Schwere Zeiten für den Chef von Audi
Schwere Zeiten für den Chef von Audi
Von Stefan Kroneck, München
Als Gernot Döllner Anfang September 2023 zum Vorstandsvorsitzenden von Audi aufstieg, galt er als neuer Hoffnungsträger für die Volkswagen-Premiumtochter mit Sitz in Ingolstadt. Seinerzeit folgte der promovierte Maschinenbauingenieur auf Markus Duesmann, der an der Spitze des Unternehmens an Dynamik nachgelassen hatte. Vom Konzern-Eigengewächs Döllner versprachen sich die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch sowie Porsche-CEO Oliver Blume, der ein Jahr zuvor zum Chef der Wolfsburger Muttergesellschaft aufgestiegen war, frischen Wind bei der Elektrifizierung des Modellangebots.
Dass die Aufgabe für den aus Niedersachsen stammenden Manager kein Honigschlecken wird, war schon damals klar, schließlich musste bereits sein Amtsvorgänger mit Bremsspuren infolge der Corona-Krise bei der Transformation von Audi kämpfen. Spätestens seit der Folge schwacher Quartalszahlen im vergangenen Jahr stellt sich heraus, dass Döllner mitten in einer Kärrnerarbeit steckt, die länger dauern wird, als er ursprünglich wohl selbst erwartetet hatte. Das einstige Vorzeigeunternehmen des VW-Mehrmarkenreichs, welches aufgrund der Dieselabgasmanipulationsaffäre bereits einen erheblichen Imageschaden erlitten hatte, büßte im hart umkämpften Autogeschäft weiter Marktanteile ein. Audi steckt in einer Absatz-, Umsatz- und Profitabilitätskrise. Der firmeneigene Slogan „Vorsprung durch Technik“ verliert an Glaubwürdigkeit. Das verdeutlichten die jüngst von Audi veröffentlichten Auslieferungszahlen des vergangenen Jahres. Die Marke büßt in allen drei Kernregionen – sprich China, Westeuropa inklusive Deutschland und Nordamerika – teils empfindlich ein. Am Ende steht ein Minus von weltweit 12% auf 1,67 Millionen Pkw. Besonders schmerzhaft für die Marke mit den vier Ringen ist der Rückgang im Reich der Mitte um 11%, dem größten Einzelmarkt des weiß-blauen Unternehmens. Audi hat offensichtlich noch keine überzeugenden Antworten auf die vor allem stärker werdende Konkurrenz aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Lange „Übergangsphase“
In dieser schwierigen Lage übt sich Döllner in Geduld. Zur Vorlage der Jahresabsatzzahlen sprach er über 2024 von einem „Teil einer Übergangsphase hin zum neuen Produktportfolio“ von Audi. Das impliziert, dass auch 2025 nach Lesart des Managements ein Übergangsjahr sein wird. Der CEO will den Marketing- und Werbeslogan „neu definieren“. Das soll zu einer „Verjüngung“ des Modellangebots, welches Audi nach 2024 auch im laufenden Jahr fortsetzt, wesentlich beitragen. „2025 setzen wir unsere Modellinitiative fort.“ Döllner setzt neben rein batteriebetriebenen Fahrzeugen auch auf Hybridvarianten, also Pkw mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren in Kombination mit Elektroantrieben. 2024 verzeichnete Audi einen Rückschlag. Die Zahl vollelektrischer Modelle schrumpfte um 8% auf 164.000. Das entsprach gerade mal 9,8% der gesamten verkauften Fahrzeuge der Marke Audi. Zum Vergleich: Beim Dauerrivalen BMW lag die Quote in der Kernmarke bei knapp 17%, bei der Marke Mini bei gut 23%.
Dieser hohe Rückstand in Bezug auf die Elektrifizierung gegenüber dem Münchner Dax-Konzern legt die Schwächen von Audi offen, dürfte aber für Döllner ein Ansporn sein, es künftig besser machen zu wollen. Für ihn ist das laufende Jahr daher richtungsweisend. Schafft er die Wende zum Besseren, kann er auf das Lob von den Eigentümerfamilien und von Blume, der selbst mit der Kernmarke VW in einer tiefen Krise steckt, hoffen. Wenn es ihm aber nicht gelingt, böte er Angriffsfläche vor allem für Kritik von innen, also aus dem Konzern selbst.
Viel Gegenwind
Die Gemengelage ist für Döllner allerdings gegenwärtig ungünstig, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Er bekommt derzeit viel Gegenwind. Die Wirtschaftsmacht China schwächelt, der Heimatmarkt Deutschland befindet sich in einer Rezession, neue Förderimpulse aus Berlin für E-Autos sind Mangelware, die Lieferketten bleiben angespannt.
Abgeklärt
Diese vielen Herausforderungen verleiten Döllner aber nicht zu einem (falschen) Aktionismus. Der Audi-Chef wirkt abgeklärt. Das liegt vermutlich auch daran, dass der 55-Jährige schon sehr lange für den VW-Konzern arbeitet. Seine gesamte bisherige berufliche Laufbahn verbrachte er im VW-Reich. Seit 32 Jahren ist er für das Unternehmen mit seinen vielen Nebenarmen tätig. Vor seinem Wechsel an die Spitze von Audi leitete Döllner die Konzernstrategie von VW. Davor führte er die Bereiche Produkt und Konzept der Sportwagentochter Porsche AG.