Größerer Werkzeugkasten für Sanierungen
Von Rainer Riggert*)
Sanierungsversuche stellen Schuldner und Gläubiger vor besondere Herausforderungen. Das zu Jahresbeginn in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) schafft neue Instrumente, mit denen Gläubiger in der Krise ihrer Schuldner konfrontiert werden können.
Ziel des StaRUG ist die Sicherung der Unternehmensfortführung mittels eines mit den Gläubigern ausgearbeiteten Restrukturierungsplanes. Dafür dürfen weder akute Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung bei dem Unternehmen eingetreten sein. Droht eine Zahlungsunfähigkeit innerhalb von 24 Monaten, finden die Sanierungsoptionen des StaRUG Anwendung.
Zuerst muss das betroffene Unternehmen sein Restrukturierungsvorhaben bei seinem zuständigen Amtsgericht anmelden. Die Sanierung erfolgt dann in Eigenregie. Kern des Verfahrens ist der Restrukturierungsplan. Dieser fasst zusammen, was zum Erreichen der Sanierung erforderlich ist. Für die gerichtliche Bestätigung des Plans müssen – vereinfacht formuliert – mindestens 75% der betroffenen Gläubiger zustimmen. Zudem muss eine Vergleichsrechnung erstellt werden, wonach die Gläubiger bei der Sanierung besser abschneiden als ohne den Restrukturierungsplan.
Gilt nach gerichtlicher Bestätigung des Plans, sind alle planbetroffenen Gläubiger daran gebunden. Ihnen wird mit dem Restrukturierungsplan ein Vorschlag für die Regulierung der Verbindlichkeiten gemacht. Mitarbeitergehälter sowie Pensionsverbindlichkeiten sind davon ausgenommen – diese Restrukturierungsinstrumente bleiben Insolvenzverfahren vorbehalten.
Der Restrukturierungsplan kann unmittelbare Auswirkungen auf Schuldner und der Gläubiger haben. Eingriffe in die Verbindlichkeiten und dazugehörige Sicherheiten des Schuldners sind möglich. Gläubigerforderungen können etwa gekürzt, gestundet oder mit einem Nachrang versehen werden. In den Restrukturierungsplan können aber auch Regelungen zur Zusage von neuen Finanzierungen und deren Besicherung aufgenommen werden.
Wenn Anteilseigner in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, kann auch in deren Anteilsrechte eingegriffen werden. Denkbar ist, dass Gläubiger ihre Forderungen gegen Anteilsrechte eintauschen.
Privilegierung
Für den Zeitraum der Vorbereitung und Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens ist für die Finanzierungen in bestimmten Situationen ein Sanierungsgutachten erforderlich. Allerdings werden durch das StaRUG neue Finanzierungen haftungsrechtlich – und bezüglich etwaiger Anfechtungsmöglichkeiten in einer möglicherweise später eintretenden Insolvenz des Schuldners – privilegiert. Dies verschafft dem restrukturierenden Unternehmen zusätzliche Liquidität und den Kreditgebern Rechtssicherheit.
Privilegiert werden insbesondere Neufinanzierungen externer Dritter und deren Besicherung im Zusammenhang mit der Restrukturierung, die ebenfalls Gegenstand eines Restrukturierungsplans sein können. Diese Privilegierung findet bis zum Eintritt der nachhaltigen Sanierung statt, umfasst aber nur Transaktionen, die im Rahmen eines bestätigten Restrukturierungsplans umgesetzt wurden.
Das Restrukturierungsgericht kann auf Antrag der Schuldner anordnen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung eingestellt oder untersagt werden, um das Restrukturierungsziel zu sichern. Auch kann es veranlassen, dass Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens – welche im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten – von den Gläubigern nicht durchgesetzt werden dürfen. Letzteres betrifft insbesondere die Verwertung von Kreditsicherheiten.
Die Stabilisierungsanordnung kann sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten. Insgesamt erscheint jedoch die letzte „globale Stabilisierung“ als Variante wenig wahrscheinlich. Warum sollte ein Eingriff gegen wirtschaftlich nicht bedeutsame Gläubiger erforderlich sein? Auch steigt durch die Vielzahl der von der Stabilisierung betroffenen Gläubiger die Öffentlichkeit des Restrukturierungsvorhabens, was wiederum das Vertrauen der Gläubiger in die wirtschaftliche Situation des Schuldners negativ beeinflussen kann.
Insgesamt ist die Stabilisierungsanordnung an strenge Voraussetzungen gebunden:
Die vom Schuldner vorgelegte Restrukturierungsplanung muss vollständig und schlüssig sein.
Der Restrukturierungsplan muss auf zutreffenden Tatsachen beruhen.
Die Restrukturierung darf nicht aussichtslos sein.
Die Stabilisierungsanordnung muss erforderlich für das Restrukturierungsziel sein.
Der Restrukturierungsplan ist für die Anordnung der Stabilisierungsmaßnahme entscheidend.
Die Stabilisierungsanordnung ist für eine Dauer von bis zu drei Monaten vorgesehen, kann unter engen Voraussetzungen jedoch bis zu acht Monate betragen. Während der Anordnungsdauer können Gläubiger keinen Insolvenzantrag gegen den Schuldner stellen. Außerdem können Gläubiger nicht allein aufgrund der durch die Stabilisierungsanordnung rückständigen Leistung, die ihnen im Anordnungszeitraum obliegenden Leistungen verweigern oder den Vertrag beenden. Gläubiger haben allerdings das Recht, die Erbringung des Teils der ihnen obliegenden Gegenleistung zu verweigern, sofern der von ihnen „verweigerte Teil“ auf die ausstehende Leistung des Schuldners zurückzuführen ist. Aufgrund der einschneidenden Folgen der Stabilisierungsanordnung für Gläubiger müssen diese durch Zustellung über die gegen sie erlassenen Maßnahmen informiert werden.
Kein Zwang zum Neukredit
Insgesamt „schützt“ die Stabilisierung die Restrukturierungsmaßnahmen, ebenfalls sind durch die Stabilisierung Verfahren über Gläubigeranträge zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgesetzt. So wird vermieden, dass die Restrukturierung „hinterrücks“ durchkreuzt wird. Zu beachten ist, dass sich durch das StaRUG auch die Haftung der Geschäftsleiter erweitert. Wenn die Stabilisierungsanordnung durch den Schuldner mittels unkorrekter Angaben erwirkt wird und der Schuldner dies auch verschuldet, haftet der Geschäftsleiter persönlich.
Für Kreditinstitute ist es zunächst beruhigend, dass diese nicht zu einem Neukredit gezwungen werden können, da nur bereits begründete Forderungen Gegenstand eines Restrukturierungsplans sein können. Auch die Gestaltung von mehrseitigen Rechtsverhältnissen ermächtigt den Schuldner nicht, Neukredit zu erzwingen.
Gegen Kreditversicherer wirkt der Restrukturierungsplan nicht, da die entsprechenden Versicherungsverhältnisse nur zu den Lieferanten des Unternehmens begründet sind. Bei bestehenden Ansprüchen von Kreditinstituten und Lieferanten wiegen am schwersten Eingriffe in Sicherungsrechte, die gerade dazu dienen, einen Ausfall in der Krise des Kreditnehmers zu verhindern. Bei Lieferanten geht es dabei insbesondere um Eigentumsvorbehaltsrechte. Allgemein gilt, dass eine koordinierte Abstimmung der Gläubiger untereinander vermeiden kann, dass das Unternehmen die Annahme des Restrukturierungsplanes erzwingt. Aus der Sicht von ablehnenden Gläubigern ist eine Mehrheit für den Restrukturierungsplan deshalb unbedingt zu verhindern. Bei Stabilisierungsmaßnahmen gegen die Realisierung von Sicherheiten besteht die Möglichkeit, bei Gericht die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung zu beantragen. Als Beendigungsgründe können Zahlungsrückstände, mangelnde Ausrichtung der Geschäftsführung an Gläubigerinteressen oder die Verletzung von Informationspflichten gegenüber Gericht oder Restrukturierungsbeauftragten angeführt werden.
Das StaRUG bietet dem sanierungswilligen Schuldner mit dem Restrukturierungsplan sowie Stabilisierungsmaßnahmen schlagkräftige Instrumente für eine finanzwirtschaftliche Sanierung. Es ist zu erwarten, dass die Unternehmen die Instrumente eher gegen wenige ausgewählte Gläubiger einsetzen werden. Weitere Verfahren werden zeigen, welche Varianten bei der Auswahl der Maßnahmen wirklich restrukturierungsfördernd sind.
*) Dr. Rainer Riggert ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun.