Geldpolitik

EZB hält trotz Börsen­turbulenzen am Kurs fest

Die Europäische Zentralbank erhöht trotz der Sorgen an den Finanzmärkten vor einer Bankenkrise die Leitzinsen um 50 Basispunkte. Zum künftigen Kurs hält sich die Notenbank wegen der „erhöhten Unsicherheit“ jedoch bedeckt.

EZB hält trotz Börsen­turbulenzen am Kurs fest

Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt trotz der Turbulenzen an den Finanzmärkten rund um die insolvente Silicon Valley Bank (SVB) bei ihrem zuvor avisierten Kurs und erhöht die Leitzinsen jeweils um 50 Basispunkte. Dies beschloss der EZB-Rat auf seiner Sitzung am Donnerstag. Der Beschluss sei mit großer Mehrheit getroffen wurden, drei bis vier Ratsmitglieder hätten laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde jedoch für eine kleineren Zinsschritt plädiert. Bei der Veröffentlichung der Zinserhöhung betonte die EZB abermals, wie wichtig es sei, von Sitzung zu Sitzung datenbasiert zu entscheiden und hielt sich mit Verweis auf die derzeit bestehende Unsicherheit bezüglich des künftigen geldpolitischen Kurses erst mal bedeckt. Beobachter hatten sich von der heutigen Sitzung Signale für die weitere Linie der EZB erhofft.

Der EZB-Rat beobachte „die aktuellen Marktspannungen genau und ist bereit, so zu reagieren, wie erforderlich, um Preis- und Finanzstabilität im Euroraum zu wahren“, teilte die Notenbank mit. Man sei überzeugt, dass der Bankensektor der Eurozone widerstandsfähig sei und die Kapital- und Liquiditätspositionen solide. „In jedem Fall verfügt die EZB über alle geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euroraums erforderlichenfalls mit Liquiditätshilfen zu unterstützen und die reibungslose Transmission der Geldpolitik aufrechtzuerhalten.“ Auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid sagte Lagarde, dass die Notenbank „schwerwiegende Spannungen an den Finanzmärkten“ beobachte. „Der Bankensektor der Eurozone ist jedoch resilient“, so Lagarde. Die Finanzinstitute seien in einer wesentlich besseren Situation als noch im Jahr 2008 während der Finanzkrise.

Die EZB-Sitzung war mit besonderer Spannung erwartet worden, weil sie einerseits als wegweisend galt und andererseits in extrem turbulenter Zeit stattfindet. Bereits Anfang Februar hatten die Notenbanker für März eine erneute Zinserhöhung um 50 Basispunkte signalisiert und für die Zeit danach explizit eine Überprüfung des weiteren Kurses angekündigt. Dazu hatte es dann in den Wochen danach widersprüchliche Aussagen aus dem EZB-Rat gegeben – zum Ausmaß und Tempo weiterer Zinserhöhungen. Am Wochenende schürte dann die Pleite der Silicon Valley Bank Sorgen vor einer Bankenkrise in den USA und weltweit. Diese wurden am Mittwoch durch die Turbulenzen bei der Schweizer Großbank Credit Suisse noch verstärkt. An den Märkten galt deshalb vor der Sitzung eine EZB-Zinserhöhung um 50 Punkte plötzlich nicht mehr als ausgemachte Sache.

Die jüngsten Wirtschaftsdaten hatten zuvor beiden Lagern im EZB-Rat Argumente geliefert: Die Hardliner („Falken“), die für weitere kräftige Zinserhöhungen plädierten, können vor allem darauf verweisen, dass die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel im Februar sogar weiter auf ein absolutes Rekordniveau von 5,6% geklettert ist – während die Gesamtrate seit Oktober von 10,6% auf 8,5% zurückgegangen ist. Zudem erweist sich die Euro-Wirtschaft als robuster als gedacht. Die „Tauben“ dagegen führen vor allem ins Feld, dass die konjunkturelle Unsicherheit sehr groß sei und die Leitzinsen seit Juli um beispiellose 300 Basispunkte – jetzt 350 Basispunkte – angehoben worden sind, was mit zeitlicher Verzögerung wirke.

Inflationsrückgang vorhergesagt

„Die Inflation bleibt unseren Prognosen zufolge zu lange zu hoch“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz. Daher habe man sich entschlossen, die Zinsen erneut um 50 Basispunkte zu erhöhen. Für das laufende Jahr geht die EZB inzwischen von einer Inflationsrate von 5,3% aus und damit einen Prozentpunkt weniger als noch bei der letzten Prognose im Dezember. Damit würde die Teuerung aber nach wie vor weit über dem 2-Prozent-Ziel liegen. „Der Lohndruck hat sich verschärft“, sagte Lagarde. 2024 liegt die Inflation gemäß der EZB-Projektion dann bei 2,9% und 2025 bei 2,1%.

Ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr verdoppelten die Notenbank-Volkswirte auf 1,0% (Dezember-Prognose: 0,5%). Allerdings wurde diese Vorhersagen vor dem Aufkommen der Turbulenzen an den Finanzmärkten erstellt. Für 2024 und 2025 rechnen sie allerdings nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von jeweils 1,6% „Gestützt wird das durch einen robusten Arbeitsmarkt, ein steigendes Vertrauen und eine Erholung der realen Einkommen“, hieß es dazu. Zugleich bleibe der Aufschwung in den beiden kommenden Jahren aber hinter den Ende 2022 geäußerten Erwartungen zurück. „Grund hierfür ist die geldpolitische Straffung“, hieß es dazu.

Große Debatte im Vorfeld

Angesichts des weltweiten Finanzbebens hatte es im Vorfeld der EZB-Sitzung eine zunehmend hitzige Diskussion über den weiteren Kurs gegeben. Auf der einen Seite standen jene, die forderten, dass die EZB angesichts des Inflationsproblems auf Kurs bleibt und an der geplanten Zinserhöhung um 50 Basispunkte festhält. „Die unmittelbare Gefährdung der europäischen Wirtschaft ist begrenzt, und die EZB muss ein Inflationsproblem bekämpfen, das zunehmend hausgemacht ist“, sagte etwa der Europa-Chefvolkswirt der Ratingagentur Standard & Poor’s, Sylvain Broyer.

Am Donnerstagvormittag hatte auch noch einmal der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dafür plädiert, dass die EZB bei der Straffung der Geldpolitik bleibt. Die EZB solle bei der angekündigten Erhöhung der Leitzinsen um 50 Basispunkte bleiben, sagte Fuest der Mediengruppe Bayern. Würde sie etwa auf 25 Punkte zurückgehen, würde das zwar in Hinblick auf die kurzfristige Finanzstabilität etwas Entlastung bringen. „Sie würde damit aber zugleich das Signal geben, dass sie glaubt, wir hätten hier ein größeres Problem“, so Fuest. „Wir haben jetzt eine Situation, in der das Vertrauen in Kreditinstitute erschüttert ist“, sagte Fuest mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen in der Bankenbranche. „Viele Anleger bei Banken fragen sich nun, bekomme ich überhaupt mein Geld zurück. Das birgt die Gefahr eines Bank Runs, also dass die Einleger ihre Geldhäuser stürmen und ihr Geld massenhaft abziehen“, sagte der Ifo-Chef.

Allerdings gab es auch gegenteilige Stimmen. So sorgten am Mittwoch unter anderem Aussagen von Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi im Interview der Börsen-Zeitung für einiges Aufsehen. Er plädierte dafür, die geplante Zinserhöhung auszusetzen oder die Sätze zumindest nur um 25 Basispunkte anzuheben. „Die finanzielle Ansteckung ist gleichbedeutend mit einer gewissen Verschärfung der monetären Bedingungen. An der Erhöhung um 50 Basispunkte festzuhalten, als ob nichts geschehen wäre, bedeutet, eine härtere Gangart einzuschlagen als bisher angenommen“ (vgl. BZ vom 15. März). Zudem zog er Parallelen zum Jahr 2011 und zur damaligen Euro-Schuldenkrise: „Die EZB sollte vermeiden, den Fehler von 2011 zu wiederholen, als sie die Zinsen weiter anhob, ohne die zunehmende Ansteckung durch die Umschuldung Griechenlands zu berücksichtigen.“

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