutschland. Hier stieg der Lageindikator um 6,4 Punkte auf –81,2 Punkte, verharrt damit aber deutlich unter der Nulllinie.

„Schwere Bürde“

„Die US-Zölle werden für die deutsche Wirtschaft zu einer schweren Bürde. Das deutsche BIP läuft Gefahr, im laufenden Jahr zu schrumpfen“, warnte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. 2024 wurden deutsche Waren im Wert von gut 161,3 Mrd. Euro in die USA exportiert. Dies entspricht einem Anteil von 10,4% sämtlicher deutscher Ausfuhren und war der höchste Anteil seit 2002. Das vom zukünftigen Regierungsbündnis lancierte Sondervermögen für Infrastruktur kommt für Gitzel vor diesem Hintergrund genau zur richtigen Zeit: „Einschränkend gilt jedoch, dass die Gelder erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren Weg in die Wirtschaft finden werden.“

Erst vergangene Wochen haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose die Wachstumsprognosen kräftig gekappt: Sie erwarten für dieses Jahr ein schmales Plus von 0,1%. Damit würde das dritte Rezessionsjahr in Folge vermieden, nachdem die größte Volkswirtschaft im Euroraum 2023 um 0,3% und 2024 um 0,2% geschrumpft war.

Spielraum für EZB ist gegeben

Eine Gefahr für einen erneuten sprunghaften Anstieg der Inflationsrate in Deutschland und der Eurozone sehen die Finanzmarktexperten Wambach zufolge derzeit nicht. Dies gebe der EZB Spielraum, um die Wirtschaft durch weitere Senkungen der Zinsen anzukurbeln. „Die Meinung der Experten ist jedoch geteilt, ob die Fed eine Lockerung der Geldpolitik vornehmen wird“, ergänzte Wambach.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.