ESG-Risiken

Aus Empfehlung wird Pflicht

Das Konsultationspapier zur 7. MaRisk-Novelle sieht verpflichtend vor, ESG-Risikofaktoren im Risikomanagement zu berücksichtigen. Wie können Banken dies garantieren?

Aus Empfehlung wird Pflicht

Von Beatrice Rehm und

Simone Yuson *)

Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit machen eines überdeutlich: Nachhaltigkeitsrisiken sind real. Das zeigen Ereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal, die die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstört, aber eben auch unzählige Sicherheitenobjekte von finanzierenden Banken buchstäblich weggespült hat. Auch Reputationsrisiken bei der Finanzierung von Verursachern vergifteter Flüsse oder Öllöcher im Ozean gehören zum Risikoportfolio von Banken.

Daher sieht das Konsultationspapier zur 7. MaRisk-Novelle verpflichtend vor, ESG-Risikofaktoren im Risikomanagement zu berücksichtigen. Für manche Vertreter der Branche kam die Verpflichtung zwar früher als erwartet – mit dem Inhalt hatten aber schon viele gerechnet. Bereits 2019 äußerte sich die BaFin das erste Mal in ihrem „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ dazu, was sie von Finanzinstituten bei der Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Risikomanagement erwartet.

Der BaFin folgten unter anderem EZB, EBA und der Baseler Ausschuss mit eigenen Papieren zum Thema Nachhaltigkeitsrisiken und dem Umgang damit. Alle haben die Forderung gemeinsam, dass ESG-Risiken in den gesamten Risikomanagement-Prozess zu integrieren und in der Organisation von der Arbeitsanweisung bis hin zum Vorstand fest zu verankern sind. Zudem müssen die Auswirkungen der ESG-Risiken für einen angemessen langen Zeitraum abgebildet werden, das heißt nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristig.

Bereits auf der Tagung der BaFin zum Thema „Sustainable Finance“ im September dieses Jahres wurde betont, dass ESG-Faktoren als neue Risikotreiber im Rahmen der bereits bestehenden Anforderungen an Risikoinventur und Risikomanagement zu berücksichtigen sind. Das macht klar, dass die Aufsicht ESG-Risikotreiber als weitere Faktoren in bereits heute bindenden Prozessen zur Risikoinventur einstuft – und dementsprechend die Umsetzung hierzu kurzfristig erfolgen muss.

Allerdings unterscheiden sich ESG-Risikotreiber grundlegend von bisher betrachteten Risiken. Im Gegensatz zu klassischen Risiken, die auf Basis von historischen Daten für die Zukunft bewertet werden können, drehen sich ESG-Risiken um in der Zukunft liegende Ereignisse, zu denen wenige bis keine Daten aus der Historie vorliegen.

Datenlücke schließt sich

Aber wie können diese Risiken gemessen werden? Die Quantifizierung der Risiken stellt Banken vor große Herausforderungen. Jedoch können jene Verpflichtungen Abhilfe bringen, deren aufwändige Umsetzung Fachabteilungen der Banken aktuell stöhnen lassen: Schon jetzt werden ESG-Daten infolge regulatorischer Anforderungen wie der EU-Ta­xonomie, der CRR II Offenlegung und zukünftig auch der CSRD, erhoben. Daten zu Faktoren wie CO2-Aus­stoß, Energieeffizienz von Immobilien oder physischen Standortrisiken werden künftig Teil des Datenhaushaltes einer Bank, so dass die Datenlücke in der Zukunft mehr und mehr geschlossen wird.

Offen bleibt die Frage, wie diese Daten in Modellen genutzt werden können, um ESG-Risiken zu quanti­fizieren und zukunftsgerichtete Grundlagen für Risikomanagement-Prozesse zu schaffen. Obwohl der Großteil der Marktteilnehmer beispielsweise Abschläge für Marktpreise für Objekte erwartet, die unter energetischen Gesichtspunkten mangelhaft sind, fehlen explizite Kriterien zur Ermittlung der Höhe der Risikovorsorge.

Die Konsultation zur neuen MaRisk-Novelle zeigt allerdings: Die abwartende Haltung, in der einige Banken derzeit in Bezug auf die Be­rücksichtigung von ESG-Risiken verharren, ist nicht mehr lange zu rechtfertigen. Um der aktuellen Regulatorik gerecht zu werden, müssen Banken ESG-Risikotreiber modellbasiert in ihre Risikoprozesse der Banken integrieren.

Darüber hinaus sind die Banken jedoch gut beraten, das Thema auch bei der Betrachtung ihrer Portfolios zu berücksichtigen. Denn mit ESG-Faktoren verbundene Kredite – wie große (Alt-)Immobilienportfolien oder Spezialfinanzierung – haben in der Regel lange Laufzeiten und können daher nicht von heute auf morgen umgeschichtet werden.

In einem ersten Schritt sollte daher das bestehende Portfolio mittels einer Wesentlichkeitsanalyse daraufhin überprüft werden, welche Bestandteile von ESG-Risikofaktoren betroffen sind. Wichtig hierbei ist, einen ausreichend langen Zeitraum zu betrachten und dabei potenziell vorliegende Risikofaktoren explizit und angemessen in den Blick zu nehmen.

Nicht nur die Tatsache, dass die Aufsicht das Thema immer stärker in den Fokus nimmt, zeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Auch die teils als vernichtend eingestuften Ergebnisse aus Pilotklimastresstest sowie Umfragen der BaFin machen deutlich: Es gibt aus Sicht der Regulatoren Nachholbedarf vor allem bei der strukturierten Umsetzung der Maßnahmen.

Verständlich ist daher auch die Forderung der Aufsicht, die bereits lange adressierten Anforderungen an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ernst zu nehmen und zeitnah zu berücksichtigen. Nicht nur um aufsichtsrechtliche Vorgaben zu erfüllen, sondern auch im Sinne einer nachhaltigen (Risiko-)Portfoliosteuerung.

*) Beatrice Rehm ist Partnerin, Simone Yuson Director bei EY im Bereich Financial Services.

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