Wie der Bund den Markt für grünen Wasserstoff anstößt
Von Pascal Wagenführ *)
Sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene wird sogenanntem grünen Wasserstoff bei der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine zentrale Rolle zugemessen. Gemeint ist Wasserstoff, der mittels Elektrolyse mit erneuerbar erzeugtem Strom, vorrangig aus Wind und Solarenergie, hergestellt wird.
Bei der Entwicklung des Angebotes stehen sich im aktuellen Marktumfeld die hohen Entwicklungs- und Realisierungskosten zur Produktion im industriellen Maßstab einerseits und die Unsicherheit über die Preisentwicklung andererseits gegenüber. Üblicherweise werden Investitionen durch langfristige Abnahmeverträge mit einem Zeitraum von mindestens zehn Jahren abgesichert und refinanziert, die mangels vorhersehbarer Preise jedoch aktuell (noch) wenig attraktiv sind.
Zur Förderung der außereuropäischen Erzeugung wurde 2021 unter der Wasserstoffstrategie das H2Global Instrument ins Leben gerufen. Mit der Hydrogen Intermediary Company bzw. HINT.CO soll die für einen zügigen Markthochlauf erforderliche Investitionssicherheit geschaffen werden.
Die HINT.CO arbeitet als Marktintermediär mit einem Doppelauktionsmodell. Sie schreibt auf Herstellerseite langfristige Ankaufsverträge für synthetische Energieträger in Form von Ammoniak, Methanol und Jetfuel aus, die außerhalb der EU mit ausschließlich grünem Wasserstoff hergestellt wurden (sog. grüne Power-to-X-Produkte). Die bezogenen Mengen veräußert sie sodann über kurzfristige Abnahmeverträge, wobei die Abnehmer in der EU ebenfalls über Bieterverfahren ermittelt werden. Die Ausschreibungen erfolgen im Einklang mit Regelungen der Europäischen Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe sowie der nationalen Vergabeverordnung.
Kürzlich führte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Marktkonsultation durch, um in Vorbereitung der ersten Ausschreibungsrunde ein Bild der kurzfristigen Transportkapazitäten und der Nachfrage zu gewinnen. In Rahmen des Konsultationsprozesses erläuterte das BMWK am 13. Juli 2022 auch weitere Einzelheiten des Förderinstruments.
Die HINT.CO wird den ermittelten Herstellern das Abnahme- und Abnahmepreisrisiko abnehmen. Die Abnahmeverträge werden entsprechend sog. Take-or-pay Klauseln enthalten. Genehmigungsrisiken, verbleiben bei den Herstellern. Transport- und Lagerrisiken, von denen ein Intermediär regelmäßig jedenfalls einen Teil trägt, werden nicht von der HINT.CO übernommen, sondern auf Hersteller- und Abnehmerseite verteilt.
Kurze Vorlaufzeit
Verluste der HINT.CO aufgrund der aktuell erwarteten Differenz zwischen An- und Verkaufspreis werden über Bundesfördermittel kompensiert. Ende 2021 wurden über das BMWK zunächst 900 Mill. Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt. Der jüngst beschlossene Entwurf des Bundeshaushalts für das Jahr 2023 sieht für das BMWK zusätzliche Mittel von 3,6 Mrd. Euro für das H2Global Instrument vor – mehr als ein Viertel des Gesamtetats des BMWK und mehr als 6 % der im Bundeshaushalt insgesamt vorgesehenen Investitionen des Bundes.
Neben den technischen Produktspezifikationen konkretisierte das BMWK ebenfalls die vorläufigen umfangreichen ESG-Kriterien, welchen die grünen Power-to-X-Produkte entsprechen müssen. Jedenfalls haben sie – nicht zuletzt aufgrund der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission – den Vorgaben der Europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie und den Leitlinien der EU-Kommission für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen zu entsprechen. Darüber hinaus werden bei der Zuschlagsentscheidung weitere Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Am Produktionsort sollen – beispielhaft für einen umfangreichen Katalog – eine lokale Wertschöpfung, die Einbindung lokaler und ziviler Akteure sowie die Einhaltung der Arbeits- und Beschäftigungsstandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sichergestellt werden. Wenn auch nicht zwingend, so kann für die Zuschlagserteilung auch berücksichtigt werden, inwieweit ein konkretes Projekt die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen unterstützt.
Der aktuelle Fahrplan ist ambitioniert. Im Rahmen der Markkonsultation hatten betroffene Unternehmen bis 10. August 2022 Zeit zur Stellungnahme. Die Ergebnisse sollen in der ersten Ausschreibungsrunde schon ab Ende August berücksichtigt werden, in der Liefermengen für 2024 ausgeschrieben werden sollen. Die Runde soll zwischen fünf und acht Monaten dauern und erste Verträge in 2023 abgeschlossen werden. Ergebnisse der zunächst durchzuführenden Präqualifikationsphase dürften im November vorliegen und ein wichtiger Indikator dafür sein, inwieweit das Projekt seinen ambitionierten Zielen gerecht werden kann.
Bereits im Rahmen der im Februar 2022 veröffentlichten H2Global-Marktkonsultation äußerten einige der befragten Unternehmen Bedenken über die sehr kurze Vorlaufzeit. So kämen für eine Förderung nur solche Projekte in Betracht, die sich bereits in der fortgeschrittenen Planung befänden, da nur diese rechtzeitig fertiggestellt werden könnten. Ein Lieferbeginn selbst bis 2025 sei überhaupt nur möglich, wenn auch die Abnahmeverträge bis spätestens Ende 2022 abgeschlossen würden.
*) Pascal Wagenführ ist Associate von Hogan Lovells.