Reform der Sozialversicherungen

Mehr Investitionen durch mehr Kapitaldeckung

Warum mehr Kapitaldeckung in der Sozialversicherung nicht nur den Versicherten hilft, sondern auch dem Standort. Höhere Renditen, zugeschnitten auf die künftigen Anforderungen des Arbeitsmarkts und eine stabilere Finanzierungsgrundlage für die Wirtschaft.

Mehr Investitionen durch mehr Kapitaldeckung

Mehr Investitionen durch
mehr Kapitaldeckung

Höhere Renditen und stabilere Finanzierungsgrundlage
helfen den Versicherten und dem Standort Deutschland.

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Als die Ampelkoalition ihre Pläne zur Aktienrente präsentierte als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung, wurden sogleich Vorwürfe laut, die Bundesregierung würde mit Steuergeldern „zocken“, die Rente sei „kein Börsenspielchen“, wie VdK-Präsidentin Verena Bentele kritisierte. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach gar von der „Casino Rente“. Jede stärkere Hinwendung an den Aktienmarkt wird in Deutschland stets als unmoralisch und spekulativ gebrandmarkt. Dabei zeigen die Daten, dass die Ergebnisse von Aktienanlagen seit Jahrzehnten besser sind als im Umlageverfahren, auf dem die gesetzliche Rente bisher basiert.

Lage der „Gesetzlichen“ wird immer schwieriger

Zumal die Lage für die „Gesetzliche“ wegen des demografischen Wandels immer prekärer wird: 2035 werden 4,5 Millionen Menschen mehr im Rentenalter sein, zugleich sinkt die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter um 5,8 Millionen. Soll das Rentenniveau gehalten werden, müssen entweder die Beiträge weiter rauf, oder der Steuerzuschuss steigen. Letzteres erscheint illusorisch. Aber wenn die Beiträge weiter zulegen, droht die Aufkündigung des gesellschaftlichen Konsenses. In der jungen Generation ist die „Gesetzliche“ längst nur noch eine Lachnummer.

Andere Länder zeigen, wie es besser geht: In Schweden legen die Beschäftigten seit Ende der 90er Jahre 2,5% ihres Lohnes zum großen Teil in Aktien an. Der dortige Såfa-Fonds, der von mehr als fünf Millionen Schweden für die Prämienrente genutzt wird, hat in 20 Jahren eine Rendite von jährlich 10% erwirtschaftet. Oder Norwegen: Der größte Pensionsfonds der Welt hat dort allein im vergangenen Halbjahr einen Gewinn von 125 Mrd. Euro bilanziert; eine Rendite von 8,6%.

Eher mickrige Pläne

Dagegen nehmen sich die deutschen Pläne für ein „Generationenkapital“ mickrig aus: Über ein schuldenfinanziertes Grundkapital von 12 Mrd. Euro, das Jahr für Jahr aufgestockt wird, sollen bis 2035 rund 200 Mrd. Euro zusammenkommen. Angesichts der politischen Diskurslage ist das zwar durchaus als ein Erfolg zu werten. Es ist aber bei weitem nicht genug, um die gesetzliche Rente tatsächlich über die schwierige Babyboomer-Phase zu bringen.

Um mehr Kapitaldeckung kommt man aber auch aus anderen Gründen nicht herum. Denn die Struktur des Arbeitsmarkts entwickelt sich weg von der sozialversicherungspflichtigen Lebensanstellung, der Basis des Umlageprinzips. Mit neuen Arbeitswelten kommt es häufiger zu unsteten Lebensläufen, Umschulung und Branchenwechsel, mehr freien Tätigkeiten und lockereren Anstellungsverhältnissen. Das höhlt die Finanzierungsrundlagen der Rentenversicherung aus. Hinzu kommt, dass die technische Entwicklung hin zu künstlicher Intelligenz, Automatisierung und Virtualisierung mit höherem Kapitaleinsatz einhergeht. Das kommt eher den Kapitaleinkommen zugute als den Arbeitseinkommen, woran die „Gesetzliche“ andockt. Auch bei der Pflege- und Krankenversicherung macht es insofern Sinn, sich mit der höher rentierlichen Kapitaldeckung anzufreunden als ergänzendes Element der Finanzierung.

Mehr Kapital für Investitionen erforderlich

Dafür spricht auch ein weiterer Grund: Gerade in der gegenwärtigen Transformationsphase (Umwelt/Klima, Arbeitswelt/KI) braucht die Volkswirtschaft besonders viel Kapital zur Finanzierung der nötigen Investitionen. Das kann nur vom Kapitalmarkt kommen. Und für den heimischen Standort ist es allemal besser, wenn ein gewisser Home-Bias auch bei der Finanzierung vorherrscht, weil das auch mehr Unternehmen in Deutschland hält. Zudem zeigen Studien, dass Gesellschaften, deren Rentensysteme kapitalfundiert sind, gesamtwirtschaftlich mit einem höheren Kapitalstock arbeiten als Ökonomien mit umlagefinanzierten Systemen. Ergebnis: Das Pro-Kopf-Einkommen ist tendenziell höher; mehr Wohlstand für die Bürger.

Mehr Kapitaldeckung ist also eine Win-Win-Situation für Versicherte und Standort. Und je schneller der Strukturwandel finanziert werden kann, desto weniger schmerzlich wird die Umstellung, weil sich die Wirtschaft schneller auf neue Technologien einstellen, die Infrastruktur zügiger modernisiert werden kann. Und letzten Endes wird dadurch auch die Finanzierung des verbliebenen Umlageprinzips stabilisiert, weil dieses dann von den erwirtschafteten höheren Löhnen und von den stabileren Beschäftigungsverhältnissen profitiert. Ein Umstand, der von den Kapitalmarktkritikern gerne unterschlagen wird.

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