Nur wenige Frauen brechen Männerdominanz bei US-Banken auf
US-Banken setzen auf wenige weibliche Spitzenkräfte
Von Alex Wehnert, New York
Gunjan Kedia kommt im amerikanischen Bankensektor eine besondere Rolle zu. Denn die bisherige Präsidentin des fünftgrößten Finanzinstituts der Vereinigten Staaten, US Bancorp, rückt Mitte April an die Vorstandsspitze auf – als erste Frau in der bis ins Jahr 1891 zurückreichenden Geschichte des Geldhauses. Die Managerin, die ihre Karriere in der Beratung begann und nach Stationen im Asset Servicing von Bank of New York Mellon und im Investmentgeschäft von State Street 2016 zur führenden amerikanischen Regionalbank stieß, verantwortete dort zuletzt das Geschäft mit institutionellen und Unternehmenskunden sowie hochvermögenden Privatanlegern. Erst 2024 stieg sie zur Präsidentin auf, nun löst sie CEO Andy Cecere zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt für den Sektor ab.
Regionalsektor unter Druck
Denn Amerikas Regionalbanken stehen seit Anfang 2023 unter enormem Druck. Zunächst sorgte die restriktive Geldpolitik ab dem Frühjahr 2022 für massive Wertverluste in den Kreditportfolios, deren Durationsrisiken viele Institute laut Kritikern wie Terrence Duffy, Chef des weltgrößten Terminbörsenbetreibers CME Group, nicht ausreichend gehedged hatten. In der Folge zogen besorgte Kunden in Rekordtempo Einlagen ab, es kam mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank binnen kurzer Zeit zu drei der vier größten Zusammenbrüche von Geldhäusern in der amerikanischen Geschichte. US Bancorp verpassten die Ratingagenturen Moody's, Fitch und S&P im Zuge der Krise jeweils ein Downgrade.
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Heute stehen die regionalen Institute in einem verschärften Depositenwettbewerb mit den größten Banken des Landes – besitzen im Vergleich zu diesen aber weit weniger diversifizierte Geschäftsmodelle. Während die führenden Banken um J.P. Morgan mit stabilen Erträgen aus der Vermögensverwaltung punkten und zuletzt stark von einem Aufschwung im Kapitalmarktgeschäft profitierten, sind die restlichen Häuser stark vom Einlagen- und Kreditgeschäft abhängig.
Neue Wachstumshoffnungen
Die designierte Chefin Kedia will das Wachstum bei US Bancorp nun indes auch durch einen verstärkten Fokus auf das Zahlungsgeschäft ankurbeln und das Geldhaus über den Einsatz von künstlicher Intelligenz und anderen Technologien effizienter aufstellen. Nachdem die Bank ihre Aktionäre zuletzt eher frustrierte – in den vergangenen fünf Jahren verlor die Aktie rund 13% an Wert, während der KBW Nasdaq Bank Index um nahezu 30% zulegte –, stellt die künftige CEO auch Übernahmen als Treiber des Shareholder Value in Aussicht. Dabei wird sie auf dem schmalen Grat zwischen strikteren Regeln der Einlagensicherung FDIC für Bankmerger und einem allgemein freundlicheren Umfeld für Deals innerhalb der USA unter der neuen Regierung in Washington wandeln müssen.
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Kedia ist noch immer eine der wenigen Frauen, die bei Amerikas Banken derartige Verantwortung erhalten. Zwar sprachen sich die größten Geldhäuser der Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren öffentlich für mehr Diversität und Gleichberechtigung aus und sagten Milliardeninvestitionen für entsprechende Unternehmensinitiativen zu. Doch Citigroup-Chefin Jane Fraser ist noch immer die einzige weibliche Kraft an der Spitze eines der führenden Wall-Street-Institute. Ihr Amtsantritt im Jahr 2021 weckte Hoffnungen auf eine stärkere Präsenz von Frauen in Führungspositionen, seither ist ihre Zahl aber eher geschrumpft. Bis zur Ernennung Kedias bei US Bancorp war Citigroup gar das einzige der 50 größten Finanzinstitute der USA, das von einer Chefin gesteuert wurde. Insgesamt haben weniger als 5% der börsennotierten Bankholdings Frauen als CEOs, obwohl die Belegschaften insgesamt zu mehr als 50% weiblich sind.
Männer festigen Dominanz
Fraser, die Citigroup 2023 eine ambitionierte Neuorganisation verordnet hat und bis ins kommende Jahr insgesamt 20.000 Stellen streichen will, steht trotz aller Gleichberechtigungsbekenntnisse der Finanzbranche laut Wall-Street-Insidern unter besonders starker Beobachtung. Die Aussichten darauf, dass ihr in der Spitzengruppe nach Kedia so schnell weitere weibliche CEOs nachfolgen, haben sich zuletzt nicht eben aufgehellt.
Bei Morgan Stanley wurde nicht einmal eine Frau als potenzielle Nachfolgerin gehandelt, als sich der langjährige Vorstandschef James Gorman Ende 2023 aus dem operativen Geschäft zurückzog, ihm folgte der Investmentbanker Ted Pick nach. Die traditionell härteste Konkurrentin Goldman Sachs hat ihr Spitzenduo aus CEO David Solomon und Präsident John Waldron zuletzt durch hohe Boni über fünf weitere Jahre gebunden und kämpft mit einem Exodus weiblicher Führungskräfte, die an der New Yorker West Street keine Perspektive mehr für sich sehen.
Rotation beim Branchenprimus
Branchenprimus J.P. Morgan verfügte mit Marianne Lake, die das Consumer und Community Banking leitet, und Jennifer Piepszak, die im vergangenen Jahr Co-Chefin der Commercial- und Investmentbanking-Sparte wurde, lange über zwei aussichtsreiche Kandidatinnen für die Nachfolge von CEO Jamie Dimon. Doch der Vorstandschef rüttelt seine Führungsetage gerne durch: Das größte US-Geldhaus verkündete zuletzt, dass Piepszak anstelle von Daniel Pinto auf die Position des Chief Operating Officer rückt. Nach dem Spitzenjob trachtet sie nun angeblich nicht mehr.