Unterstützung für Unternehmenssanierungen
Von Christian Brünkmans*)
Das Bundeskabinett hat am 5. Oktober 2022 die Einführung eines Sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenfolgenabmilderungsgesetzes (SanInsKG-E) beschlossen, inzwischen ist es von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden und in Kraft getreten. Mit dem Gesetz soll der insolvenzrechtliche Auftrag aus dem Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen vom 3. September 2022 umgesetzt werden.
Es beinhaltet im Wesentlichen die Abmilderung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung sowie Erleichterungen beim Zugang zur Eigenverwaltung und zur Stabilisierungsanordnung nach dem StaRUG, dem Gesetz zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen.
Wie in der Coronakrise reagiert der Gesetzgeber auch auf die derzeitigen Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten mit einer Abmilderung der Insolvenzantragspflichten. Die Energie- und Rohstoffkrise belastet nicht nur die finanzielle Situation von Unternehmen, sondern erschwert auch deren vorausschauende Planung.
Nach der gegenwärtigen Rechtslage sind Geschäftsleiter von juristischen Personen (insbesondere AG und GmbH) oder Personengesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafter (z.B. GmbH & Co. KG) verpflichtet, mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spätestens innerhalb von drei Wochen und im Fall der Überschuldung spätestens innerhalb von sechs Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen.
Anders als beim Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz (Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz-COVInsAG) sieht das SanInsKG-E bei einer Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit jedoch keine Erleichterungen vor.
Dem Gesetzesentwurf ging innerhalb der Regierungskoalition eine teils öffentliche Debatte voraus, ob eine vollständige Aussetzung der Antragspflicht oder lediglich Erleichterungen für den Überschuldungsgrund angemessen sind. Dieser Streit dürfte nun zugunsten der minimalinvasiveren Lösung beigelegt worden sein. Ist das Unternehmen zahlungsunfähig, also nicht in der Lage, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, bleibt die Insolvenzantragspflicht auch künftig bestehen.
Fortführungsprognose
Erleichterung wird es aber für den Insolvenzgrund der Überschuldung geben. Nach der gegenwärtigen Rechtslage liegt eine Überschuldung dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist in den nächsten zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich. Maßgeblich für die Annahme einer solchen positiven Fortbestehensprognose ist, dass die Gesellschaft innerhalb der nächsten zwölf Monate mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zahlungsunfähig wird.
Derartige Prognosen lassen sich angesichts der derzeitigen Preisvolatilitäten und der auf absehbare Zeit weiterhin bestehenden Unsicherheiten über Art, Ausmaß und Dauer der Krise oft nur auf unsichere Annahmen stützen. Die Fortbestehensprognose bürdet den verantwortlichen Geschäftsleitern auch sonst schwierige Fragen auf.
Wann und unter welchen Voraussetzungen darf der Geschäftsleiter eine Anschlussfinanzierung für eine im Prognosezeitraum auslaufende Finanzierung unterstellen? Wann muss er bei einer streitigen Verbindlichkeit von einer Fälligkeit ausgehen? Daran setzt das SanInsKG-E an, indem einerseits der Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose verkürzt, anderseits die Antragsfrist im Fall der Überschuldung verlängert wird.
Der maßgebliche Prognosezeitraum soll bis zum 31. Dezember 2023 von derzeit zwölf auf vier Monate herabgesetzt werden. Die Regelung soll auch gelten, wenn vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits eine Überschuldung vorlag, sofern der für eine rechtzeitige Insolvenzantragsstellung maßgebliche Zeitpunkt (spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung) noch nicht verstrichen ist.
Somit können auch Unternehmen von der Neuregelung profitieren, die zwar bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits überschuldet sind, bei denen der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt aber noch nicht verstrichen ist. Unternehmen, die nicht zahlungsunfähig sind und deren Fortbestand jedenfalls für die nächsten vier Monate überwiegend wahrscheinlich ist, müssen folglich keinen Insolvenzantrag stellen.
Anders als das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz verzichtet der Gesetzesentwurf bewusst darauf, die Reduzierung des Prognosezeitraums an Voraussetzungen zu binden. Ungeachtet der konkreten Krisenursache sollen alle Wirtschaftsteilnehmer von dem Gesetz profitieren.
Insbesondere den Nachweis, dass die Unternehmenskrise auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen ist („Energiekostenkausalität“), sieht das Gesetz nicht vor. Dieser Ansatz überzeugt, denn eine Energiekostenkausalität ließe sich nur schwer bestimmen, ohne damit Unsicherheiten der Art in Kauf zu nehmen, die durch die Verkürzung des Prognosezeitraums gerade ausgeschlossen werden sollen.
Darüber hinaus wird die Insolvenzantragsfrist von gegenwärtig sechs Wochen auf acht Wochen erhöht. Damit soll mehr Zeit für Sanierungsbemühungen sowie die Vorbereitung von Anträgen für Sanierungsmechanismen nach dem StaRUG sowie Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung geschaffen werden.
Die Insolvenzordnung sieht vor, dass der Schuldner auf Antrag selbst – anstelle eines Insolvenzverwalters – unter Aufsicht eines Sachwalters, das Unternehmen durch das Insolvenzverfahren führen kann, i. d. R. mit dem Ziel einer Sanierung des Unternehmens über einen Insolvenzplan. Der Gesetzgeber hatte zum 1. Januar 2021 einerseits ein Gesetz zur Förderung vorinsolvenzlicher Sanierungen (sogenanntes Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) eingeführt, andererseits die Zugangsvoraussetzungen zur Eigenverwaltung verschärft.
Der Zugang zur Eigenverwaltung wurde insbesondere durch eine sog. Eigenverwaltungsplanung erschwert. Der Antrag auf (vorläufige) Eigenverwaltung muss seitdem vor allem einen Finanzplan für einen Zeitraum von sechs Monaten enthalten, durch welchen die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll.
An dieser Stelle erleichtert der Gesetzgeber im SanInsKG-E den Zugang zur Eigenverwaltung minimal, indem der Planungshorizont der Finanzplanung von sechs auf vier Monate herabgesetzt wird. Ob dies wirklich den Zugang zur Eigenverwaltung erleichtert, dürfte jedoch zweifelhaft sein.
Nach § 49 StaRUG kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre erlassen. Dann ist es dem Gläubiger nicht mehr möglich, auf der Grundlage eines Vollstreckungstitels in das Vermögen des Schuldners zu vollstrecken; dem Sicherungsgläubiger wird untersagt, seine Sicherheit zu verwerten. Eine solche Stabilisierungsanordnung soll verhindern, dass eine Restrukturierung über einen Restrukturierungsplan nach dem StaRUG an einer Vollstreckung in betriebsnotwendiges Vermögen scheitert. Der Antrag einer solchen Stabilisierungsanordnung setzt ebenfalls die Vorlage einer validen Finanzplanung für einen Zeitraum von sechs Monaten voraus. Wie für die Eigenverwaltungsplanung soll auch für diese Finanzplanung der Prognosezeitraum auf nunmehr vier Monate reduziert werden.
Deutliche Entschärfung
Die Verkürzung des Prognosezeitraums von zwölf auf vier Monate im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung ist für den Geschäftsleiter eine deutliche Entschärfung. Allerdings wäre eine Reduzierung auf drei Monate praktikabler, weil viele Unternehmen bereits jetzt ihre kurzfristige Liquidität über eine 13-Wochen-Planung steuern. Ob der reduzierte Prognosezeitraum für die Eigenverwaltungsplanung und Stabilisierungsanordnung tatsächlich die Sanierungschancen in der Eigenverwaltung oder im StaRUG-Verfahren erhöhen, ist jedoch fraglich.
*) Dr. Christian Brünkmans ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg.