Im Aufzug mit George Clooney
Im Aufzug mit George Clooney
von Annette Becker, Krefeld
Ilse Henne lacht gerne. Dabei könnte man meinen, dass die Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel nicht viel zu lachen hat. Doch die 52-Jährige, die im September nach dem Exodus in Vorstand und Aufsichtsrat der Stahltochter nolens volens den Posten der Chefaufseherin übernahm, scheint sich in ihre neue Rolle eingefunden zu haben. Die Belgierin arbeitet seit 25 Jahren für Thyssenkrupp und ist vom Virus des „sich in die Pflicht nehmen Lassens“ infiziert. Das hat in Essen Tradition.
„Knut Giesler, mein Vize im Aufsichtsrat, und ich haben uns in tief in die Augen geschaut und beschlossen, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“, macht Henne den Punkt. Über Aufsichtsratsinterna will sie nicht reden. Das ist verständlich, nachdem man im Sommer den Eindruck gewinnen musste, dass der Zukunftsplan für die Stahlsparte in der Öffentlichkeit ausgehandelt wird und nicht in den dafür zuständigen Gremien. Damit soll jetzt Schluss sein.
Geschickte Ablenkung
Der unter den Nägeln brennenden Frage nach dem Auftreten und Verhalten des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský, der sich mit 20% an der Stahlsparte beteiligt hat und seither auch im Aufsichtsrat sitzt, weicht die studierte Sprach- und Literaturwissenschaftlerin geschickt aus. Über das hinausgehend, was öffentlich bekannt sei, wisse auch sie nichts. Und ehe man sich versieht, kommt die Rede auf George Clooney. Vor Jahren war Henne nämlich in Paris im selben Hotel untergebracht wie George Clooney und Brad Pitt, die sich zu Dreharbeiten in der französischen Hauptstadt aufhielten. Wie es der Zufall wollte, fuhr sie sogar mit den VIPs im Aufzug. Überliefert ist allerdings nicht, ob es ein Aufzug von Thyssenkrupp Elevator war. Die Aufzugsparte hatte Thyssenkrupp 2020 an Private Equity verkauft.
Henne gehört dem Vorstand des Traditionskonzerns seit Januar dieses Jahres an und hätte auch ohne den Aufsichtsratsjob bei der schwächelnden Stahlsparte genug zu tun. Erst recht, seit sie im Juni auch noch CEO des Werkstoffhandels, also der Division Material Services (MX), wurde. Dort hat Henne ihre berufliche Laufbahn als Vertriebsleiterin begonnen und Schritt für Schritt die Karriereleiter erklommen. 2019 gelang der Sprung in die MX-Geschäftsführung, zunächst als COO, später als Chief Transformation Officer.
Freude auf Transformation
Denn an der Transformation führt auch im Werkstoffhandel kein Weg vorbei. „Darauf freue ich mich“, sagt die Managerin, die ein Aufbaustudium samt Postmaster-Kursen in Business Management absolvierte. Allerdings ist die Transformation auch bei MX mit Stellenabbau verbunden, allen voran in Deutschland, wo jüngst ein Sozialplan zum Abbau von 450 Vollzeitstellen geschlossen wurde.
Nach Einschätzung von Henne ist die Standortschwäche des Heimatmarkts die größte Herausforderung für die in 30 Ländern vertretene Organisation. Dennoch ist sie zuversichtlich, auch hierzulande bei den Kunden mit dem intelligenten und nachhaltigen Managen von Werkstoffen und Lieferketten punkten zu können.
Thyssenkrupp hat viel mehr zu bieten.
Ilse Henne
Zweifelsohne schlägt Hennes Herz für den Werkstoffhandel. Von daher findet sie es schade, dass Thyssenkrupp in der Öffentlichkeit vor allem als Stahlkonzern wahrgenommen wird. „Thyssenkrupp hat viel mehr zu bieten“, klingt Bedauern durch. Zugleich schätzt sie die lange Tradition des Unternehmens, das es nun in die Zukunft zu tragen gelte. Das übersetze sich in ihren Führungsstil. „Ich versuche, die Leute mitzunehmen, habe aber auch immer einen Nordstern fest verankert“, sagt Henne. Will heißen, es gibt eine klare Zielvorgabe, über den Weg dorthin lässt sie jedoch mit sich reden.
Dickes Fell vonnöten
Dass Manager von Thyssenkrupp ein dickes Fell brauchen, hat Henne am eigenen Leib zu spüren bekommen, als es Ende 2023 um ihre Bestellung in den Konzernvorstand ging. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat liefen gegen die geplante Vorstandsaufstockung – neben Henne stieg auch Volkmar Dinstuhl auf – Sturm. Am Ende musste Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm mithilfe seines Doppelstimmrechts das Führungsgremium erweitern. Seither ist die Stimmung im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp vergiftet.
Dass die Arbeitnehmerseite geschlossen gegen sie stimmte, nimmt Henne nicht persönlich. „Ich habe mich sowohl davor als auch danach mit den Arbeitnehmervertretern immer gut verstanden“, gibt sie zu Protokoll. Vielleicht ist es auch deshalb in der Öffentlichkeit vergleichsweise still geworden um die Stahlsparte.