Eigene Anlageklasse

Erneuerbare Energien im Wandel und die Folgen für Investoren

Ohne staatliche Einspeisevergütung wird der Markt volatiler und individueller. Die Folgen für Investoren sind vielfältig, aber es gibt Gegenstrategien.

Erneuerbare Energien im Wandel und die Folgen für Investoren

Ohne Frage war der Markt für Assets zur Erzeugung erneuerbarer Energie noch vor einigen Jahren ein ideales Investment für risikoavers ausgerichtete institutionelle Investoren. Dank staatlich garantierter Einspeisevergütungsregelung lieferte er stabile Cashflows über lange Zeiträume bei zugleich gut planbaren Betriebskosten. Dieses Segment passte damit geradezu ideal zum Profil eines auf stabile und regelmäßige Einnahmen im Sinne von strategischem Liability Matching angewiesenen Anlegers.

Heute eigene Anlageklasse

Doch die Grundbedingungen des Marktes haben sich verändert. Heute sind die erneuerbaren Energien eine eigene Anlageklasse mit einer ganz neuen Dynamik. Denn das Zeitalter der staatlichen Einspeisevergütung neigt sich dem Ende entgegen. Die europäische Energiewende, welche zum Beispiel in Deutschland den massiven Ausbau alternativer Energien bei gleichzeitigem Abschalten von Atom- und Gaskraftwerken vorsieht, wird von politischer Seite stark vorangetrieben. Dazu lassen aktuelle geopolitische Faktoren die Preise für fossile Brennstoffe in die Höhe schnellen und befeuern die Frage nach Versorgungsunabhängigkeit.

Kritische Fragen

Dies alles hat die Preise am Strommarkt – zuletzt deutlich – steigen lassen, ebenso deren Volatilität. Damit eröffnet der Markt Potenzial für zusätzliche Rendite und zieht neue, risikobereitere Investorengruppen an. Wer risikofreudig ist und Verluste tolerieren kann, dem bietet der Spotmarkt die Möglichkeit, über dem Durchschnitt liegende Renditen zu erzielen. Diese Entwicklung wurde initial von regulatorischer Seite gewünscht und eingefordert, drückt sie doch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien aus, wird im Hinblick auf die jüngsten Preisanstiege im Strommarkt jedoch zusehends kritisch hinterfragt. So oder so ist sie Teil des zugrundeliegenden Geschäfts.

Doch was bedeutet all das für Investoren? Können insbesondere Anleger, die durch regulatorische Anforderungen gezwungen oder motiviert sind, sich risikoavers zu verhalten, überhaupt noch an diesem Markt investieren? Zunächst einmal sind Bestandsobjekte von der aktuellen Entwicklung weniger betroffen. Ihre Stromvermarktung ist ebenso wie weite Teile der Kostenseite in der Regel vertraglich fixiert, weshalb die Entwicklung des Strompreises während der Vertragslaufzeit eine untergeordnete Rolle spielt und maximal zur kurzfristigen und moderaten Renditeoptimierung genutzt werden kann. Der längerfristige Trend der Strompreise kommt allerdings dann zum Tragen, wenn die erwartete Lebenszeit des Assets länger als diese vertraglichen Bindungen ist. Denn je höher der Strompreis, desto höher der beizulegende Wert des Projekts.

Noch sehr viel mehr aber stellt sich die Frage nach der Vermarktungsstrategie bei noch nicht in Betrieb befindlichen Projekten. So bietet der Spotmarkt angesichts der stark gestiegenen Preise aktuell zwar be­trächtliches Ertragspotenzial, doch ist eine solche Strategie mit Risiken verbunden. Die Preise am Strommarkt können auch sinken – zuletzt im Jahre 2020 sehr deutlich­ wahrnehmbar. Bricht der Markt ein, dann kann die Rendite im schlimmsten Fall in den negativen Bereich drehen. Und je höher man eingestiegen ist, desto tiefer kann man fallen.

Zum anderen gilt es zu bedenken, dass zwar die Strompreise gestiegen sind, allerdings zugleich auch die Gestehungskosten. So sind beispielsweise im Fotovoltaik-Bereich bei Modulen Preisanstiege von 20% allein im vergangenen halben Jahr zu verzeichnen, welche das zusätzliche Renditepotenzial trotz des Strompreisanstiegs relativieren.

Gerade risikoaverse Investoren könnten ihr angestrebtes Renditeziel dann unter Umständen nicht mehr realisieren. Doch es gibt Alternativen und Absicherungsmöglichkeiten. In einigen Märkten besteht für einen be­stimmten Zeitraum eine Wahlmöglichkeit zwischen der Vermarktung über den Spotmarkt und der Überführung in die Welt fester Einspeisetarife. Wurde diese Periode in der Vergangenheit möglichst kurzgehalten, so ist derzeit zu beobachten, dass diese aktiver genutzt wird, um kurzfristig vom hohen Spotpreis zu profitieren, bevor man sich in den sicheren Hafen der langfristig fixierten Einspeisevergütung begibt. Dies ist allerdings nicht in jedem Markt und nicht in unbegrenzter Länge möglich.

In anderen Märkten haben sich Power Purchase Agreements (PPAs) etabliert. Dabei wird über längere Laufzeiten ein Vertrag abgeschlossen, bei dem sich ein Unternehmen – meist ein industrieller Großverbraucher oder Stromhändler – zur Abnahme einer bestimmten Strommenge für diesen Zeitraum zu einem festgelegten Preis verpflichtet. Doch auch hier gibt es Herausforderungen. Beispielsweise wird es dabei zunehmend wichtiger, das klassische Gegenparteienrisiko zu bewerten und zu managen, da zunehmend mehr und diverse Arten von Unternehmen PPAs abschließen möchten, um die eigene Stromversorgung zu dekarbonisieren.

Zudem kann es wirtschaftlich nachteilig sein, ein Projekt aus dem Bereich der erneuerbaren Energien zu 100% über den PPA-Markt vertraglich abzusichern. Schließlich besteht gerade bei Solar und Wind eine gewisse Volatilität in der Stromerzeugung. Deshalb sollte nur der Teil der Stromerzeugung über ein PPA abgesichert werden, der verlässlich produziert werden kann, um bei Minderleistung nicht teuer Strom kurzfristig zukaufen zu müssen, um die eigene Lieferverpflichtung erfüllen zu können.

Der nicht kontrahierte Rest der Stromerzeugung kann dann über den Spotmarkt vermarktet werden – mit den beschriebenen Chancen und Risiken. Im Rahmen eines aktiven Tradings kann dieses Residual auch kurzfristig über Forward Contracting weiter reduziert werden. Für Laufzeiten von 18 oder 24 Monaten weist dieser Markt eine ausreichende Liquidität auf. Die gewählte Stromvermarktungsstrategie entscheidet damit künftig maßgeblich über das Risiko-Ertrags-Profil der Investition.

Breite Diversifikation

Um ein Erneuerbare-Energien-Portfolio zusätzlich zu stabilisieren, ist eine Streuung der Assets hilfreich. So kann zum Beispiel in verschiedene Projekte investiert werden, deren Einspeiseprofile sowie Vermarktungsstrategien sich unterscheiden und nicht korrelieren. Dazu reduziert geografische Streuung der Anlagen Abhängigkeiten von einzelnen, zu­meist national orientierten Märkten.

Der Markt der erneuerbaren Energien bewegt sich also zunehmend weg vom standardisierten Modell hin zu individuelleren Strategien, welche die Interessenlage des Eigenkapitalgebers besser reflektieren. Aus Anlegersicht bringt das mehr Flexibilität. Investoren können sich entscheiden, ob sie ihre Assets aktiv bewirtschaften und das Upside-Potenzial mit allen dazugehörenden Risiken nutzen möchten. Oder ob sie eine zu ihren Renditezielen passende Strategie wählen und diese mit konservativer Vermarktung und durch eine breite Diversifikation absichern. Trotz der Veränderung bleibt der Markt damit auch für risikoaverse Investoren weiterhin attraktiv.

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