Autonomy

Mike Lynch gibt so schnell nicht auf

Dem ehemaligen Autonomy-Chef droht nach einer Niederlage gegen Hewlett-Packard vor dem Londoner High Court die Auslieferung in die USA. Doch der britische Seriengründer will Rechtsmittel einlegen.

Mike Lynch gibt so schnell nicht auf

Von Andreas Hippin, London

Der einst gefeierte britische Software-Unternehmer Mike Lynch (56) hat vor einem Londoner Gericht eine Niederlage gegen Hewlett-Packard eingefahren. Im Sommer 2011 hatte der US-IT-Konzern die von Lynch gegründete Autonomy für 11,7 Mrd. Dollar erworben. Schnell war man der Ansicht, zu viel bezahlt zu haben. Der damalige HP-Chef Léo Apotheker, der den Deal eingefädelt hatte, wurde vom Board durch die ehemalige Ebay-Chefin Meg Whitman ersetzt. Im November 2012 schrieb HP 8,8 Mrd. Dollar auf Autonomy ab und behauptete, irregeführt worden zu sein. Von den 8,8 Mrd. Dollar seien 5 Mrd. auf Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung zurückzuführen gewesen. Seitdem laufen die juristischen Auseinandersetzungen.

Lynch wirft HP vor, ihn zum „Sündenbock für ihre Fehler“ machen zu wollen. Doch gab der High Court HP in den meisten Punkten Recht. Allerdings deutete der zuständige Richter an, dass dem Unternehmen wesentlich weniger als die von ihm geforderten 5 Mrd. Dollar Schadenersatz zugesprochen werden könnten. Lynchs Anwälte signalisierten bereits, in Berufung gehen zu wollen. Er wurde von der Kanzlei Clifford Chance vertreten. Die britische Antibetrugsbehörde hatte ihre Ermittlungen in der Sache bereits 2015 abgeschlossen. Für einige Aspekte der Anschuldigungen gebe es realistisch betrachtet keine ausreichenden Beweise, um eine Verurteilung zu erreichen, hieß es damals. Was die anderen Aspekte angeht, gab das Serious Fraud Office die Zuständigkeit an die US-Behörden ab.

USA fordern Auslieferung

Die Vereinigten Staaten dringen auf die Auslieferung Lynchs, der an dem Deal 500 Mill. Pfund verdient haben soll. Die britische Innenministerin Priti Patel hat von einem Gericht bis Mitternacht Zeit bekommen, darüber zu befinden. Autonomy-Finanzchef Sushovan Hussain wurde in den USA zu fünf Jahren Haft verurteilt. Lynch kann auch gegen Patels Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Aus seiner Sicht sollten die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vor einem britischen Gericht verhandelt werden. Der sich bereits seit fast einem Jahrzehnt hinziehende Streit dürfte also noch lange nicht beendet sein. Bei dem Urteil vom Freitag handelt es sich um das Ergebnis einer Zivilklage.

Lynch stammt aus einfachen Verhältnissen. Sei Vater war Feuerwehrmann, seine Mutter Krankenschwester. Mit elf Jahren erhielt er ein Stipendium für die noble Bancroft’s School in Woodford. Danach ging er nach Cambridge, um Naturwissenschaften zu studieren. Sein Interesse an Elektrotechnik brachte ihn mit seinem Mentor Peter Rayner vom Zentrum für Signalverarbeitung der Eliteuniversität zusammen. Seine Doktorarbeit befasste sich mit adaptiven Technologien der Signalverarbeitung. Seine erste Firma gründete Lynch Ende der 1980er Jahre. Lynett Systems entwickelte Synthesizer für die Musikindustrie. Zu seinen Erfindungen gehört der Lynex, ein Sampler für den Atari ST. Cambridge Neurodynamics wurde 1991 von ihm an den Start gebracht. Die Firma befasste sich mit computergestützter Fingerabdruckerkennung. Zu ihren Abnehmern gehörte die South Yorkshire Police. Autonomy folgte 1996 als Ausgliederung. Unter seiner Führung erwarb das Unternehmen unter anderem Interwoven. Die Software von Autonomy konnte große Textmengen durchforsten. Ihre Methode auf Grundlage der Formel von Bayes gehört beim Datamining inzwischen zu den Standardverfahren. Im Jahr 2000 brachte Lynch das Unternehmen an die Börse. Noch im gleichen Jahr wurde es in den FTSE 100 aufgenommen.

Lynch wäre seit den „Natwest 3“ der prominenteste Geschäftsmann, der unter dem von Tony Blair abgeschlossenen Auslieferungsabkommen in die USA überstellt wird. Im Rahmen des Enron-Skandals wurden 2006 die Banker David Bermingham, Giles Darby und Gary Mulgrew an die Vereinigten Staaten ausgeliefert. Der „Daily Mail“ zufolge hat er den Staranwalt Alex Bailin von Matrix Chambers, der den Pentagon-Hacker Lauri Love vor der Auslieferung bewahrte, mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt.

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