Übernahmen

Private Equity und die Bedeutung von ESG

Die Verordnungen über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten und die EU-Taxonomie erhöhen den Druck auf Private-Equity-Manager, Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Investments zu berücksichtigen.

Private Equity und die Bedeutung von ESG

Von Christian Zuleger und Thomas Komanek*)

Vor einigen Jahren waren ESG-Themen (Environmental, Social und Governance) meist ein Nebenschauplatz bei Unternehmenstransaktionen. Finanzinvestoren setzten hinsichtlich der ESG-Verträglichkeit ihrer Investments einige Häkchen auf Formblättern. Während der letzten Jahre ist die Bedeutung von ESG rapide gewachsen und entwickelt sich zu einem Megatrend im Private-Equity-Bereich.

Die wichtigsten Gründe für die Einbeziehung von ESG sind Anforderungen von Fondsinvestoren, Änderung des Käuferverhaltens zu nachhaltigen Produkten, ein besseres Verständnis über die Auswirkungen des Klimawandels und die steigende Beliebtheit bei Arbeitnehmern von Jobs in nachhaltigen Unternehmen. Zudem lenken Banken stetig mehr Fremdfinanzierung über Green Bonds oder Sustainable Loans in nachhaltig aufgestellte Gesellschaften. Neben diesen Faktoren gibt es zunehmend regulatorische Vorgaben für mehr Nachhaltigkeit.

Diese Entwicklungen führen dazu, dass immer mehr etablierte Private-Equity-Häuser spezielle Impact-Fonds auflegen oder ihre Fonds als nachhaltig oder grün bezeichnen. Daneben gründen Fondsmanager ausschließlich auf nachhaltige Investments ausgerichtete Private-Equity-Beratungsgesellschaften.

Je mehr Aufmerksamkeit Nachhaltigkeit bei Investmententscheidungen erfährt, desto wichtiger wird auch die Überprüf- und Vergleichbarkeit durch vereinheitlichte ESG-Kriterien. Private-Equity-Investoren verwenden daher seit einiger Zeit ESG-Richtlinien bei Investmententscheidungen und setzen immer häufiger ESG-Zielwerte zu Beginn des Investments fest, um die ESG-Performance ihrer Investments zu kontrollieren. Durch die zunehmende Überwachung soll auch dem Eindruck entgegengewirkt werden, dass bloßes Greenwashing betrieben wird.

Bei näherer Betrachtung fällt zuweilen auf, dass selbstgesetzte Ziele wenig Gehalt haben und der Zusammenhang von verschiedenen Faktoren wenig berücksichtigt wird. Vielfach haben Verbesserungen in einem Bereich negative Auswirkungen auf andere Umweltziele oder die Auswirkungen sind noch unklar. So kann beispielsweise die klimaneutrale Stromgewinnung durch Windkraftanlagen Vogelarten gefährden, und die Auswirkungen von Offshore-Windparks auf Fischpopulationen sind noch weitgehend unerforscht. Kritisiert wird auch, dass die Kriterien für nachhaltige Investments zwischen verschiedenen Fonds nicht vergleichbar sind.

Bis vor kurzem waren fehlende allgemein anerkannte Bewertungs- und Berichtsstandards eine entscheidende Hürde, wegen der Finanzinvestoren nicht in erheblichem Umfang in nachhaltige Unternehmen investiert haben. Dies hat sich grundlegend geändert.

Sechs Umweltziele

Im privaten Bereich erarbeiten Ratingagenturen ESG-Bewertungen anhand objektivierter Kriterien. Daneben entwickeln ESG-Beratungsfirmen eigene Produkte für ESG-Ratings und Change Management. Die Bewertungskriterien berücksichtigen umfangreiche, nicht finanzielle Indikatoren wie den CO2-Ausstoß, Diversität in der Unternehmensleitung, Beschaffung von Rohstoffen und Energiemix, um nur einige Faktoren zu nennen. Analysten sammeln mit Hilfe von Software Daten und lassen diese in eine ESG-Bewertung einfließen. Die 1,4 Mrd. Dollar schwere Übernahme von Sphera, einem ESG-Softwarehersteller, durch Blackstone und das Investment von KKR in ERM, die größte ESG-Beratungsgesellschaft, zeigen, wie wichtig ein tiefgehendes Verständnis von ESG-Faktoren für Fondsmanager geworden ist. Die anhaltende Vereinheitlichung von Bewertungsstandards und die wachsende Akzeptanz von technischen Standards setzten positive Impulse dafür, dass Private Equity vermehrt die Bühne für nachhaltige Investments betritt.

Weitere Beschleunigung erfährt der Trend durch zunehmende Regulierung. Allen voran ergreift die EU weitreichende Maßnahmen, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen, ressourcenschonenden und nachhaltigeren Wirtschaft zu erreichen. Mit ihrem Sustainable Finance Action Plan verfolgt die EU drei Kernziele, um die europäische Wirtschaft spätestens im Jahr 2050 CO2-neutral zu gestalten: die Lenkung von Kapitalströmen, die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Unternehmen und die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit in Kapitalanlagen. Kernstücke dieses Plans sind die EU-Verordnungen über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) und die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (sogenannte Taxonomie-Verordnung).

Die Taxonomie-Verordnung setzt Kriterien für die Bewertung von nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten. Dabei gibt die Verordnung einen einheitlichen Rahmen vor und schafft Faktoren für ein Klassifikationssystem zur Förderung von sechs Umweltzielen. Diese sind Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meerressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Ver­minderung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Regelmäßige Berichte

Über die SFDR gilt die Taxonomie-Verordnung auch für Verwalter alternativer Investmentfonds und somit auch für Private-Equity-Fonds. In vorvertraglichen Produktinformationen und in regelmäßigen Berichten müssen diese zukünftig über die Einhaltung der Taxonomie-Kriterien berichten. Dies betrifft Produkte, die nachhaltige Investments als Anlageziel anstreben, und solche, die als ökologische oder soziale Investments beworben werden. Zudem ist zu beschreiben, wie und in welchem Umfang die zugrundeliegenden Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten fließen, die als ökologisch und nachhaltig einzustufen sind. Werden die Kriterien für ökologische und nachhaltige Wirtschaftstätigkeit nicht berücksichtigt, so ist dies in den Informationen der Finanzprodukte offenzulegen.

Voraussetzung für eine Einstufung als nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit ist, dass sie zumindest zu einem der sechs Umweltziele wesentlich beiträgt. Gleichzeitig darf sich die Tätigkeit auf keines der übrigen Ziele nachteilig auswirken (Do-no-significant-harm-Prinzip). Und schließlich müssen soziale Mindestbedingungen eingehalten werden (Social Safe­guards). Das Klassifikationssystem der Taxonomie bestimmt daher ESG-Kriterien, wobei die überwiegende Anzahl der Kriterien den Bereich „Environmental“ betrifft.

Die grundsätzlichen Anforderungen an technische Bewertungskriterien für die sechs Umweltziele werden in der Taxonomie-Verordnung festgelegt. Die Europäische Kommission wird durch die Verordnung beauftragt, in delegierten Rechtsakten technische Bewertungskriterien festzulegen, wann Wirtschaftstätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele leisten, ohne die anderen Umweltziele erheblich zu beeinträchtigen. Der delegierte Rechtsakt für die beiden ersten Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ wurde verabschiedet und tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Die technischen Bewertungskriterien für die übrigen vier Umweltziele sollen in einem weiteren delegierten Rechtsakt festgelegt werden und treten nachgelagert zum 1. Januar 2023 in Kraft.

Dabei sind die delegierten Rechtsakte zur Taxonomie-Verordnung dynamische Dokumente, die im Laufe der Zeit fortgeschrieben werden. Durch Änderungen sollen weitere Tätigkeiten aufgenommen werden und es soll dem technischen Fortschritt Rechnung getragen werden. So soll sichergestellt werden, dass neue Sektoren und Tätigkeiten, einschließlich Übergangs- und ermöglichender Tätigkeiten, mit der Zeit hinzugefügt werden können. Weitere im Zusammenhang mit der Taxonomie-Verordnung und der SFDR stehende Verordnungen sind im Entwurf und werden sukzessive in Kraft treten.

Druck steigt

Über die SFDR im Zusammenspiel mit der Taxonomie-Verordnung steigt der Druck auf Private-Equity-Fondsmanager, die Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie-Verordnung bei ihren Investments zu berücksichtigen. Diese regulatorischen Einflüsse, Vorgaben von Investoren, bessere Konditionen von Banken oder ein höherer Verkaufserlös sind alles Anreize für Private-Equity-Beratungsgesellschaften, ESG-Kriterien bei ihren Investments zu berücksichtigen und die ESG-Performance ihrer Investments fortlaufend zu überwachen.

*) Christian Zuleger ist Partner und Thomas Komanek Senior Associate von Sidley Austin im Büro München.

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