New Yorks Notenbankchef ist als Feuerwehrmann gefragt
Amerikas Leitzins-Lenker (5): John Williams
New Yorks Notenbankchef muss zwischen Fed und Wall Street vermitteln
Von Alex Wehnert, New York
Auf dem Grundgestein Manhattans, 24 Meter unter der Liberty Street im Süden des geschäftigsten der „Five Boroughs“, ist der größte Goldschatz der Welt begraben. Die 7.000 dort gelagerten Tonnen des Edelmetalls, die ausländischen Zentralbanken, dem Internationalen Währungsfonds und der Regierung der Vereinigten Staaten gehören, stehen unter der Verwaltung der Federal Reserve von New York – und damit ihres Präsidenten und CEO John C. Williams.

Die Rolle als Schatzhüter verstärkt den Einfluss des in Sacramento geborenen Sohns eines Staatsanwalts. Dabei bringt er als ständiges Mitglied des Offenmarktauschusses ohnehin bedeutendes Gewicht in geldpolitischen Fragen mit. Mehr noch ist Williams als Vorsitzender des wichtigsten regionalen Notenbank-Ablegers das Bindeglied zur Wall Street. Zur Liste seiner Vorgänger gehört der spätere Fed-Chef Paul Volcker, der die Inflationsschocks der 1970er Jahre durch radikale Zinserhöhungen bekämpfte. Williams dürfte sich nach Ansicht vieler Analysten aber eher an zwei anderen Antezessoren orientieren: William McDonough und Timothy Geithner, die im Abstand von zehn Jahren zueinander bei Großbränden im Finanzsystem Feuerwehr spielen mussten.
McDonough griff ein, als die Asienkrise 1997 und die Russlandkrise 1998 den mit hohem Leverage ausgestatteten Hedgefonds Long-Term Capital Management zu Fall brachte und dieser so gut wie jede große Wall-Street-Bank mitzureißen drohte. Er handelte die kontroverse Rettung des Vehikels durch eine Brancheninitiative aus und verhinderte so wohl eine Panik.
Williams drohen ähnliche Konflikte wie den Vorgängern
Sein Nachfolger Geithner war gefragt, als das globale Finanzsystem 2008 an den Rand des Zusammenbruchs geriet: Er organisierte den Ausverkauf von Bear Stearns an J.P. Morgan und nahm bei den Verhandlungen der US-Regierung rund um den Kollaps von Lehman Brothers eine zentrale Rolle ein. Dies ebnete seinen Weg ins US-Finanzministerium, als dessen Chef er unter Präsident Barack Obama staatliche Bailouts im Finanzsektor verantwortete.

Die Einflussnahme der New Yorker Fed-Chefs, die letztlich zulasten von Investoren bzw. Steuerzahlern ging, ist bis heute umstritten – ihr Erbe Williams droht nun in ähnliche Konflikte zu geraten. Denn die Strafzoll-Politik von US-Präsident Donald Trump erhöht das Risiko neuerlicher Inflationssprünge bei zeitgleicher Rezession nach Ansicht von Volkswirten um die Ökonomen von J.P. Morgan deutlich. An den Märkten hat der Schock bereits heftige Verwerfungen ausgelöst, nach dem Nasdaq 100 rutschte auch der S&P 500 zum Start der neuen Handelswoche vorübergehend in den Bärenmarkt ab.
Hohe Volatilität bei niedriger Liquidität
Die Volatilität springt ausgerechnet in einer Phase, in der die Liquidität innerhalb des Systems infolge der noch immer hohen Leitzinsen und des Bilanzabbaus der Notenbank knapp ist. Dies setzt Private-Equity-Gesellschaften und Risiko-Vehikel, an die Banken im Streben um höhere Renditen großvolumige Kredite verteilt haben, aktuell schwer unter Druck. Hedgefonds müssen derzeit so hohen Margin Calls, also Nachschusspflichten für Kreditbesicherungen, nachkommen wie seit dem Corona-Crash 2020 nicht.
Williams, der am Berkeley-Campus der University of California und der Elite-Uni Stanford sowie in London studierte, ist dabei als Vermittler gefragt. In den vergangenen Monaten sprach sich der Ökonom zwar für fortgesetzte Zinssenkungen aus – allerdings unter der Annahme, dass die Inflation sich graduell in Richtung der Zielmarke von 2% bewegt. Diese steht nun schwer in Zweifel, zugleich erhöhen die Kursstürze an der Wall Street den Handlungsdruck auf die Fed.
Besondere Rolle im Notenbank-Kosmos
Williams, der seine Karriere 1994 als Volkswirt bei der Notenbank begann und zwischen 2011 und 2018 bereits dem Ableger in San Francisco vorstand, kennt Krisensituationen zwar. Als Chef der Fed von New York, die für die Offenmarktgeschäfte der Notenbank zuständig ist, kommt dem mit einer Professorin für Krankenpflege verheirateten Vater zweier Kinder nun aber größere Verantwortung zu denn je. Während der Fed-Vorsitzende Jerome Powell zuletzt an seiner abwartenden Haltung festhielt, darf Williams in den Augen der Wall Street nicht als geldpolitischer Zauderer dastehen. Um sich seine besondere Rolle klarzumachen, muss er nur in den Goldkeller unter der Liberty Street hinabsteigen.
Zuletzt erschienen: Nach einer glänzenden Karriere bleibt der Skandal haften (2.4.2025) Offenmarkt-Strategin drängt auf effizientere Fed-Bilanz (26.3.2025)
Die bisher erschienenen Teile der Serie „Amerikas Leitzins-Lenker“ finden Sie hier.
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