Schweizer Handelsdiplomatin unter Schock
Donald Trumps Zollhammer trifft die Schweiz mit voller Härte. Der US-Präsident hat auf Importe aus der Schweiz einen Zolltarif von nicht weniger als 32% verordnet. Der Satz liegt mehr als ein Drittel über jenem der EU und praktisch gleichauf mit China. Das versteht weder in der politischen Kapitale Bern noch in den Wirtschaftszentren Zürich, Genf und Basel irgendjemand.
Zwar haben die USA 2024 deutlich mehr aus der Schweiz importiert als dorthin exportiert. Das Handelsbilanzdefizit beläuft sich auf beachtliche 39 Mrd. sfr, was die Schweiz als perfekte Zielscheibe für Donald Trumps Plan einer Repatriierung der Industrie erscheinen lässt. Doch so eindeutig wie die simple Differenzrechnung von Exporten und Importen suggeriert, ist die Sache nicht. So entfallen von den 64 Mrd. sfr, welche die USA 2024 für Importe aus der Schweiz bezahlen mussten, nahezu zwei Fünftel auf Medikamente, die (vorläufig) vom Zollhammer nicht erfasst werden. Ein zweiter großer Block sind Goldexporte.
Goldbarren verfälschen Statistik
In der Schweiz befinden sich vier Goldraffinerien, die im reinen Auftragsverhältnis jährlich etwa ein Drittel des weltweit geschürften Goldes einschmelzen und als Goldbarren wieder ausführen – vor allem in die USA. Das gelbe Metall bläht die Handelsstatistik auf, ohne dass eine nennenswerte Wertschöpfung dahinterstehen würde. Die Trump-Administration hat offenbar erkannt, dass dieser Handel für die USA keinen Nachteil darstellt und die Goldimporte deshalb ebenfalls von Zöllen befreit. Trotzdem fließen Medikamente und Gold vollumfänglich in die Rechnung ein, auf deren Grundlage die USA den Zolltarif für die Schweiz berechnet haben. Die Rechnung teilt das Handelsbilanzdefizit von 38,3 Mrd. sfr durch den Gesamtexport der Schweiz in Richtung USA (64 Mrd. sfr). Daraus ergibt sich ein Schweizer Überschuss von rund 61%. Etwas mehr als die Hälfte davon ergibt den „reziproken“ Zolltarif für die Schweiz.
Trumps „rudimentäre Formel“
„Wir sind fast ein Betriebsunfall“, ergänzte Helene Budliger Artieda, Leiterin des Staatssekretariats für Wirtschaft, nun auf einer Pressekonferenz ihren Chef, den Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der den Journalisten die Tücken von Trumps „rudimentärer Formel“ erklärte. In der Tat hatte die Schweizer Regierung vor drei Jahren die einseitige Abschaffung von Zöllen auf alle Güter mit Ausnahme von landwirtschaftlichen Erzeugnissen beschlossen und die Maßnahme Anfang 2024 in Kraft gesetzt. Zwar schützen die Schweizer ihre oft kleinräumigen und in topografisch anspruchsvollen Gebieten angesiedelten Landwirtschaftsbetriebe mit manchen Methoden, die dem Prinzip des Freihandels zweifellos zuwiderlaufen. Doch die Mengen und die betroffenen Produktgruppen sind derart begrenzt, dass sie für Trump eigentlich bedeutungslos sein müssten.
Die Chefin der Schweizer Handelsdiplomatie sagte auf der Pressekonferenz denn auch mit entwaffnender Offenheit auf die Frage, wie Trump vielleicht noch umzustimmen wäre: „Wir haben nicht mehr viel anzubieten.“ 99,5% aller US-Importe profitierten bereits vom Nulltarif, und die Argumente für eine offene Handelspolitik mit der Schweiz, welche Helene Budliger Artieda noch vor drei Wochen persönlich dem amerikanischen Handelsministerium überbracht hatte, blieben wirkungslos. „Wir machen schon lange genau das, was sich Präsident Trump wünscht“, sagte die Schweizer Spitzenbeamtin nach der Rückkehr von ihrer letzten Reise nach Washington noch voller Zuversicht.
„Sehr viel Nebel“
Der Schock in der vergangenen Woche hätte kaum größer sein können. Nun rätselt Helene Budliger Artieda, wie die Schweiz mit dem Zollhammer umgehen soll. Minister Parmelin konstatierte am Tag danach, es gelte viel Unsicherheit und „sehr viel Nebel“ zu durchdringen. Das IWF-Frühjahrstreffen Ende des laufenden Monats in Washington bietet die nächste Gelegenheit dafür.
Der Wirtschaftsminister wird mit seiner Kollegin, Finanzministerin Karin Keller-Sutter, eine Reise in die amerikanische Kapitale antreten – wie immer begleitet vom Schweizer Notenbankchef Martin Schlegel und natürlich von Helene Budliger Artieda. Das Quartett hofft darauf, tiefer in Trumps inneren Zirkel vorgelassen zu werden, um die Position der Schweiz den Entscheidern näherzubringen. Helene Budliger Artieda hatte sich schon im März mit Vertretern des US-Handelsministeriums in tieferen Chargen getroffen und eine „sehr freundliche Atmosphäre“ wahrgenommen.