Polens Regierung zerbricht an Streit
dpa
Am Dienstagabend berichtete der Nachrichtensender TVN24 gerade live über die landesweiten Proteste gegen ein neues Rundfunkgesetz, als das Bild plötzlich zur Pressekonferenz des Regierungssprechers wechselte. Dieser verkündete, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki habe seinen Stellvertreter Jaroslaw Gowin gefeuert. Wenig später konterte Gowin, dies sei das Ende der Zusammenarbeit seiner Porozumienie (Verständigung) mit der PiS. Damit war die Regierungskrise perfekt.
Nun deutet sich eine PiS-geführte Minderheitsregierung an. Die PiS will noch am Mittwochabend im Parlament über das umstrittene Rundfunkgesetz abstimmen lassen. Die Frage ist, ob sie eine Mehrheit zusammenbekommt.
Mit ihrem Dauerstreit mit der EU und Stimmungsmache gegen sexuelle Minderheiten tritt die PiS-Regierung nach außen gerne so auf, als könne sie vor Kraft kaum laufen. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, ebenfalls Vizeministerpräsident, gilt als starker Mann in Polens Politik. Doch was von außen so wirken mag wie ein monolithischer Block, ist bei genauer Betrachtung ein komplexes politisches Konstrukt. Die PiS bildete bislang mit zwei Kleinparteien ein Listenbündnis, das unter dem Namen „Vereinte Rechte“ firmierte, aber als PiS eine gemeinsame Fraktion stellte. Die von Gowin geführte Porozumienie war dort mit 12 von 232 Abgeordneten vertreten. Die Kleinpartei von Justizminister Zbigniew Ziobro, Solidarisches Polen, mit 19 Abgeordneten. Ziobro profilierte sich als euroskeptischer Hardliner, Gowin strebte einen moderaten Kurs an und Kaczynski lavierte irgendwo dazwischen.
In den vergangenen Wochen nahmen die Spannungen im Regierungslager zu. Gowin sparte nicht mit Kritik an einem Prestigeprojekt der PiS: dem milliardenschweren Konjunkturprogramm „Polnische Ordnung“, das unter anderem eine Modernisierung der Infrastruktur und des Gesundheitssystems vorsieht und Anreize für Familien schaffen soll.
Die PiS will dafür die Mittelschicht und Unternehmer mit heftigen Steuererhöhungen zur Kasse bitten – Gowin legt sich quer. Er selbst und seine Abgeordneten hätten nicht mit dem nötigen Tempo an den Reformen gearbeitet, hieß nun die offizielle Begründung für seinen Rausschmiss.
Gowin stellte sich aber auch gegen eine umstrittene geplante Änderung des Rundfunkgesetzes. Künftig sollen Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese „ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben“.
Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie.