Anleger vor EZB-Zinsentscheid in Lauerstellung
Wenige Stunden vor der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Anleger die Bälle flachgehalten. Der Dax umtänzelte zunächst die psychologisch wichtige Marke von 13.000 Punkten und trat anschließend bei 12.915 Punkten auf der Stelle. Der EuroStoxx50 notierte kaum verändert bei 3505 Zählern.
Eine Rekord-Anhebung des Schlüsselsatzes durch die Frankfurter Währungshüter um 0,75 Prozentpunkte gilt an der Börse als so gut wie sicher. Einen kleineren Schritt schlossen Beobachter jedoch ebenfalls nicht aus. „Welche Entscheidung auch immer heute getroffen wird, EZB-Präsidentin Christine Lagarde muss sicherstellen, dass ihre Botschaft klar ist“, sagte Marktanalyst Michael Hewson vom Broker CMC Markets.
Ein übermäßig aggressiver Zinsausblick berge angesichts gesenkter Wachstums- und steigender Inflationsprognosen allerdings das Risiko, die Anleiherenditen südeuropäischer Länder stark nach oben zu treiben, erläuterte Hewson. An den Anleihemärkten zog die Rendite der zehnjährigen Bundespapiere leicht auf 1,580% an. Die italienischen Pendants rentierten wenig verändert bei 3,857%. Sollte die EZB einen vorsichtigeren Weg einschlagen, könne der Euro wieder auf seine jüngsten Tiefststände zurückfallen, sagte Hewson. Die Gemeinschaftswährung lag zuletzt knapp unter der Parität zum Dollar und hat seit Jahresbeginn rund 12% abgewertet. Der Dollar-Index, der die US-Devise zu anderen wichtigen Währungen misst, lag 0,1% höher bei 109,78 Punkten.
Powell-Rede mit Spannung erwartet
Auch von einer am Nachmittag (MESZ) anstehenden Rede von Fed-Chef Jerome Powell erhoffen sich die Investoren eindeutige geldpolitische Signale. Entscheidend für die Börsen dürfte sein, wie aggressiv die Notenbank künftig gegen die hohe Inflation vorgehen wird. „Ich denke, Powell wird signalisieren, dass die Entscheidung für September noch nicht gefallen ist, aber die Fed wird datenabhängig bleiben“, sagte Analyst Jan Nevruzi von NatWest Markets. Momentan wird an den Finanzmärkten die Chance für eine dritte Zinserhöhung um 75 Basispunkte in Folge bei etwa 76% gesehen nach 69% vor einer Woche.
Wahrscheinlich gingen die Anleger so oder so kurzfristig in den Stillhalte-Modus über, sagte Gary Ng, Ökonom bei Natixis in Hongkong. „Ob es 50 oder 75 Basispunkte sind, wird wichtig sein, aber das Wichtigste ist wirklich, ob die Inflation ihren Höhepunkt erreichen kann, und wie sieht der Zinserhöhungspfad der Fed in der Zukunft aus?“
Primark und Juve im Abseits
Im Vorfeld der EZB griffen Anleger vor allem bei Bankenaktien zu. Die Titel der Deutschen Bank waren mit einem Plus von 1,7% größter Dax-Gewinner. An der Börse Mailand kletterte der Bankenindex um 1,3%. Die Titel der Commerzbank standen 2,4% höher. Finanzminister Christian Lindner dämpfte die Erwartungen an einen Verkauf des vom Staat gehaltenen Anteils von 15,6% an der Bank.
Die Papiere von Associated British Foods fielen in London um mehr als 7%. Die Billigmodemarke Primark dürfte im kommenden Jahr angesichts steigender Energiekosten auf den Gewinn ihres Mutterkonzerns drücken. Im Abseits landeten auch die Aktien des italienischen Fußball-Clubs Juventus, die mehr als fünf Prozent nachgaben. Aus den Halbjahresergebnissen des Mehrheitsaktionärs Exor ist herauszulesen, dass der Verein einen Verlust von rund 250 Mill. Euro für das Geschäftsjahr melden könnte.