Wall Street schmeißt das Personalkarussell an
Wall Street setzt das Personalkarussell in Bewegung
Von Alex Wehnert, New York
Amerikas führende Geldhäuser rütteln zum Jahresstart ihre Chefetagen durch. Nachdem J.P. Morgan zuletzt bereits Wechsel auf mehreren Schlüsselpositionen bekannt gegeben hat, rückt auch Goldman Sachs die nächste Generation der Top-Banker in den Blickpunkt. So hat das New Yorker Geldhaus drei neue Co-Chefs ihrer Investmentbanking-Abteilung ernannt: Der bisher für das Geschäft in Europa, dem Nahen Osten und Afrika zuständige Anthony Gutman, der für die Beziehungen zur Industrie verantwortliche Matt McClure und die Technologie-, Medien- und Telekommunikationsexpertin Kim Posnett sollen dort an die Spitze rücken. Auch die Fixed-Income-, Währungs- und Rohstoff-Abteilung sowie die Aktiendivision erhalten je drei neue Köpfe.
Monatelange Planung
Die neun frisch gebackenen Spitzenkräfte nehmen zusammen mit sechs weiteren Kollegen im Management-Komitee Platz. Das ist die oberste operative Führungsebene der Bank um den elitären Kreis der Executive Officers. Vorstandschef David Solomon und Präsident und Chief Operating Officer John Waldron überlegen laut Insidern seit Monaten, wie sie den Top-Nachwuchs am besten stärken und motivieren können. Dabei sollen aber diejenigen Manager nicht vor den Kopf gestoßen werden, die bei Beförderungen außen vor bleiben.
Denn Beobachter kreiden Solomon bereits den Exodus von Spitzenkräften in seiner Amtszeit an. Nach einer lang anhaltenden Flaute im Kapitalmarktgeschäft standen die Vergütungen bei Goldman zwischenzeitlich unter Druck. Das machte einige der renommiertesten Manager empfänglicher für Angebote der Konkurrenz. Lang ist die Liste gerade weiblicher Partner, die das Geldhaus in den vergangenen Jahren aufgrund mangelnder Perspektiven verlassen haben.
Goldman befindet sich dabei in der Zwickmühle. Einerseits sollen Führungskräften Aufstiegsperspektiven aufgezeigt werden. Andererseits sollen die absoluten Spitzenpositionen für Kontinuität stehen. Diskussionen um eine mögliche Wachablösung auf den CEO- und Präsidenten-Posten hat die Bank zuletzt jedenfalls abgewürgt. So hat Goldman Solomon Waldron mit hohen Boni zum Bleiben bewegt. Die Manager erhalten jeweils Bezugsrechte für Aktienpakete im Gegenwert von 80 Mill. Dollar, die sie über die kommenden fünf Jahre ausüben können. Zudem erhöhte Goldman Solomons Vergütung für 2024 um 26% auf 39 Mill. Dollar.
Kapitalmarkt-Boom in Aussicht
Mit den Beförderungen im Investmentbanking und Trading will Solomon das Wall-Street-Haus nun für einen Aufschwung des Kapitalmarktgeschäfts unter der neuen US-Regierung aufstellen. Der gerade ins Amt zurückgekehrte Präsident Donald Trump hat umfangreiche Deregulierungen in Aussicht gestellt. Dealmaker erhoffen sich in der Folge eine anziehende M&A-Aktivität.
Der erwarteten verstärkten Nachfrage nach Finanzierungen trägt Goldman mit einer Neuorganisation Rechnung: Die Bank legt drei Abteilungen innerhalb ihrer Division Global Banking & Markets zur Capital Solutions Group zusammen. Damit will sie von einer stärkeren Verschränkung zwischen öffentlichen und privaten Kapitalmärkten profitieren.
Branchenprimus J.P. Morgan setzt im Commercial- und Investmentbanking ebenfalls auf Rotation. Jennifer Piepszak, die mit ihrem Kollegen Troy Rohrbaugh Anfang des vergangenen Jahres die Führung der Sparte übernahm, ist nun auf den Posten des Chief Operating Officer gerückt. Dort löst sie den bisherigen Präsidenten Daniel Pinto ab. Er galt bisher als rechte Hand von Vorstandschef Jamie Dimon und soll nun bis Ende 2026 in den Ruhestand gehen. Bereits 2024 hatten mehrere Pinto-Verbündete das führende US-Geldhaus verlassen. Piepszak galt neben ihrer Kollegin Marianne Lake, die das Consumer- und Community Banking von J.P. Morgan leitet, bisher als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge von Konzernlenker Dimon. Nun strebt sie laut Bankmitteilung allerdings nicht den Spitzenjob an.
Dimon sitzt fest im Sattel
Dimon, der seit dem Merger zwischen J.P. Morgan und Bank One 2004 für das Finanzinstitut aktiv ist und es seit 2005 leitet, hat die Führungsebene in seiner Amtszeit schon häufiger auf links gedreht. Durch die Versetzung von Spitzenkräften auf verschiedene Positionen will er diesen einen möglichst umfassenden Überblick über das komplexe Finanzkonglomerat verschaffen. Dabei orientiert er sich wohl am Vorgehen seines ehemaligen Förderers Sandy Weill. Der hatte Dimon in den 1990er Jahren mit der Leitung verschiedener Unternehmen betraut, während die beiden durch eine Serie von Fusionen und Übernahmen die heutige Citigroup schufen. Der J.P.-Morgan-CEO sitzt heute wohl fester im Sattel denn je. Laut Analysten dürfte es nicht das letzte Mal in seiner Amtszeit sein, dass er das Personalkarussell in Bewegung setzt.