Ein eigener Rechtsrahmen für nachhaltige Verbriefungen
Von Martin Freytag*)
Bedarf es eines eigenen Rechtsrahmens oder können die bereits bestehenden Nachhaltigkeitskriterien für Verbriefungen herangezogen werden? Mit dieser Frage befasst sich die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) in ihrem Bericht zur Entwicklung eines Rechtsrahmens für nachhaltige Verbriefungen.
Um einen Wandel des Finanzwesens hin zu mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, entsteht seit einigen Jahren schrittweise ein europäischer Rechtsrahmen für eine nachhaltige Finanzbranche. Anders als etwa für Fonds existieren für Verbriefungen aufgrund ihrer komplexen Struktur noch keine gesetzlichen Nachhaltigkeitskriterien, obwohl diese prädestiniert sind, ein wesentlicher Baustein einer nachhaltigen Finanzierungskultur zu werden.
Im Rahmen einer typischen True-Sale-Verbriefung veräußert ein Originator seine Forderungen an eine Zweckgesellschaft, die diesem hierfür einen Kaufpreis bezahlt und sich durch die Begebung einer forderungsgedeckten Inhaberschuldverschreibung refinanziert. Eine nachhaltigkeitsfördernde Finanzierung kann sich daher sowohl aus der künftigen Verwendung des Veräußerungserlöses durch den Originator für nachhaltige Zwecke (Use of Proceeds Approach) als auch aus der Finanzierung des Ankaufs grüner Forderungen selbst (Collateral-Based Approach) ergeben. Auch synthetische Verbriefungen können zur Nachhaltigkeit beitragen, indem z. B. Kreditinstitute ohne Eigenkapitalerhöhung Darlehen für nachhaltige Zwecke vergeben können.
Taxonomie greift nicht
Gegenwärtig unterfallen Verbriefungen nicht den Vorgaben der EU-Offenlegungsverordnung bzw. der EU-Taxonomieverordnung. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Verbriefungen können derzeit nur die Green Bond Principles der ICMA (International Capital Market Association) herangezogen werden, denen jedoch keine Gesetzesqualität zukommt. Somit existiert bis dato noch kein Rechtsrahmen für nachhaltige Verbriefungen.
Um der steigenden Nachfrage und den Vorzügen nachhaltiger Verbriefungen Rechnung zu tragen, hat die EBA auf Grundlage eines Mandats in der EU-Verbriefungsverordnung kürzlich einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Möglichkeiten zur Entwicklung eines solchen Rechtsrahmens umfassend erörtert.
Anwendung der Verordnung
Zur effizienten Förderung grüner Verbriefungen rät die EBA in einem ersten Schritt zur Anwendung der noch in Konsultation befindlichen Verordnung zu europäischen grünen Anleihen auch auf Verbriefungen. Diese wäre dahingehend anzupassen, dass zur Beurteilung der nachhaltigen Erlösverwendung bei Verbriefungen nicht auf die Zweckgesellschaft als Emittentin der Anleihe, sondern auf den Originator als Erlösempfänger abgestellt wird. Zu deren Nachprüfbarkeit wären zudem Offenlegungspflichten des Originators zu regeln. Um die bestehende Regulierungslücke im Bereich nachhaltiger True-Sale-Verbriefungen kurzfristig zu schließen, ist der Ansatz der pragmatischen EBA als Übergangslösung durchaus zu begrüßen.
Darüber hinaus hält die EBA neben der Verordnung zu europäischen grünen Anleihen auch einen eigenen Rechtsrahmen für nachhaltige True-Sale-Verbriefungen für sinnvoll, sobald diese sich etabliert haben und mehr grüne Forderungen zur Verfügung stehen. Die zeitnahe Konsultation eines solchen Rechtsrahmens wäre wünschenswert, um das Potenzial nachhaltiger Verbriefungen voll auszuschöpfen und deren strukturellen Besonderheiten hinreichend Rechnung zu tragen. Dies gilt gleichermaßen für synthetische Verbriefungen, um die Kreditvergabekapazitäten für nachhaltige Investitionen zu steigern.
Der Bericht der EBA zeigt bereits auf, wie ein Rechtsrahmen für True-Sale-Verbriefungen aussehen könnte. Es werden u. a. drei alternative Ansätze beleuchtet, die von der Verbriefung eines Mindestanteils grüner Forderungen (Light Green) über die nachhaltige Erlösverwendung und Verbriefung eines Mindestanteils grüner Forderungen (Medium Green) bis hin zu einer zu 100% nachhaltigen Erlösverwendung und Verbriefung eines Mindestanteils grüner Forderungen (Dark Green) reichen.
Grundsätzlich erscheint die Kombination aus grünen Forderungen und nachhaltiger Erlösverwendung zielführend, um die Nachhaltigkeit von Verbriefungen zu messen. Jedoch sollte kein zu hoher Maßstab an den Grad der Nachhaltigkeit angelegt werden. Ein Ansatz mit 100% nachhaltiger Erlösverwendung stünde ungeachtet eines Mindestanteils an grünen Forderungen wohl auf lange Sicht nicht im Einklang mit den typischen Merkmalen einer Verbriefung als assetbasiertes Finanzierungsinstrument.
Flexibilität notwendig
Die Bestrebungen der EBA zur Förderung eines nachhaltigen Verbriefungsmarkts und auch die konkreten Vorschläge der EBA sind durchaus zu begrüßen. Nichtsdestotrotz bleibt abzuwarten, inwieweit der europäische Gesetzgeber diese auch aufgreifen wird. Hierbei sollte im Blick behalten werden, dass ein künftiger Rechtsrahmen für nachhaltige Verbriefungen dennoch hinreichend Flexibilität gewährt, um auch diese entsprechend ihren typischen Merkmalen ausgestalten und deren Vorteile voll ausschöpfen zu können.
*) Dr. Martin Freytag ist Rechtsanwalt von GSK Stockmann in München.