Eigenes Logistikangebot

Amazon erhöht Druck im Speditions­markt

Amazon macht Spediteuren seit dem laufenden Jahr mit einem preisaggressiven Logistikangebot Konkurrenz. Analysten glauben, dass weitere E-Commerce-Anbieter diesem Beispiel folgen werden.

Amazon erhöht Druck im Speditions­markt

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Neue Spieler sorgen für verschärfte Konkurrenz am Fracht- und Speditionsmarkt: E-Commerce-Anbieter bauen zunehmend eigene umfassende Logistik-Operationen auf – besonders im Fokus steht dabei Amazon. Der Vorstoß des weltgrößten Onlineversands ins Segment wurde im Februar öffentlich, unter der Marke „Amazon Global Logistics“ übernimmt der Konzern für die unabhängigen Händler auf seinem Marktplatz den weltweiten Warentransport.

Dies sei vor allem aus der Notwendigkeit geschehen, das explosive Wachstum im Onlinehandel und stationären Filialen zu unterstützen und zugleich die Transportkosten unter Kontrolle zu halten, betonen die Analysten des Informationsdienstleisters Bloomberg Intelligence. Schließlich habe Amazon im vergangenen Jahr 76,7 Mrd. Dollar für die Warenbeförderung aufwenden müssen, 2016 seien es noch 16,2 Mrd. Dollar gewesen. Indem der Konzern seine internen Logistiklösungen zu Kundendienstleistungen ausbaue, könne er die Transportkosten senken und strukturelle Margenvorteile genießen. Dabei nutzt das Unternehmen fremde Containerschiffe und Frachtflugzeuge.

Amazon setze also auf eine Asset-Light-Strategie, wie Bloomberg In­telligence betont. Auch die Netzwerke für den Ladungsverkehr zu Land und die letzte Meile würden von selbständigen Anbietern ausgebaut. Dies bringe dem Plattformbetreiber eine höhere Flexibilität ein, da er weniger Kapital in einem ausschließlich von eigenen Mitarbeitern betriebenen Modell binde.

Zum Zeitpunkt des Markteintritts von Amazon Global Lo­gistics hatten die Frachtraten gerade eine massive Rally hinter sich. Der von der Beratungsfirma Drewry erstellte World Container Index, der wöchentlich die aggregierte Preisentwicklung für 40-Fuß-Container auf acht Hauptrouten zwischen den USA, Europa und Asien abbildet, erreichte im September 2021 das Rekordniveau von 10375 Dollar und hielt sich bis Mitte März oberhalb der Marke von 9000 Dollar.

Auch wenn das Barometer zuletzt erstmals seit 96 Wochen auf unter 4000 Dollar abrutschte – die gemittelte Frachtrate für das laufende Jahr liegt noch weit über dem fünfjährigen Durchschnitt. Amazon Global Logistics war zum Start des eigenen Angebots laut Marktteilnehmern gleich in der Lage, die Spotpreise auf Verbindungen wie zwischen dem ostchinesischen Ningbo und Rotterdam um die Hälfte zu unterbieten.

Wie sich das Preisgefälle weiterentwickelt, dürfte stark von der konjunkturellen Entwicklung ab­hän­gen. In der Vergangenheit sei „die Transportbranche im Falle einer Rezession besonders früh von Nachfrageeinbrüchen betroffen“, sagt Markus Weidmann, Managing Director und Lieferkettenexperte bei der Boston Consulting Group (BCG). Diesmal sei der Markt auf der Angebotsseite jedoch aufgrund der hohen Energiepreise und des Fahrermangels angespannt. „Die Frachtraten werden sehr wahrscheinlich sinken, aufgrund der grundsätzlichen An­spannung je­doch nicht auf die Niveaus, die wir vor Corona gesehen haben“, führt Weidmann aus.

Diversifizierter Markt

Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV), verweist darauf, dass die Güterverkehrsnachfrage noch immer exorbitant hoch sei und steigende Kosten im Logistiksektor somit weiterhin am Markt überwälzt werden könnten. „Eine vollständige Marktumkehr wird trotz Rezessionserwartungen nicht wahrscheinlich“, unterstreicht Huster. Der Logistikmarkt sei groß und diversifiziert, gerade hohe Frachtraten und knappe Kapazitäten stärkten die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Speditionshäuser. Solange einheit­liche Steuersätze gälten und kei­-ne marktbeherrschenden Stellungen ent­stünden, sei somit auch keine Unterstützung von regulatorischer Seite nötig, damit deutsche Spediteure mit Anbietern wie Amazon Global Logistics konkurrieren könnten.

Analysten halten es indes für wahrscheinlich, dass Händler auch künftig am Amazon-Angebot festhalten. So könnten gerade Anbieter von Handelsmarken eigene Lager und Infrastrukturlösungen einsparen, wenn sie auf die Logistik des Tech-Riesen zurückgriffen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass weitere E-Commerce-Anbieter in den Markt für Logistik-Dienstleistungen eintreten“, prognostiziert Weidmann zu­dem. Der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba beispielsweise hat bereits die Logistiktochter Cainiao ins Leben gerufen, über die er kleine Dienstleister und Spediteure in ein eigenes, stark digital gesteuertes Netzwerk integriert. Mittelfristig wird der Wettbewerbsdruck für klassische Spediteure laut Weidmann somit steigen. Dies gelte insbesondere in den für die Onlineanbieter typischen Bereichen Konsumgüter und Handel. E-Commerce-Dienstleister aus der digitalen Welt könnten aufgrund ihrer analytischen Möglichkeiten auch in der physischen Logistik eine höhere Effizienz erreichen. „Das wird letzten Endes die Digitalisierung der gesamten Branche enorm be­schleunigen“, sagt Weidmann.

Derzeit richtet sich das Angebot der E-Commerce-Anbieter zwar nur an Händler, die auf ihren Plattformen aktiv sind. „Sollte dieser Service erweitert werden, wird das den Logistikmarkt erheblich verändern“, kommentieren die Analysten der Beratungsgesellschaft Deloitte. Ak­tuell könnten die traditionellen Logistiker noch auf gewachsene Kundenbeziehungen bauen – doch ob dieser Vertrauensbonus auf Dauer gegen niedrigere Preise Bestand haben könne, sei fraglich.

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Deutsche Post: Kapazitätsausbau und stärkere Vernetzung (5.10.)

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