LeitartikelChina-Konjunktur

Gefährliche Zurückhaltung

China spart sich im Warten auf Trump fiskalische Stimuli auf. Das könnte sich als ein konjunkturpolitischer Fehler erweisen.

Gefährliche Zurückhaltung

China

Gefährliche Zurückhaltung

China spart sich im Warten auf Trump fiskalische Stimuli auf. Konjunkturpolitisch gesehen ist das ein Fehler.  

Von Norbert Hellmann

Zwei schöne offizielle Maximen prägen die Herangehensweise der chinesischen Regierung und Wirtschaftsplaner an gegenwärtige Herausforderungen. „Volles Vertrauen in das Erreichen des diesjährigen Wachstumsziels von etwa 5%“, lautet die Kernbotschaft. In Sachen Stimuli heißt es, was immer erforderlich ist, kann und wird geleistet werden. Der demonstrativen Entschlossenheit zur Wirtschaftsankurbelung steht allerdings eine zögerliche Herangehensweise an fiskalische Impulse gegenüber, die die Anleger zusehends verunsichert und enerviert. Ihre Sorgen haben mit dem Wahlsieg von Donald Trump ordentlich Nahrung bekommen.

Strafzollgewitter

Im kommenden Jahr droht ein Strafzollgewitter, das Chinas Exportmaschinerie als derzeit dynamischsten Wachstumstreiber der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft vor gewaltige Probleme stellen dürfte. Wunschdenken an den Märkten ist, dass Peking wie in früheren Krisensituationen mit einem wuchtigen Impuls in die Vorlage geht. Ein Konjunkturprogramm soll her, das einen über alle Zweifel erhabenen präventiven Aufschwung generiert, mit dem sich dann auch ärgste handelspolitische Widrigkeiten abfedern ließen.

Absage an das Wunschkonzert

Das Wunschkonzert wird so nicht über die Bühne gehen. Peking schlägt einen bedächtigeren Takt an. Wenige Tage nach der Wahlentscheidung wurde ein von langer Hand vorbereitetes Fiskalpaket geschnürt, das auf den ersten Blick mit einem enormen Umfang von umgerechnet rund 13 Bill. Euro glänzt. Es hat allerdings keine konjunkturpolitische Stoßrichtung, sondern dient der zweifelsohne notwendigen Schulden-Konsolidierung auf Lokalregierungsebene.

Katz-und-Maus-Spiel

Peking will es auf fiskalischer Seite zunächst einmal dabei belassen. Man vertröstet die Märkte mit der Aussicht auf weitere Maßnahmen im kommenden Jahr. So setzt sich ein Katz-und-Maus-Spiel in Sachen Erwartungssteuerung fort, das mit der monetären Stimulus-Offensive im September seinen Anfang nahm. Mit Zinssenkungen, Immobilienmarktmaßnahmen und flotten Versprechen wurden Chinas Aktienmärkte pünktlich zur Nationalfeiertagswoche aus der Baisse befreit. Die Stimmungswende kann man aber nur als Teilerfolg werten. Die Hausse ist längst ins Stocken gekommen, weil in Sachen weiterführender Stimuli stets nur Appetithäppchen und keinerlei Sättigungsbeilage angeboten werden.

Verpasste Chance

Peking will das Pulver zunächst trocken halten und weiterhin Budgetdisziplin zu wahren. Es soll genügend Munition vorhanden sein, um im nächsten Jahr angemessen auf neue Herausforderungen zu reagieren. Dass man sich von der Causa Trump nicht sichtlich aufscheuchen lassen will und keine hektischen Vorbeugungsmaßnahmen lostritt, kann man aus politisch-taktischen Gründen sicherlich verstehen. Dennoch wurde eine Chance für einen konjunkturpolitischen Befreiungsschlag verpasst, der nicht nur die Handelspolitik im Auge hat, sondern auf andere Bremsfaktoren einwirkt.  

Private Haushalte ducken sich

Die Betonung von Budgetbalance bei Verzicht auf eine energische antizyklische Fiskalpolitik ist problematisch. Wesentliche Faktoren der Wachstumsabschwächung sind eine hartnäckige Deflationstendenz und das, was Ökonomen als „Balance Sheet Recession“ bezeichnen: Chinas private Haushalte sind mit Blick auf vermindertes Einkommenswachstum und ungewohnt unsichere Wirtschaftsperspektiven damit beschäftigt, ihre „Bilanzen zu reparieren“, um sich für schlechtere Zeiten zu wappnen. Das bedeutet Konsumzurückhaltung und geringe Verschuldungsbereitschaft, etwa zur Finanzierung von Wohnungskäufen.

Mangelnde Offensive

Auch die Unternehmen schalten auf Deleveraging. Die Entsprechung dazu sieht man in der monetären Statistik mit sinkender Neukreditvergabe und niedriger gesamter Finanzierungstätigkeit. In einer solchen Situation ist es für den Zentralstaat fehl am Platze, sich mit Budgetdisziplin zu schmücken und die Deflationsproblematik weiter herunterzureden. Vielmehr gilt es, die „Bilanz-Rezession“ der privaten Haushalte und Unternehmen früh und energisch mit fiskalischen Vorstößen zu kompensieren, und zwar unabhängig von dem, was Donald Trump noch alles mit China vorhat.

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