Viele neue Gesichter auf der Ministerliste der Union
Viele neue Gesichter auf der Ministerliste der Union
Von Andreas Heitker, Berlin und Annette Becker, Köln
Die Union will sechs Männer und vier Frauen ins Ministeramt hieven. Mit dabei sind auch zahlreiche noch eher unbekannte Politiker. Zur größten Überraschung wurde die Besetzung des neuen Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) entschied sich für Karsten Wildberger, dem Chef des Ceconomy-Konzerns, zu dem unter anderem Media Markt und Saturn gehören.
Der 55-Jährige selbst verwies darauf, dass Digitalisierung und Technologie die prägenden Themen seiner beruflichen Laufbahn gewesen seien. Das neue Ministerium werde „eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung unseres Landes spielen“, zeigte sich Wildberger überzeugt, den bisher niemand auf dem Schirm hatte, und der als politisch unbeleckt gilt.
Von Eon über Ceconomy ins Ministeramt
Der promovierte Physiker, der auch einen MBA-Abschluss von der renommierten Business School Insead in Frankreich vorzuweisen hat, blickt auf eine ansehnliche Managerkarriere zurück. Gestartet als Berater bei Boston Consulting wechselte er 2003 in die Telekommunikationsbranche. Nach Stationen bei T-Mobile, Vodafone und der australischen Telstra kam der ausgewiesene Digitalisierungs- und Transformationsexperte 2016 nach Deutschland zurück. Dort zog er als Chief Operating Officer in den Vorstand von Eon ein. Im Rennen um die Teyssen-Nachfolge unterlag er jedoch seinem Kollegen Leonhard Birnbaum. Wie es der Zufall wollte, suchte just zu dieser Zeit der Fachhändler für Unterhaltungselektronik Ceconomy händeringend nach einem neuen Chef. Wildberger ließ sich auf das Abenteuer ein, den angeschlagenen Spin-off der Metro zu transformieren und in die Erfolgsspur zurückzuführen.
Reiche wird Wirtschaftsministerin
Die Digitalverbände hielten sich mit einer Bewertung der Personalie Wildberger zurück, verwiesen aber auf die grundsätzliche Bedeutung, die sein Ministerium für die Modernisierung des Landes haben wird. Vor Wildberger lägen große Aufgaben, erklärte der Digitalverband Bitkom. „Das neue Ressort braucht daher jetzt eine zügige und verbindliche Klärung der konkreten Zuständigkeiten, Befugnisse und Ressourcen, auch im nachgeordneten Bereich.“ Ähnlich äußerte sich der Verband der Internetwirtschaft.
Neue Wirtschaftsministerin wird Katherina Reiche, die bereits von 1998 bis 2015 für die CDU im Bundestag saß. Die Brandenburgerin war in dieser Zeit auch Staatssekretärin im Bundesumwelt- und im Verkehrsministerium gewesen. 2015 wechselte Reiche in die Wirtschaft und wurde Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), wo sie bis 2019 blieb und dann in die Energiewirtschaft wechselte. Heute führt sie die Eon-Tochter Westenergie und sitzt zudem schon seit fünf Jahren dem Nationalen Wasserstoffrat vor.
Schnieder wird Verkehrsminister
Viel politische Erfahrung bringt der neue Verkehrsminister mit, der bislang aber auch nicht im Fokus der Öffentlichkeit stand: Der 56 Jahre alte CDU-Politiker Patrick Schnieder hat bereits seit 2009 ein Bundestags-Mandat. Seit 2018 ist der Jurist Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2021 war Schnieder Mitglied im Verkehrsausschuss im Bundestag. Vor allem von dieser Zeit dürfte er auch jetzt als Minister profitieren.
Überraschend erhält die Juristin Nina Warken die Zuständigkeit für das Gesundheitsressort. Die 45-Jährige gilt eigentlich als Innenexpertin. Sie sitzt seit 2013 im Bundestag und ist seit 2021 Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2023 ist Warken Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg.
Wie erwartet, wird Thorsten Frei (CDU) der neue Chef des Bundeskanzleramtes und sein Parteifreund Johann Wadephul neuer Außenminister. Die CDU-Riege komplettiert Karin Prien − ebenfalls aus Schleswig-Holstein −, die Ministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird. Die 59-Jährige ist seit 2017 in ihrem Bundesland Bildungsministerin.
Bär übernimmt die Forschung
Die CSU besetzt ihre drei Ressorts mit Dorothee Bär, Alexander Dobrindt und Alois Rainer. Der noch unbekannte 60 Jahre Bundestagsabgeordneter aus Niederbayern und gelernter Metzgermeister wird Landwirtschaftsminister. Bär (47), seit 2021 stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende und zuvor eine Legislaturperiode lang Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung, übernimmt den Bereich Forschung und Raumfahrt. Dobrindt (54), der bisherige CSU-Landesgruppenchef und frühere Verkehrsminister, ist der wohl erfahrenste Politiker im Kabinett. Er wird wie erwartet neuer Bundesinnenminister.
Die SPD will ihre Kabinettsbesetzung erst am nächsten Montag bekannt geben − also einen Tag vor der Wahl des neuen Bundeskanzlers. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag wollen die Sozialdemokraten am Mittwoch veröffentlichen.
Ein Journalist und Verleger wird Kulturstaatsminister
Wie die CDU mitteilte, wird der Medienunternehmer und Journalist Wolfram Weimer neuer Staatsminister für Kultur und Medien. Der 60-Jährige ist seit 2012 Verleger der Weimer Media Group. Seine Funktionen hier will er nun aufgeben. Weimer war zuvor unter anderem Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Focus“, des „Cicero“ und Doppelchefredakteur von „Die Welt“ und „Berliner Morgenpost“ gewesen und hatte als Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Madrid gearbeitet.
Als Staatsministerin für Sport und Ehrenamt hat Merz Christiane Schenderlein auserkoren, als Staatsminister für die Bund-Länder-Zusammenarbeit Michael Meister. Der 63-Jährige, der bereits seit 1994 im Bundestag sitzt, war von 2013 bis 2018 Staatssekretär im Finanzministerium gewesen.