Agrarhandelskonzern im Krisenmodus

Angeschlagene Baywa versinkt mit 641 Mill. Euro in tiefroten Zahlen

Der in eine Existenzkrise geratene Agrarhandelskonzern Baywa versinkt in tiefroten Zahlen. Das Münchner Unternehmen verbuchte in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Nettoverlust von 641 Mill. Euro. Das ist nahezu das Siebenfache des Fehlbetrags des gesamten Vorjahres.

Angeschlagene Baywa versinkt mit 641 Mill. Euro in tiefroten Zahlen

Baywa versinkt in tiefroten Zahlen

Konzernverlust des Agrarhändlers versiebenfacht sich auf 641 Mill. Euro – Eigenkapitalquote sinkt auf 8,5 Prozent

sck München

Der in eine Existenzkrise geratene Agrarhandelskonzern Baywa versinkt in tiefroten Zahlen. Das Münchner Unternehmen verbuchte in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Nettoverlust von 641 Mill. Euro. Das ist nahezu das Siebenfache des Fehlbetrags des gesamten Vorjahres. Die Kapitalbasis schmilzt.

Trotz zweier Finanzspritzen von bislang 1 Mrd. Euro hat sich die finanzielle Lage des angeschlagenen Agrarhandelskonzerns Baywa verschlechtert. Das frühere SDax-Mitglied meldete für die ersten neun Monate dieses Jahres einen Konzernfehlbetrag von 641 Mill. Euro. Das entspricht nahezu dem Siebenfachen des Nettoverlusts im gesamten vergangenen Jahr. Seinerzeit betrug das Defizit 93 Mill. Euro nach einem Rekordgewinn von 240 Mill. Euro im Jahr 2022. In den ersten neun Monaten des Vorjahres verbuchte die Baywa-Gruppe einen Fehlbetrag von 17 Mill. Euro.

Mehr als die Hälfte des Konzerndefizits per 30. September dieses Jahres ist auf die ebenfalls in eine finanzielle Schieflage geratene Solar- und Windkraftanlagen-Projekttochter Baywa r.e. zurückzuführen. Nach Unternehmensangaben verbuchte diese nach neun Monaten 336 Mill. Euro Miese. Das entspricht 52% des Konzernfehlbetrags.

Bisher höchster Quartalsfehlbetrag

Aus den auf Basis von neun Monaten veröffentlichten Konzernzahlen lässt sich ableiten, dass die Baywa im zurückliegenden dritten Quartal einen Verlust nach Steuern von 350 Mill. Euro verzeichnete, nach einem Minus von 40 Mill. Euro in der gleichen Vorjahreszeit. Neben dem Sorgenkind Baywa r.e. sowie schwachen Geschäftsbeiträgen aus den Kerngeschäftsfeldern Agrarerzeugnisse sowie Baustoffe und Baumärkte trugen zum Defizit auch notwendige Firmenwertabschreibungen vom Spätsommer bei. Das betraf vor allem die Lagerbestände der Baywa r.e. Die Preise für Solarmodule gingen in den Keller. China überschwemmt den Markt mit Produkten zu Dumpingpreisen. In einer Mitteilung schreibt die Baywa von einer „belasteten Sanierungssituation“.

Höchster Quartalsverlust

Es handelt sich um den bisher höchsten Quartalsverlust der Baywa seit den ersten Fehlbeträgen im Sommer vergangenen Jahres. Im ersten Quartal dieses Jahres machte der Konzern netto 108 Mill. Euro Miese, im zweiten waren es 182 Mill. Euro.

Zinsaufwand von 310 Mill. Euro

Kernproblem der hoch verschuldeten Baywa sind die gestiegenen Marktzinsen infolge der Zinswende nach dem Ende einer langen Phase extrem niedriger Kapitalmarktzinsen. Die dadurch sprunghaft gestiegenen Zinsaufwendungen machen dem Unternehmen schwer zu schaffen. Dieser Kostenblock legte in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 23% oder 58 Mill. auf 310 Mill. Euro zu. Allein im dritten Quartal waren es 110 Mill. Euro. Das waren 20 Mill. Euro mehr als im Sommerquartal 2023. Die Zinsaufwendungen übersteigen die liquiden Mittel. Dieses betrugen Ende September 296 Mill. Euro. Dank der Finanzspritzen vom Sommer waren es immerhin 63 Mill. Euro mehr als zum Ultimo 2023 (233 Mill. Euro).

Die Cash-Burn-Rate der Baywa ist aber gewaltig. Hält diese in Dimension und Geschwindigkeit an, ist absehbar, dass die kreditgenossenschaftlichen Eigentümer und die Gläubigerbanken weitere Stützungshilfen in Form abermaliger frischer liquider Mittel leisten müssen. Die Volks- und Raiffeisenbanken des Freistaats halten über 38% an der Baywa. Im Sommer erklärten diese ihre Solidarität zur Baywa und sagten Finanzhilfen zu. Der Münchner Agrarhandelskonzern gehört ebenfalls zur genossenschaftlichen Gruppe.

Aktie auf Allzeittief

Die im Rahmen der Rettungshilfen der Gläubigerbanken und der bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken vereinbarten Verzichtserklärungen für Zinstilgungen machen sich offensichtlich noch nicht positiv im Finanzergebnis bemerkbar. Dieser Erfolgsposten in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zeigte nach neun Monaten ein Minus von 309 Mill. Euro nach ebenfalls tiefroten 242 Mill. Euro ein Jahr zuvor. Von Juli bis September betrug das Minus im Finanzergebnis 90 Mill. Euro. Das waren nur 4 Mill. Euro weniger als im dritten Quartal des Vorjahres.

Nach Veröffentlichung des Zwischenberichts notierte die Baywa-Aktie zum Handelsauftakt nur zeitweilig im Plus, drehte aber dann ins Minus und notierte auf der Xetra-Plattform 2% schwächer mit 8,10 Euro. Das Papier markierte damit ein Allzeittief. Die Baywa bringt am Markt nur noch 296 Mill. Euro auf die Waage.

Eigenkapital schmilzt wie Schnee in der Sonne

Damit liegt der Marktwert des Unternehmens deutlich unter dem Wert des Konzern-Eigenkapitals. Letzteres schmilzt aber wie Schnee in der Sonne. Grund dafür sind kontinuierlich steigenden Quartalsverluste.

Aufgrund des Verlusts schrumpfte das Konzern-Eigenkapital binnen eines Jahres um 800 Mill. auf 1 Mrd. Euro per Ende September. Das entspricht nur noch 8,5% der Bilanzsumme. Das ist die niedrigste Eigenkapitalquote des Unternehmens seit dem Börsengang im Jahr 2002. Ende September 2023 waren es noch über 14%.

Weitere hohe Zusatzkosten für Kreditgenossen

Verbucht die Baywa im laufenden Dreimonatsabschnitt und im ersten Halbjahr nächsten Jahres gleich hohe Fehlbeträge wie im zurückliegenden Quartal, wäre das Konzern-Eigenkapital aufgebraucht. Dann wären vor allem die bayerischen Kreditgenossen gezwungen, nicht nur weiteres frisches Geld, sondern auch Eigenmittel – z.B. durch Sacheinlagen – nachzuschießen, um die Baywa vor der Pleite zu bewahren. Das heißt, auf die Volks- und Raiffeisenbanken des Freistaats kommen Mehrbelastungen in der Causa Baywa zu, die diese bisher kaum überblicken können.

Die Baywa ächzt unter Finanzschulden von insgesamt 5,3 Mrd. Euro (Stand Ende September). Das sind zwar rund 200 Mill. Euro weniger als vor einem Jahr, allerdings hat sich die Struktur der Finanzverbindlichkeiten für die Baywa dramatisch verschlechtert. Betrug der Anteil der kurzfristigen Schulden, also mit Laufzeiten von unter einem Jahr, Ende September 2023 noch 46%, ist dieser mittlerweile mit einer Summe von 3,6 (i.V. 2,5) Mrd. Euro auf zwei Drittel der gesamten Finanzschulden gewachsen.

Große Gruppe von Hauptgläubigern

Zu den größten Gläubigerbanken der Baywa gehören die ebenfalls zum Genossenschaftssektor zählende DZ Bank, die Stuttgarter Landesbank LBBW, die Commerzbank und die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank. Insgesamt umfasst die heterogene Gruppe der Hauptgläubiger rund 300 Gesellschaften, darunter Leasingfirmen, bei denen die Baywa mit über 1 Mrd. Euro in der Kreide steht.

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