Neuer Premierminister

Bayrou soll Frankreich aus der politischen Krise führen

Frankreichs neuer Premierminister, der Zentrumspolitiker François Bayrou, steht bei der Regierungsbildung und der Haushaltspolitik vor großen Herausforderungen. Moody's hat Frankreich kurz nach seiner Ernennung abgestuft.

Bayrou soll Frankreich aus der politischen Krise führen

François Bayrou ist Frankreichs neuer Premierminister

Von Gesche Wüpper, Paris

Es sei die Revanche eines unermüdlichen Zentrumspolitikers, die Rückkehr aus dem Fegefeuer, urteilen französische Medien. Denn Frankreichs neuer Premierminister François Bayrou träumt schon lange von höheren Weihen. Eigentlich vom Élyséepalast, doch nun hat er es immerhin in das Hôtel Matignon geschafft, Amtssitz des französischen Regierungschefs. Doch die Aufgabe, die den 73-jährigen Allierten von Präsident Emmanuel Macron dort erwartet, ist alles andere als ein Traumjob.

Die Voraussetzungen haben sich für Bayrou jetzt sogar noch weiter erschwert. Denn nur wenige Stunden nach seiner Berufung hat Moody's Frankreich in der Nacht von Freitag auf Samstag von AA2 auf AA3 abgestuft. Die Entscheidung spiegele die Meinung von Moody's wieder, dass die öffentlichen Finanzen des Landes in den nächsten Jahren substantiell geschwächt seien, erklärte die Ratingagentur. Die politische Fragmentierung dürfte eine bedeutende Haushaltskonsolidierung verhindern. Für Frankreich könnte es nun teurer werden, Schulden aufzunehmen.

An den zersplitterten Verhältnissen der Assemblée Nationale, die in drei ungefähr gleich große Blöcke gespalten ist, hat sich auch nach dem Sturz der Regierung Barniers nichts geändert. Ein Wille, gemeinsam die politische Krise überwinden zu wollen, ist bei etlichen Abgeordneten nicht erkennbar. Im Gegenteil. Die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI), die zusammen mit ihren Verbündeten aus der Nouveau Front Populaire (NFP) und mit Unterstützung des rechtsextremen Rassemblement National (RN) Bayrous Vorgänger Michel Barnier zu Fall gebracht hat, hat bereits angekündigt, einen Misstrauensantrag stellen zu wollen.

RN will Einfluss auf Haushalt

Der RN, der genau wie LFI Macron zum Rücktritt bringen will, ließ wissen, dass er nicht von vorneherein einen Misstrauensantrag gegen Bayrou plane. Das hätte er getan, hätte Macron einen Vertreter der Linken zum Premierminister gemacht. Allerdings stellen RN-Chef Jordan Bardella und Fraktionschefin Marine Le Pen Bedingungen. Bayrou müsse das machen, was sein Vorgänger nicht getan habe, erklärte Le Pen auf Elon Musks Netzwerk X. Er müsse der Opposition zuhören, um einen „vernünftigen und überlegten Haushalt“ zu erstellen.

Der RN hatte bereits Bayrous Vorgänger unter Druck gesetzt und zu Zugeständnissen gezwungen, sodass geplante Einsparungen verwässert worden wären. Die gestürzte Regierung hatte ursprünglich Haushaltsanstrengungen in Höhe von 60 Mrd. Euro geplant, um das Defizit nächstes Jahr von mehr als 6% auf 5% zu senken. Die Verabschiedung eines Haushalts für 2025 ist neben der Regierungsbildung die dringlichste Aufgabe, die Frankreichs neuen Premierminister erwartet. Zunächst soll ein Spezialgesetz verabschiedet werden, um den Haushaltsrahmen 2024 für 2025 zu verlängern.

Sozialisten wollen sich nicht an Regierung beteiligen

Sowohl bei der Regierungsbildung als auch beim Haushalt muss der Bürgermeister der südwestfranzösischen Stadt Pau nun Verhandlungsgeschick beweisen. Zumal auch andere Vertreter des Linksbündnisses NFP mit Misstrauensanträgen drohen. Etwa die Grünen, sollte Bayrou den als Hardliner bekannten Republikaner Bruno Retailleau als Innenminister behalten. Oder Kommunisten und Sozialisten, die fordern, Bayrou müsse darauf verzichten, Gesetzentwürfe ohne Abstimmung mithilfe des Artikels 49.3 durchzusetzen.

Mit der Berufung Bayrous verschärfe Macron die politische Krise, kritisierte Sozialistenchef Olivier Faure auf X. Es sei eine Missachtung der Ergebnisse der Neuwahlen im Sommer, verlautete aus dem Umfeld der Partei, die sich nicht an einer Regierung beteiligen will. Es müsse ein Weg der Versöhnung gefunden werden, sagte Bayrou, Lehrer für klassische Sprachen, nach seiner Ernennung durch Staatspräsident Macron. „Jeder ist sich der Schwierigkeit der Aufgabe bewusst. Jeder sagt sich, dass ein Weg gefunden werden muss, der die Menschen vereint, anstatt sie zu entzweien.“

Bayrou züchtet Rennpferde

Es ist nicht das erste Mal, dass Bayrou für einen Weg in der Mitte wirbt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 hatte er als „dritter Mann“ hinter Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal für eine Überraschung gesorgt. Zehn Jahre später dann verzichtete er zugunsten Macrons auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur. Dieser machte den früheren Europa-Abgeordneten, der unter Präsident François Mitterrand und dessen Nachfolger Jacques Chirac Bildungsminister war, dann nach seiner Wahl 2017 zum Justizminister.

Doch Bayrou schied schon bald wieder aus der Regierung aus, da die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Veruntreuung von Geldern Ermittlungen gegen seine Partei eingeleitet hatte. Erst im Februar dieses Jahres sprach das Strafgericht Paris Bayrou von den Vorwürfen frei. Wie Macrons früherer Premier Jean Castex stammt er aus einer ländlichen Gegend. Damit kann er bei all den Franzosen punkten, die der Pariser Politikelite vorwerfen, realitätsfern zu sein. Bayrou ist in Bordères bei Pau auf einem Bauernhof als Sohn eines Landwirts aufgewachsen. Dort züchtet der Vater von sechs Kindern auch heute noch Rennpferde.

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