Atos sucht 1,2 Mrd. Euro frisches Geld
Refinanzierungsplan
Atos sucht 1,2 Mrd. Euro an frischen Barmitteln
Verschuldung soll auf Hälfte reduziert werden – Staat sichert sich Vorzugsaktie für Superrechner und Kaufrecht für strategisch sensible Aktivitäten
wü Paris
Gesche Wüpper, Paris
Atos hat die Parameter des Rahmens seines Refinanzierungsplanes vorgestellt. Der finanziell angeschlagene IT-Dienstleister sucht insgesamt 1,2 Mrd. Euro frisches Geld und will zudem seine Verschuldung von zuletzt 4,9 Mrd. Euro durch die Umwandlung in Aktien um die Hälfte reduzieren. Investoren haben bis zum 26. April Zeit, Vorschläge für die Refinanzierung vorzulegen. Ziel des Konzerns ist, bis Juli eine Einigung mit seinen Gläubigern zu erzielen. Bereits Ende März war ein gütliches Schlichtungsverfahren eingeleitet worden.
Grundsätzlich geeinigt hat sich Atos bereits mit einer Gruppe von Banken und dem französischen Staat über eine Zwischenfinanzierung in Höhe von 450 Mill. Euro, die dem IT-Konzern eine Verschnaufpause bis zu einer endgültigen Lösung ermöglichen soll. Im Gegenzug für ein Darlehen über 50 Mill. Euro für die Hochleistungsrechner von Atos wird der Staat nach Angaben des Wirtschaftsministeriums eine Vorzugsaktie für Bull SA erhalten. Die Einheit kontrolliert vor allem die Superrechner, die von der französischen Atomindustrie und für die nukleare Abschreckung Frankreichs genutzt werden.
Staat sichert sich Rechte bei Superrechnern
Das Darlehen stelle „einen ersten Schritt zum Schutz der strategischen Aktivitäten“ von Atos dar, erklärte das Wirtschaftsministerium. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hatte am 19. März angekündigt, dass die Regierung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen werde, um die strategisch wichtigen Bereiche von Atos zu schützen.
Nach Angaben des Konzerns soll der Staat das Recht erhalten, die souveränen sensiblen Aktivitäten von Atos zu erwerben, sollte eine dritte Partei mehr als 10% des Kapitals von Atos oder der Stimmrechte akquirieren. Atos ist auch für die IT der Olympischen Spiele in Paris zuständig.
Der in den letzten Jahren ins Schlingern geratene Konzern benötigt nach eigenen Angaben 600 Mill. Euro an Barmitteln, um seine Aktivitäten im Zeitraum 2024 bis 2025 finanzieren zu können. Diese könnten in Form von Schulden und oder Kapital von bereits Beteiligten oder dritten Investoren bereitgestellt werden, erklärte Atos. Zusätzlich dazu ist der IT-Dienstleister auf der Suche nach neuen erneuerbaren Kreditlinien über 300 Mill. Euro sowie 300 Mill. Euro zusätzlichen Bankgarantien.
Kein Wunder zu erwarten
Gleichzeitig zielt Atos darauf ab, bis 2026 auf eine Kreditwürdigkeitsnote von BB zu kommen, um wieder zu normalen Bedingungen am Markt Geld leihen zu können. Derzeit wird der Konzern mit CCC bewertet. Dafür muss er nach eigenen Angaben wieder auf eine Verschuldungsrate kommen, die 2025 dem Dreifachen des Ergebnisses vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) entspricht, 2026 dem Doppelten. All das impliziert nach Angaben von Atos eine Verringerung der Bruttoverschuldung um 2,4 Mrd. Euro, sollten die 600 Mill. Euro an Barmitteln in Form neuer Kredite gefunden werden.
Der IT-Dienstleister steht nach dem Scheitern der Verhandlungen mit dem tschechischen Geschäftsmann Daniel Křetínský und Airbus über den Verkauf von wichtigen Aktivitäten verstärkt unter Druck. Er muss bereits im Mai 2025 eine erste Tranche an Krediten und Verbindlichkeiten in Höhe von 2,75 Mrd. Euro zurückzahlen oder refinanzieren. Insgesamt sind bis Ende nächsten Jahres 3,65 Mrd. Euro fällig. Atos schlägt nun vor, die Laufzeit der verbleibenden Schulden um fünf Jahre zu verlängern.
Von operativer Seite her ist aber kein Wunder zu erwarten. Der Umsatz dürfte Atos zufolge in diesem Jahr von zuletzt 10,69 Mrd. Euro auf 9,9 Mrd. sinken und erst 2027 wieder auf mehr als 11 Mrd. steigen. Auch der freie Cashflow dürfte erst 2027 wieder positiv werden.
Atos sucht neue Barmittel und will die Verschuldung halbieren. Der französische Staat macht bei einer Zwischenfinanzierung mit, die dem IT-Dienstleister bis zu der im Sommer erhofften Einigung mit seinen Gläubigern Luft verschaffen soll. Er sichert sich so eine Vorzugsaktie bei Superrechnern.