Airbus plant hohe Investitionen in neue Technologien
Herr Asam, Airbus hat einen guten Jahresstart hingelegt. Wie ordnen Sie den Gewinnsprung ein?
Airbus hat im ersten Quartal eine starke Leistung in allen Bereichen der Gruppe erbracht. Wir profitieren auch von den Einsparungen, die wir in den Corona-Krisenjahren 2020 und 2021 vorgenommen hatten.
Was bedeutet das auf mittlere Sicht?
Wir planen, die Produktionsrate für unsere A320-Familie im Jahr 2025 monatlich auf 75 Flugzeuge zu erhöhen. Dazu bauen wir Kapazitäten auf und erbringen Vorleistungen. Auf mittlere Sicht werden auch die Investitionen und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigen. Die Entwicklung eines Null-Emissionen-Flugzeugs, betrieben mit Wasserstoff, kostet schließlich viel Geld und steht auf unserer Prioritätenliste ganz oben.
Nachhaltigkeit spielt für Investoren eine immer wichtigere Rolle.
Das Thema ist extrem wichtig für uns. Unsere Flugzeuge sind für die Beimischung von 50% alternativem SAF-Treibstoff – also Sustainable Aviation Fuel – zertifiziert, 100% sind bis 2030 angestrebt. Wir arbeiten auch an einem Wasserstoffflugzeug und sind gerade dabei, entsprechende Technologiebausteine zu entwickeln.
Und wann kommt der Startschuss für ein entsprechendes Programm?
Eine Entscheidung zu einem Wasserstoffflugzeug-Programm wird nicht vor 2026 fallen, die Indienststellung ist 2035 vorgesehen. Die Investitionen dafür werden in den zweistelligen Milliardenbereich gehen.
Warum halten Sie an Ihrer Jahresprognose fest, obwohl die geschäftlichen Risiken deutlich gestiegen sind?
Wir haben die aktuelle Lage und den Ausblick sehr sorgfältig abgewogen. Auf der einen Seite bekommen wir Gegenwind vom Ukraine-Krieg und den Corona-Lockdowns in China. Auch aufgrund von Einschränkungen in der Raumfahrt-Partnerschaft mit Russland mussten wir rund 200 Mill. Euro zurückstellen. Auf der anderen Seite sind die Marktaussichten, insbesondere für unsere A320-Familie, weltweit gut. Es spricht aktuell nichts dagegen, dass wir unsere Ziele für dieses Jahr erreichen können.
Zugleich fahren Sie die Fertigung des Verkaufsschlagers A320 hoch. Läuft Airbus Gefahr, sich zu übernehmen?
Nein! Die Erhöhung der Produktionsraten dient vor allem dazu, unseren umfangreichen Auftragsbestand zügig abarbeiten und damit unseren Kundenverpflichtungen nachkommen zu können. Auch erwarten wir, dass die Luftfahrtbranche von 2023 an das Niveau von 2019, also von vor Ausbruch der Corona-Pandemie, wieder erreichen wird. Im Segment der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen ist zudem die Dynamik nach den Krisenjahren 2020 und 2021 deutlich höher als noch bei Langstreckenflugzeugen. Zugegeben: Die Lage in der Ukraine und auch in China birgt Unwägbarkeiten, aber global entwickelt sich der Luftverkehr in die richtige Richtung.
Können die Airlines unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen mithalten?
Wir beobachten die Lage der Luftfahrtgesellschaften sehr genau. Der stark gestiegene Ölpreis ist derzeit ein entscheidender Faktor. Denn die Kosten für Kerosin beeinflussen die Erfolgsrechnungen der Airlines deutlich. Allerdings steigen momentan auch die Preise für Flugreisen. Die höheren Ticketpreise und der Kostendruck für Kerosin und Dekarbonisierung halten sich in etwa die Waage.
Wie verteilen sich die Investitionen für die Produktionssteigerung auf die Standorte?
Eine A320-Endmontagelinie macht 5 bis 7% der Wertschöpfung im Herstellungsprozess eines Flugzeugs aus. Der Löwenanteil befindet sich weiter in Europa. Für unser Werk in Mobile im US-Bundesstaat Alabama ist der Bau einer zweiten Endfertigungslinie geplant. Außerdem sollen alle unsere globalen A320-Endlinien ertüchtigt werden, künftig auch unsere erfolgreiche A321-Variante zu bauen.
Wie viel investiert Airbus dafür?
Diese Investitionen sind beträchtlich, aber angesichts des wachsenden Volumens werden wir nicht viele Jahre brauchen, bis sich diese Vorleistungen amortisiert haben. Das Geschäft mit der A320-Familie läuft sehr gut.
Können die Airbus-Zulieferer Ihre ehrgeizigen A320-Pläne stemmen?
Wir haben uns vorgenommen, bis Sommer 2023 die monatliche Produktionsrate für die A320-Baureihe von zuletzt 45 Flugzeugen zur Jahreswende auf 65 Maschinen zu erhöhen. Die weitere Steigerungskurve von 65 auf 75 Stück bis 2025 verläuft dann etwas flacher. Mit der angekündigten Vorgabe haben wir den ersten konkreten Schritt gemacht, gemeinsam mit unseren Zulieferern nun auf diesen Zielwert in 2025 hinzuarbeiten.
Haben Sie denn feste Zusagen der Zulieferer für die Produktionssteigerung?
Diverse Zulieferer, darunter Safran, haben sich positiv geäußert. Mit anderen müssen wir uns noch auf feste Zusagen für die Rate 75 einigen. Letztlich ist es auch im Interesse der Zulieferer, ihren Marktanteil zu verteidigen und auszubauen. Mit der Bekanntgabe unserer Produktionsziele geben wir jetzt die notwendige Planungssicherheit.
In den Finanzkrisenjahren 2008 und 2009 waren gestörte Lieferketten auf die seinerzeitige Rezession zurückzuführen. Ist das heute ein strukturelles Problem?
Viele unserer Zulieferer in Deutschland verfügen über mittelständische Strukturen. In Bezug auf eine Konsolidierung ist bisher wenig passiert. Insgesamt haben sich aber unsere Zulieferer in der Luftfahrtindustrie während der Coronakrise als robust erwiesen.
Müssen Sie in der angespannten Lage in Bezug auf die Lieferketten und bei einer steigenden Inflation Zulieferer im Extremfall stützen, oder wären Sie dazu bereit?
Die Aufrechterhaltung unserer Lieferketten hatte während der Covid-Krise hohe Priorität, und wir haben mehrere Maßnahmen ergriffen, um dies zu erreichen, unter anderem durch die Einrichtung spezieller Fonds zu deren Unterstützung. Es gehört nicht zu unserem regulären Geschäftsmodell, unter Druck geratenen Zulieferern zu helfen. Wir machen das nur im Notfall. Dabei spielen dann Gläubigerbanken und gegebenenfalls Staatshilfen eine Rolle.
Der Ukraine-Krieg führt zu einer Zeitenwende in der Verteidigungspolitik der EU. Wie wird sich das auf Airbus auswirken?
Wir beobachten derzeit ein Umdenken bei Geschäftspartnern und bei Banken, insbesondere bei Kreditinstituten, die sich in Staatseigentum befinden. Das betrifft auch die Europäische Investitionsbank. Der Zugang zu privater Finanzierung für die Verteidigungsindustrie stößt in der Breite immer stärker auf offene Ohren. Rüstungsunternehmen werden heute anders beurteilt als noch bis vor kurzer Zeit, als diese vor allem in Skandinavien und Deutschland bei einer wachsenden Zahl von Investoren aus deren Portfolios verbannt wurden.
Rechnen Sie mit einem Auftragsschub für den Verteidigungsbereich von Airbus?
Das bleibt abzuwarten. Klar ist, dass vor allem Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu wenig in eine zukunftsfähige Verteidigung investiert hat. Die Frage ist jetzt, ob das von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte 100 Mrd. Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr nachhaltig im Rahmen europäischer Rüstungsprogramme verwendet wird oder ob stattdessen primär auf dem außereuropäischen Weltmarkt eingekauft wird, was der angestrebten technologischen und wirtschaftlichen Autonomie Europas zuwiderliefe. Beim Nachfolger der Tornados gehen wir derzeit davon aus, dass die verbliebene, noch zu ersetzende zweite Hälfte der 93 Jets durch das Flugzeug ersetzt wird, das Deutschland mitentwickelt und selbst finanziert hat: den Eurofighter.
Was bedeutet das für die Umsatzrendite der Rüstungsaktivitäten von Airbus?
Wir sehen die Möglichkeit, auf mittlere Sicht den Konzernbereich Verteidigung & Raumfahrt auf eine höhere einstellige operative Umsatzrendite zu heben. Und das auf Basis des bereinigten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern. Zum Vergleich: Im zurückliegenden ersten Quartal erzielte der Bereich Defence & Space eine Marge von 4,3%. Es ist also noch Luft nach oben. Wechselkurseffekte, insbesondere in Bezug auf den Dollar, spielen auch eine Rolle.
Das Rüstungsgeschäft macht rund ein Fünftel des Konzernumsatzes von Airbus aus. Wird dieser Anteil steigen?
Wir haben die Chance, im Verteidigungsbereich stabil zu wachsen. Aufgrund wachsender Erlöse im Geschäft mit Verkehrsflugzeugen wird sich dieser Anteil aber auf mittlere bis längere Sicht nicht signifikant erhöhen.
Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg bei Airbus auf die Titanlieferungen aus? Russland ist ja einer der wichtigsten Lieferanten.
Wir waren durch die russische Annektierung der Krim 2014 vorgewarnt und haben seitdem unsere Titanvorräte erhöht. Wir sind deshalb zuversichtlich, unseren Bedarf kurz- und mittelfristig absichern zu können. Die Produktion der Widebodies, der Großraumflugzeuge, bei denen der Titananteil höher ist, ist auch noch immer relativ niedrig. Stärkere Einschläge durch den Krieg spüren wir bei den Energiekosten, die sich bei uns verdoppelt haben. Aluminium ist auch deutlich teurer geworden.
Welche Rolle spielt Russland als Titanlieferant für Airbus?
Vor dem Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine haben wir die Hälfte des Titans aus Russland bezogen. Wir haben es zu einem großen Teil auch für unsere Zulieferer beschafft. Bisher ist Titan aus Russland von den Sanktionen nicht betroffen. Aber selbst wenn es sanktioniert werden sollte, sollte unsere Bevorratung ausreichen, um auf andere Lieferanten umstellen zu können. Wir haben derzeit keinen Engpass bei Titan.
Ist Airbus vom weltweiten Chipengpass betroffen?
Das Halbleitervolumen ist im Luftfahrtbereich recht begrenzt. Chips werden aufgrund der geringeren Flugzeug-Stückzahlen nicht in einem so großen Volumen verbaut wie zum Beispiel im Massenprodukt Auto. Beim Einkauf von Halbleitern haben wir auch unsere Zulieferer unterstützt, um wichtige Komponenten zu erwerben, unsere starke Stellung in der Beschaffung nutzend.
Wie wirkt sich der Inflationsschub auf Airbus aus?
Wir haben in den Verträgen mit den Fluggesellschaften Preisanpassungsklauseln, aber diese decken nicht unbedingt die aktuelle Inflation ab. Für unseren Auftragsbestand haben wir wenig Spielraum. Wir sehen auch höhere Lohnabschlüsse. Die Inflation hat mit 7 bis 8% ein Niveau erreicht, das wir seit den 1970er Jahren nicht mehr gesehen haben. Die entscheidende Frage ist, ob die Inflation in den nächsten Jahren wieder zurückgehen wird, wovon wir bis zu einem gewissen Grad ausgehen.
Welche Wirkung hat der erstarkte Dollar auf Ihr Finanzhedging?
Wir profitieren auf kurze Sicht kaum vom derzeit stärkeren Dollar. Bis einschließlich 2024 haben wir einen Großteil unseres Dollar-Exposures gegen Wechselkursschwankungen abgesichert. Für die Jahre 2022 bis 2024 beträgt das jährliche Volumen unserer Dollar-Währungssicherung um die 20 Mrd. Dollar zu einem Durchschnittskurs von circa 1,23 Dollar je Euro. Damit dämpfen wir im Nahzeitraum den Einfluss der Volatilität des Dollar auf unseren Gewinn. Von 2025 an fällt das derzeitige Sicherungsvolumen steil auf 13 Mrd. Dollar ab, was uns die Möglichkeit eröffnet, dann stärker vom Anstieg des Dollar zu profitieren, was eine gewisse Kompensation der Inflationsrisiken mit sich brächte.
Welche finanziellen Risiken birgt der Streit mit Qatar Airways?
Es ist nicht unsere Intention, mit Kunden Rechtsstreitigkeiten zu führen. Die Flugaufsichtsbehörde von Katar hat A350-Jets von Qatar Airways wegen vorzeitigen Verschleißes an der Flugzeugoberfläche gegroundet und als angebliches Sicherheitsrisiko dargestellt. Die Airline hat eine entsprechende Klage wegen Ausfalls der Flieger eingereicht. Dagegen wehren wir uns. Die europäische Flugaufsichtsbehörde EASA und alle anderen A350-Betreiber bestätigen uns: Die A350 ist uneingeschränkt flugtüchtig. Wir weisen entschieden zurück, kommerziellen Nutzen aus vorgeschobenen Sicherheitsrisiken zu ziehen. Rückstellungen für das Gerichtsverfahren haben wir bisher nicht gebildet. Wir geben unsere Hoffnung auf eine gütliche Beilegung des Streits nicht auf.
Wie wirken sich die Restrukturierungen in Deutschland und Frankreich auf die Rendite von Airbus aus?
Wir mussten strategische Entscheidungen für unsere hausinternen Zulieferer für Flugzeugrümpfe und Großkomponenten treffen. Unser amerikanischer Wettbewerber ist im Vergleich dazu mit der Ausgliederung von Spirit Aerosystems sehr viel weiter gegangen. Die Aufstellung unserer neuen Aerostructures-Töchter wird bis Mitte 2025 beendet sein. Nach einem Mitarbeitervotum werden wir in Deutschland nun die beiden Werke von Premium Aerotec, für den ein externer Partner jetzt abgelehnt wurde, intern restrukturieren. Diese Maßnahmen sind wettbewerbsentscheidend. Die Restrukturierung ist Teil unserer Margen-Erholung. Wir planen, im Jahr 2023 wieder das Niveau an Auslieferungen von vor Ausbruch der Corona-Pandemie zu erreichen und damit auch bei der Marge wieder auf ein vergleichbares Niveau aufzuschließen.
Welche Pläne haben Sie für die Dividendenpolitik?
Wir wollen stetig 30 bis 40% unseres Gewinns ausschütten. Die Ausschüttung hatten wir zuletzt wegen der Pandemie ausgesetzt. Nun wollen wir an unsere angepeilte Bandbreite der Dividendenausschüttung wieder anknüpfen.
Das Interview führten Gesche
Wüpper und Stefan Kroneck.