Daniel Weiss

Kurswechsel der USA in der Sanktionierung von Firmen

Die stellvertretende US-Justizministerin Lisa Monaco hat die Richtlinien ihres Ministeriums zur strafrechtlichen Verfolgung von Unternehmen in den USA präzisiert – das ist auch für deutsche Unternehmen relevant.

Kurswechsel der USA in der Sanktionierung von Firmen

Sabine Wadewitz

Herr Dr. Weiß, die stellvertretende US-Justizministerin Lisa Monaco hat jüngst in einer Grundsatzrede eine Neuausrichtung verkündet, die eine Verschärfung der als vergleichsweise mild empfundenen Strafverfolgung während der Amtszeit Trump erkennen lässt. Welche Schwerpunkte will die US-Regierung­ künftig setzen?

Im Zentrum stehen drei Punkte, die mit einer Kombination aus repressiven und Anreizelementen auf eine verbesserte Compliance-Kultur in der Wirtschaft abzielen. Erstens genießt die Verfolgung der verantwortlichen Individuen oberste Priorität. Die im Rahmen einer Kooperation mit den Behörden angestrebte Sanktionsmilderung für ein Unternehmen wird nur dann gewährt, wenn es sämtliche Informationen in Bezug auf individuelles Fehlverhalten offenlegt. Eine Vereinbarung mit Unternehmen über den Abschluss eines Verfahrens wird künftig nur noch gleichzeitig oder nach dem Verfahrensabschluss bezüglich der verantwortlichen Individuen möglich sein. Dies könnte es Unternehmen künftig erheblich erschweren, zügig einen Schlussstrich unter eine Compliance-Krise zu ziehen.

Was zeichnet sich darüber hinaus noch ab?

Das zweite Element der Neuausrichtung der US-Strafverfolgungspraxis betrifft die Behandlung von Wiederholungstätern. Künftig soll ein differenzierter Maßstab angelegt werden, um in stärkerem Maße als bislang kooperativen Unternehmen eine Strafmilderung zuzubilligen. Insbesondere soll längere Zeit zurückliegendes Fehlverhalten weniger stark gewichtet werden.

Spielen freiwillige Selbstanzeigen eine Rolle?

Diese sind Gegenstand des dritten Elements, das einen Grundsatz aus dem Bereich des Antikorruptionsgesetzes FCPA auf sämtliche Arten der Wirtschaftskriminalität erweitert: Wer sich zu einer freiwilligen Selbstanzeige und umfänglicher Kooperation entschließt, kann das Verfahren im Regelfall ohne Schuldeingeständnis (Guilty Plea) oder gar Anklage abschließen und außerdem weitere negative Konsequenzen wie die Anordnung eines Monitors oder einer Sperre für öffentliche Aufträge vermeiden. Hierdurch soll ein Anreiz für die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden gesetzt und ein klar kalkulierbarer Weg aus einer Compliance-Krise heraus aufgezeigt werden. Unternehmen sollen letztlich die Wahl haben, Fehlverhalten zu offenbaren, mit der begründeten Erwartung milder Konsequenzen, oder andernfalls das Risiko massiver Sanktionen in Kauf zu nehmen.

Was bedeutet dies für die M&A-Praxis?

Aufgrund des kompetitiven Umfelds ist es in M&A-Transaktionen oftmals nicht möglich, im Rahmen der Due Diligence mögliche Missstände beim Target zuverlässig zu identifizieren. Dies kann prohibitive Haftungsrisiken beim Erwerber begründen. Die neuen Grundsätze des Department of Justice tragen diesem Umstand Rechnung und stellen Straffreiheit in Aussicht, wenn das erwerbende Unternehmen die Missstände beim Target unverzüglich nach dessen Erwerb und vollständig behebt. Die künftige Anwendungspraxis des Department of Justice wird zeigen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die erfolgreiche Inanspruchnahme dieser Regelung eine zügige Post-Closing Compliance Due Diligence beim Target voraussetzt.

Sehen Sie Handlungsbedarf für EU-Unternehmen?

In ihrer Rede betonte Vizejustizministerin Monaco die Bedeutung einer gut ausgestatteten Compliance-Organisation, die in eine gelebte Compliance-Kultur im Unternehmen eingebettet sein muss, um effektiv zu sein. Hieraus leitet sie die Anforderung ab, Compliance-Grundsätze als Anreize und Sanktionen in das Vergütungssystem zu integrieren. Bei der Bewertung der Güte eines Compliance-Systems wird das Department of Justice künftig nicht nur betrachten, ob ein entsprechender Handlungsrahmen vorhanden ist, sondern ob dieser im Falle von Fehlverhalten auch effektiv angewendet wird, beispielsweise durch die Rückforderung von Vergütungsbestandteilen. EU-Unternehmen sollten ihre Vergütungs- und Compliance-Systeme überprüfen, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein.

Dr. Daniel M. Weiß ist Partner von Hengeler Mueller in Frankfurt.

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