ESG

Nach­haltigkeit spielt auch in der Restruk­turierung eine Rolle

Nachhaltige Unternehmen haben Vorteile bei der Beschaffung zusätzlicher Geldmittel, der Suche nach einem liquiden Investor und einem Verkauf des Geschäftsbetriebs.

Nach­haltigkeit spielt auch in der Restruk­turierung eine Rolle

Von Bernd Geier und Oliver Otto*)

Seit März vergangenen Jahres treten die Vorschriften des EU-Green-Deals sukzessive in Kraft. Emittenten werden verpflichtet, über die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeiten zu berichten. Finanzintermediäre informieren ihre Kunden über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten. Anreize für institutionelle Investoren werden geschaffen, nachhaltig zu investieren – im Eigenkapital- und im Fremdkapitalbereich. So nimmt der Gesetzgeber Einfluss auf Wertschöpfungsketten und lenkt Kapitalströme um.

Wie Regelwerk funktioniert

Im Zentrum stehen die Taxonomie und die Disclosure-Verordnung, auch SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) genannt. Die Taxonomie regelt, in welchem Umfang eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft wird und wie über diese Nachhaltigkeit zu berichten ist. Die SFDR enthält Anforderungen an die Offenlegung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit von Finanzprodukten. Es geht darum, Investoren in die Lage zu versetzen, die Nachhaltigkeit dieser Finanzprodukte beurteilen und sie untereinander vergleichen zu können.

Was hat ESG mit Restrukturierung zu tun? Auf den ersten Blick fehlt der Bezugspunkt des Green Deals zum Restrukturierungsumfeld. In der Restrukturierung steht regelmäßig die zeitnahe Rettung eines Unternehmens im Vordergrund. Eine Anpassung der Wirtschaftstätigkeit auf Nachhaltigkeit ist demgegenüber eher ein strategisches, langfristiges Projekt.

Die Einleitung von Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit wird künftig jedoch auch in der Restrukturierung ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor. Ob eine Refinanzierung oder die Beschaffung zusätzlicher Geldmittel, die Aufnahme eines liquiden Investors oder der Verkauf des Geschäftsbetriebs an einen geeigneten Strategen möglich ist, beeinflussen heute schon Nachhaltigkeitsaspekte­. Nachhaltig bereits gut aufgestellte Unternehmen haben einen klaren Wettbewerbsvorteil: Ihre Chancen sind erheblich größer, in der Restrukturierung geeignete Partner zu finden, die eine Fortführung unterstützen. „Braune“ Unternehmen werden eine Prämie zahlen; gegebenenfalls finden sie gar keine Finanzierer oder Investoren mehr.

So werden künftig Sanierungskonzepte, aber auch Restrukturierungspläne eine Nachhaltigkeitsplanung umfassen müssen, die nachvollziehbare und realistische Nachhaltigkeitsziele und Umsetzungsmaßnahmen aufzeigen. Investitionen, die mit dem Ziel künftiger Nachhaltigkeit getätigt werden, können nämlich unmittelbar als nachhaltig gelten und damit das Unternehmen schon auf dem Weg zur Nachhaltigkeit „grün“ bzw. „sozial“ machen. So kann Investorenanforderungen bereits in der Restrukturierung Rechnung getragen werden.

Häufig stellt sich die Frage, welcher perspektivische Grad an Nachhaltigkeit hierfür geboten ist. Wann gilt ein Darlehen oder eine Aktie für Investoren als hinreichend nachhaltig? Dabei zeichnet sich zunehmend ab, dass 100-prozentige Nachhaltigkeit gar nicht notwendig ist – und in vielen Fällen auch gar nicht zielführend wäre.

Grüne Finanzierungen

Vielmehr legt die Rechtsentwicklung nahe, dass 75- bis 90-prozentige Nachhaltigkeit perspektivisch vollständig ausreicht. Unternehmen, die diesen Grad der Nachhaltigkeit erreichen, werden künftig voraussichtlich im Markt bereits umfassend als nachhaltig eingestuft und genießen damit erhebliche Refinanzierungsvorteile.

Parallel kommen zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen auch an­dere Maßnahmen in Betracht, z. B. die spezielle Ausgestaltung emittierter Produkte. So kann über die Emission eines Green Bonds oder über Green Loans unabhängig von der aktuellen Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens projektbezogen ein vollständig grünes Produkt begeben werden. Voraussetzung ist, dass das eingesammelte Geld nur für grüne Projekte genutzt wird. Solche können gerade auch Maßnahmen zur Transformation des Geschäftsmodells hin zur Nachhaltigkeit darstellen.

Aufspaltung als Option

Insgesamt steht ein bunter Strauß an ESG-relevanten Maßnahmen zur Verfügung. Möglich wäre z. B. auch die Aufspaltung des Unternehmens in nachhaltige und nicht nachhaltige Teile. Als Konsequenz könnte hierdurch der nicht nachhaltige Teil regulatorisch „dark“ ausgestaltet werden, d. h. aus dem Anwendungsbereich der Taxonomie fallen. Dann bestünde für das Unternehmen keine Verpflichtung (mehr), Kennzahlen zur ökologischen Nachhaltigkeit offenzulegen. Regulatorische Kosten würden eingespart. Üblicherweise bietet sich das vor allem an, wenn dieser Unternehmensteil kurzfristig abgestoßen oder gar abgewickelt werden soll.

Überlegungen zur Nachhaltigkeit spielen somit insgesamt in der Restrukturierung schon heute eine wesentliche Rolle, gerade auch mit dem Ziel, die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens sicherzustellen.

*) Dr. Bernd Geier, Professor für Wirtschaftsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Regulierung, und Oliver Otto sind Partner der Kanzlei Rimon Falkenfort in Frankfurt.

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