FTC-Chefin Khan hält die Tech-Branche auf Trab
FTC-Chefin Khan hält die Tech-Branche auf Trab
Sie ist das große Feindbild der Technologieriesen: Lina Khan, Chefin der US-Wettbewerbsaufsicht FTC, geht hart gegen die Marktmacht von Alphabet, Meta & Co. vor – und dürfte sich dabei auch im neuen Jahr kaum bremsen lassen. Denn die 34 Jahre alte Juristin, die sich bereits zu Studienzeiten an der US-Renommier-Universität Yale mit einem Aufsatz zu kartellrechtlichen Problemen um Amazon einen Namen machte, ist für ihre strikte Auslegung von Monopolgrundsätzen bekannt und scheut sich nicht, diese auch in von vielen Kanzleien als aussichtslos eingestuften Auseinandersetzungen zu verfolgen.
Bereits 2021, im Jahr von Khans Amtsantritt, stellte die FTC zu Übernahmen 42 Untersuchungsschreiben aus und damit fast doppelt so viele wie 2020. Seither hat die Behörde per annum zwei- bis dreimal so viele einstweilige Verfügungen gegen Zusammenschlüsse erwirkt wie in den vorangegangenen Jahren. In der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden ist die Behörde gegen elf große Merger auch vor Gericht gezogen, fünf davon hat sie dabei erfolgreich blockiert.
Unterstützung vom Ministerium
Dabei kann Khan auch auf Rückendeckung aus dem Justizministerium zählen. In Zusammenarbeit mit dem Ressort hat die FTC im vergangenen Juli eine neue Merger-Richtlinie vorgestellt und kurz vor Weihnachten die finalen Regeln veröffentlicht. Damit sinkt die Schwelle deutlich, ab der Behörden Zusammenschlüsse als wettbewerbsschädlich betrachten.
Politiker auf beiden Seiten des Spektrums äußern sich indes besorgt über unerwünschte Konsequenzen. Denn durch die Reform wird der Verbraucherwohlstandard, über Jahrzehnte der Leitstern der US-Kartellprüfung, laut der Anwaltskanzlei Morrison Foerster de facto abgeschafft. Nach diesem Grundsatz gingen Gerichte davon aus, dass Merger häufig positive ökonomische Effekte haben, da sie die operative Effizienz fördern und zu niedrigeren Preisen führen können.
Kritiker werten die neuen Merger-Richtlinien als Versuch einer Aufsicht, die in mehreren stark beachteten Fällen empfindliche Niederlagen hat einstecken müssen, ihre Kompetenzen auszuweiten und sich in einer zunehmend verzweifelten Kampagne gegen den Tech-Sektor Vorteile zu verschaffen. Schließlich scheiterte Khan 2023 daran, die Übernahme des Virtual-Reality-Start-ups Within durch Meta Platforms wie auch die Akquisition des Spieleentwicklers Activision Blizzard durch Microsoft zu blockieren.
Für die in London geborene Tochter pakistanischer Eltern, die mit elf Jahren in die USA kam, sind solche Rückschläge aber Ansporn, ihre Bemühungen um einen gerechteren Wettbewerb zu intensivieren. Im September reichte ihre Behörde wegen einer mutmaßlich illegalen Monopolstellung Klage gegen Amazon ein. Die FTC wirft dem E-Commerce-Giganten vor, dieser missbrauche seine Marktmacht, um Preise künstlich hoch zu halten und Händler an die eigene Plattform zu fesseln.
Gerichtliche Anordnung
Die FTC strebt eine gerichtliche Anordnung an, gemäß derer Amazon die angeblich unlauteren Geschäftspraktiken unterlassen müsste. In der Klageschrift heißt es zudem, die Behörde könne „strukturelle Erleichterungen“ verfolgen – diese Formulierung deutet häufig auf eine angestrebte Zerschlagung von Konzernen hin.
Der Fall, der für Khans regulatorisches Erbe entscheidend werden könnte, stammt indes sogar aus der Zeit vor ihrem Amtsantritt. Im Dezember 2020, also in den letzten Tagen der Präsidentschaft Donald Trumps, reichte die FTC eine Klage gegen Meta Platforms vor. Die Facebook-Mutter habe durch Übernahmen potenzieller Rivalen wie des Messaging-Dienstes Whatsapp oder der Foto- und Videoplattform Instagram unrechtmäßig versucht, den Wettbewerb zu umgehen.
Der Fall hat sich nur langsam entwickelt, im Juni 2021 verfügte ein US-Bezirksrichter, die Wettbewerbsaufsicht habe ihre Vorwürfe der Monopolmacht nicht ausreichend unterfüttert. Unter Khan dickte die FTC die Klage aber an und reichte sie neu ein, das zuständige Tribunal erlaubte ihr daraufhin, Zeugen vorzuladen. Die Aufsichtschefin dringt darauf, den Prozess zu beschleunigen.
Vorwurf: Befangenheit
Meta sieht mit Blick darauf, dass sie die fraglichen Übernahmen bereits in den Jahren 2012 und 2014 abschloss, keine Eile – und wirft Khan Befangenheit vor. So versuchte der Konzern bereits, die FTC-Vorsitzende von der letztlich gescheiterten Klage gegen die Within-Akquisition auszuschließen. Amazon erhebt ähnliche Vorwürfe gegen die 34-Jährige. Khan will im Prozess gegen Meta Platforms ungeachtet der zunehmend persönlichen Angriffe aus dem Tech-Sektor 2024 mit dem offiziellen Teil der Verhandlungen und damit den Weg zu einem potenziell historischen Urteil beginnen.
Der mit einem Kardiologen verheirateten Mutter eines Sohnes warfen Kritiker zu Beginn ihrer Amtszeit ihre Unerfahrenheit und ein angeblich mangelndes Verständnis von praktischer Kartellrechtsprechung vor. Inzwischen kann die Juristin, die neben ihrer Rolle als Behördenchefin auch eine außerordentliche Professur an der Columbia Law School wahrnimmt, allerdings auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen – und dabei durchaus Achtungserfolge vorweisen.
Im Dezember stimmte ein US-Berufungsgericht der Einschätzung der FTC zu, dass die Übernahme des Krebstestherstellers Grail durch den Gentechnikkonzern Illumina wettbewerbsfeindlich sei, das Unternehmen aus San Diego will die 2021 übernommene Tochter nun bis Mitte 2024 abstoßen. Ähnliche Überzeugungsarbeit will Khan im laufenden Jahr noch öfter vor Gericht leisten.