Eigentor für Jamie Dimon
Von Andreas Hippin, London
Die wirtschaftliche Logik, die den Plänen für eine europäische Super League zugrunde liegt, ist bislang nicht widerlegt worden. Das gilt auch für die ökonomischen Gründe, die für den Verbleib Großbritanniens in der EU sprachen. Vielleicht ist es vor diesem Hintergrund nicht überraschend, dass Jamie Dimon (65), der Chef der US-Großbank J.P. Morgan, erneut ein Eigentor geschossen hat. Das Abbröckeln der Fußballclubs, die sich vorgenommen hatten, den Sport endgültig zur Gelddruckmaschine umzufunktionieren, dürfte ihn ebenso überrascht haben wie das britische Votum für den Brexit 2016, gegen den er kräftig Front gemacht hatte. Man darf davon ausgehen, dass Dimon wusste, dass seine Bank Milliarden für die Finanzierung der Super League zur Verfügung zu stellen plante.
Die Wut der Fans
Der „New York Times“ zufolge wurden mögliche Auswirkungen auf den Ruf des Instituts von einem hauseigenen Komitee geprüft. Die emotionalen Reaktionen der Fans, die ihrer Region und den Traditionen ihrer Vereine verbunden sind, waren offenbar so nicht erwartet worden. Unter #JPMorgan konnte man sie auf Twitter nachlesen. Die Eigentümer von zwölf europäischen Spitzenclubs wollten der Champions League des europäischen Fußballverbands Uefa Konkurrenz machen. Wer wie Dimon mit den Baseball-Legenden der New York Mets und dem Football-Finale Super Bowl aufgewachsen ist, mag dafür Verständnis haben. Doch eigentlich hätte man mehr von dem US-Milliardär und Parteispender der Demokraten erwartet. „Wenn J.P. Morgan in eine Gemeinde kommt, sind wir sehr stolz darauf, auf lokaler Ebene ein verantwortungsbewusster Bürger zu sein, genauso wie die örtliche Bäckerei“, hatte er schließlich in seinem Brief an die Aktionäre im jüngsten Geschäftsbericht geschrieben.
In den Bäckereien rund um das Stadion Old Trafford in Manchester wird man gewusst haben, wie die Reaktionen auf die Ankündigung der Super League ausfallen werden. Für Uefa-Präsident Aleksander Ceferin war es so, als hätte man den Fußballliebhabern ins Gesicht gespuckt. Aber vielleicht war das mit der Bäckerei von Dimon auch nicht so ernst gemeint. Schließlich wollte der Board der Bank auch nicht vom Dienst am Shareholder auf den Dienst am Stakeholder umsteigen, obwohl die Wirtschaftslobby Business Roundtable, der Dimon vorsitzt, das 2019 in seiner „Stellungnahme zum Zweck eines Unternehmens“ empfohlen hatte. Im Februar lehnte der Board von J.P. Morgan eine Umwandlung in eine Public Benefit Corporation ab. Bei dieser Unternehmensform gehören neben der Erwirtschaftung eines Gewinns positive Einflüsse auf Gesellschaft, Mitarbeiter, Allgemeinheit und Umwelt zu den Unternehmenszielen. Da überrascht es auch nicht, dass sich der Name J.P. Morgan nicht auf der Mitgliederliste der gestern vom UN-Klimabotschafter Mark Carney vorgestellten Net Zero Banking Alliance findet, die sich für den Wandel zu einer Nullemissionswirtschaft einsetzt. Mit Carney war Dimon vor einem Jahrzehnt einmal aneinandergeraten. Der Kanadier führte damals die Bank of Canada. Dimon nannte die Basel-III-Reformen „antiamerikanisch“. Auch sonst soll es bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen in Washington heiß hergegangen sein.
Zurück zum Fußball: Es dauerte nur 48 Stunden, bis Roman Abramovich, der Eigentümer des Chelsea FC, der Super League den Stecker zog. Empörte Fans hatten vor dem Spiel gegen Brighton and Hove Albion den Zugang zum Stadion Stamford Bridge blockiert. Manchester City folgte und schließlich gab auch Atletico Madrid das Vorhaben auf. Ed Woodward, der Executive Vice Chairman von Manchester United, legte sein Amt nieder. Der Investmentbanker hatte eine Schlüsselrolle bei der Übernahme des Clubs durch Malcolm Glazer gespielt. Dessen Familie werden immer wieder Verkaufsabsichten unterstellt. Es dürfte also nicht allzu lange dauern, bis erneut mögliche Käufer durch die Medien geistern. „Forbes“ bezifferte den Wert des Clubs zuletzt mit 3,05 Mrd. Pfund. Damit kommt ManU lediglich auf Platz 4 hinter dem FC Barcelona, Real Madrid und dem FC Bayern München. John Henry, der Eigentümer des FC Liverpool entschuldigte sich bei den Fans. Es sei klar gewesen, dass das Projekt ohne die Unterstützung der Fans nicht überlebensfähig sein werde. Sie hätten in diesem 48 Stunden klargemacht, dass es keinen Bestand haben wird.