Nachhaltigkeit

Geschäftsleiter haften für Einhaltung der ESG-Vorschriften

Geschäftsleitungen sollten dem Thema Nachhaltigkeit große Aufmerksamkeit widmen und ihre Entscheidungen sorgfältig dokumentieren. Denn die Beweislast tragen sie selbst.

Geschäftsleiter haften für Einhaltung der ESG-Vorschriften

Von Nikolaus Vincent Manthey*)

Der Verstoß gegen Nachhaltigkeitspflichten birgt Haftungsrisiken für die Unternehmensführung. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft haben wegen der Schadenersatzpflicht nach dem Aktiengesetz ein persönliches Interesse daran, dass ihr Unternehmen alle Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt. Die Beweislast tragen sie selbst.

Das Thema ESG – Environment, Social, Governance – ist für Unternehmen im Finanzsektor von zentraler Bedeutung. Geschäftsleitungen sollen diesem Thema größte Aufmerksamkeit widmen, so die Erwartungshaltung der BaFin.

Bei einer Aktiengesellschaft muss sich also der Vorstand des Themas annehmen. Der Handlungsrahmen des Vorstands ergibt sich auch in diesem Bereich aus §93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Danach müssen die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden. Hieraus leiten sich insbesondere zwei Pflichten ab: Zum einen unterliegen die Vorstandsmitglieder der Legalitätspflicht, also der Pflicht zur Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen. Zum anderen trifft sie die Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensführung im Einklang mit dem im Gesetz genannten Maßstab. Für Geschäftsführer einer GmbH gilt über §43 Abs. 1 GmbHG im Grundsatz der gleiche Haftungsmaßstab.

Im Bereich ESG bedeutet die Legalitätspflicht die Verpflichtung zur Einhaltung sämtlicher Nachhaltigkeitsgesetze. Ein Fokus der Diskussion liegt derzeit auf dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Das Gesetz betrifft nicht nur Industrieunternehmen mit entsprechenden Lieferketten, sondern zum Beispiel auch Banken, die IT-Dienstleistungen auslagern. Die Banken müssen dafür Sorge tragen, dass ihre IT-Dienstleister, die vielleicht ihrerseits Leistungen aus dem Ausland erbringen lassen, im Einklang mit dem LkSG handeln. Banken werden dies durch entsprechende Klauseln in ihren Auslagerungsverträgen sicherzustellen haben.

Spezielle gesetzliche Verpflichtungen für den Finanzsektor in Form von Offenlegungspflichten ergeben sich aus der Offenlegungs-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/2088). Finanzmarktteilnehmer im Sinne der Definition in Art. 2 der Verordnung, also zum Beispiel Versicherungsunternehmen oder Banken in der Vermögensverwaltung, sind insbesondere verpflichtet, ihre Strategien für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken sowie Informationen dazu zu veröffentlichen, ob und wie sie nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Auch mit Blick auf die angebotenen Finanzprodukte bestehen Informationspflichten, die besonders streng sind, wenn konkret mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit geworben wird. Falsche Informationen können zu Anlegerklagen führen.

Keine einheitliche Definition

Problematisch dabei ist, dass es bisher keine einheitliche Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ gibt. Kommt es zu einer Verurteilung des Unternehmens, steht eine Haftung des Vorstands im Raum, wenn er eine Verantwortung für die Falschinformation trägt. Diese Verantwortung kann auch darin liegen, dass der Vorstand es unterlassen hat, ordnungsgemäße Vorgaben zur Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflichten zu machen und einen entsprechenden organisatorischen Rahmen zu schaffen.

Auch außerhalb konkreter rechtlicher Verpflichtungen muss der Vorstand Nachhaltigkeitsgesichtspunkte in seine Entscheidungsfindung einbeziehen. Für den Bereich unternehmerischer Entscheidungen enthält die Business Judgement Rule des §93 Abs. 1 S. 2 AktG insofern eine Haftungsprivilegierung, als eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn der Vorstand bei seiner unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei die Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage. Zu den Informationen, auf die der Vorstand seine Entscheidung stützt, werden (zukünftig) stets Überlegungen zur Nachhaltigkeit gehören müssen.

Für den Vorstand einer Bank kann dies bedeuten, dass er beispielsweise die Gewährung eines Kredits ablehnt, wenn der Kreditnehmer nicht nachhaltig wirtschaftet. Trifft der Vorstand die Entscheidung nicht selbst, muss er durch Schaffung geeigneter Maßstäbe sicherstellen, dass das zur Entscheidung berufene Gremium Nachhaltigkeitsaspekte in angemessener Weise berücksichtigt. Es erscheint durchaus denkbar, dass von Banken insofern eine Einschätzung zu der Frage gefordert wird, ob die zu finanzierende Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomieverordnung (Verordnung (EU) 2020/852) einzustufen ist.

Verletzen Vorstandsmitglieder ihre Pflichten aus §93 Abs. 1 AktG, machen sie sich gegenüber ihrem Unternehmen gemäß §93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig. Die Beweislast dafür, dass sie sorgfältig gehandelt haben, trifft im Streitfall die Vorstandsmitglieder. Sie sind deshalb gut beraten, ihre Entscheidungen stets umfassend und sorgfältig zu dokumentieren.

*) Dr. Nikolaus Vincent Manthey ist Partner der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.