„Bosch bleibt ein Wachstumsunternehmen“
Im Interview: Markus Forschner
„Bosch bleibt ein Wachstumsunternehmen“
Der Finanzchef blickt mit leichter Zuversicht auf das Jahr 2026 – Für das nächste Jahr erwartet er aber wenig Impulse von der Konjunktur
Bosch plant für die nächsten Jahre den Abbau von fast 13.000 Arbeitsplätzen, davon etwa 8.600 als Fahrzeugzulieferer im größten Segment Mobility. Ein erheblicher Teil soll in Deutschland gestrichen werden. Hierzulande beschäftigt der Stiftungskonzern rund 135.000 seiner 425.000 Mitarbeiter.
Herr Forschner, welchen Anteil hat die Konjunkturschwäche am geplanten Stellenabbau und wie viel machen strukturelle Gründe aus wie das langsamere Hochlaufen der Elektromobilität?
Ich kann das nicht quantifizieren, aber ein Großteil ist strukturell bedingt. Es gibt da allerdings einen fließenden Übergang. Im Bereich Mobility haben wir besonders betroffene Segmente: das automatisierte Fahren und die Elektromobilität. Wir sind für beide von deutlich höheren Stückzahlen ausgegangen. Und wir erwarten auch nicht, dass die Nachfrage in den nächsten ein, zwei Jahren deutlich steigen wird.
Betriebsräte werfen der Geschäftsführung rückblickend betrachtet einen utopischen Optimismus vor.
Heute mag man das so sehen, aber aus damaliger Sicht war das sicher nicht so. Wir haben die Entscheidungen wie andere Unternehmen unserer Branche auf der Basis anerkannter wirtschaftlicher Prämissen getroffen. Die Prämissen haben sich marktbedingt geändert. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste ist: Augen zu und durch mit ungewissem Ausgang. Aber das ist kein Ansatz für ein Unternehmen wie Bosch, das eine kraftvolle Weiterentwicklung zum Fortbestand braucht.
Und die zweite?
Zu korrigieren. Wir müssen auf Basis der veränderten Prämissen die Umsatzerwartungen und entsprechend die Beschäftigung anpassen. Nur so können wir auch der Verantwortung für das gesamte Unternehmen gerecht werden. Das ist ohnehin unsere Daueraufgabe.
Warum?
Bosch ist ein Unternehmen mit fast 430.000 Beschäftigten in rund 470 Tochter- und Regionalgesellschaften weltweit und mit mehr als 90 Mrd. Euro Jahresumsatz. Auch in Phasen der Hochkonjunktur gibt es immer hier und da einen Anpassungsbedarf. Jetzt haben wir leider eine Situation, die zu Belastungen im gesamten Unternehmen führt. Eines kommt aber zu kurz in der Diskussion um den Stellenabbau in Deutschland.
Was meinen Sie?
Wir halten uns an Vereinbarungen mit unseren Arbeitnehmervertretern und nehmen unsere soziale Verantwortung sehr ernst. Zudem erinnere ich daran, dass Bosch in den vergangenen Jahrzehnten zehntausende Arbeitsplätze geschaffen hat. Als ich 1996 bei Bosch angefangen habe, hatte das Unternehmen 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland, jetzt sind es mehr als 130.000.
Bleibt es bei dem angekündigten Stellenabbau oder kommt wie zuletzt im November noch mehr dazu? Die Arbeitnehmerseite beklagt eine Salamitaktik.
Eine weitere Anpassung können wir prinzipiell nicht ausschließen. Das, was bisher kommuniziert wurde, haben wir nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis der aktuellen Planung getan. In der derzeitigen Situation mit den Risiken der Konjunktur und Geopolitik etwas kategorisch auszuschließen, wäre aber einfach nicht seriös.
Haben Sie inzwischen Zweifel am Wandel zur Elektromobilität?
Nein, wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es mittel- bis langfristig eine umfassende Umstellung auf die Elektromobilität geben wird. Aber der Übergang erfolgt nicht in allen Weltregionen gleich schnell. Wir plädieren daher weiterhin für Technologieoffenheit. Wir haben die Technikkompetenz in allen Feldern und die Ressourcen für den Wandel. Also an uns soll es nicht liegen.
2024 ist der Umsatz von Bosch laut Ihrer Prognose leicht gesunken. Ist das Ziel gefährdet, ein Wachstumsunternehmen zu sein?
Nein. In den vergangenen Jahrzehnten sind wir durchschnittlich um 6 bis 8% im Jahr gewachsen – aus eigener Kraft und mit Akquisitionen. Das ist auch unser klarer Anspruch für die Zukunft. Bosch bleibt ein Unternehmen, das auf Wachstum ausgerichtet ist. Dieses Ziel hat uns unser Gründer Robert Bosch als Erbe hinterlassen. Bereinigt um Wechselkurseffekte liegen wir 2024 übrigens voraussichtlich mit 1% über dem Vorjahreswert.
Derzeit leiden alle vier Geschäftssegmente an einer Marktschwäche. Erkennen Sie Anzeichen für eine Besserung?
Die Ankündigungen der chinesischen Regierung, die Fiskal- und Geldpolitik zu lockern, könnte das Wirtschaftswachstum beleben. Davon würden auch wir profitieren. In den USA rechnen wir ebenfalls mit einem etwas stärkeren Wachstum, unter anderem auch aufgrund der Zinssenkungen der US-Notenbank. Für Europa stellen wir uns auf ein weiteres sehr schwieriges und konjunkturschwaches Jahr ein. Die Fahrzeugproduktion lag hier 2023 fast ein Viertel unter dem Niveau von 2017. Und 2024 liegen wir voraussichtlich um rund 4 % unter dem Vorjahreswert.
Was erwarten Sie für 2025?
In unserer Planung nehmen wir an, dass die globale Fahrzeugproduktion um maximal 1% wachsen wird.
Die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern wird in diesem Jahr weniger als 4% betragen. Das Ziel von 7% hatte Bosch zuletzt 2018 erreicht. Ist es noch realistisch, diesen Wert 2026 wieder erreichen zu wollen?
Ja, das ist es und daher ist es in unserer Planung fest verankert. Zwei Voraussetzungen müssen jedoch erfüllt sein. Zum einen müssen unsere Kernmärkte wieder anziehen. Das werden sie auch, denn irgendwann sind die Lager in der Wertschöpfungskette leer.
Die Konjunktur muss also mitspielen. Und das andere?
Zum anderen müssen unsere Strukturmaßnahmen ihre Wirkung zeigen.
2025 wird der Stellenabbau das Ergebnis aber erst einmal belasten, oder?
Ja, das wird so sein.
Für den freien Cashflow peilen Sie 1% vom Umsatz an. Ist das für 2024 zu schaffen?
Diesen Wert werden wir in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichen. Der Free Cashflow wird aber zumindest ausgeglichen sein.
Bosch will auch mit Akquisitionen wachsen. Im Juli dieses Jahres haben Sie den Kauf des globalen Geschäfts mit Heizungen, Lüftungen und Klimaanlagen von Johnson Controls angekündigt für 8 Mrd. Dollar. Beeinträchtigt die schwache Konjunktur die Vorbereitungen für die Übernahme?
Nein, wir sind im Zeitplan. Nach wie vor sehen wir diesen Zukauf als ideale Ergänzung. Wir stärken damit unser Nicht-Automotive-Geschäft, erhöhen unseren Umsatzanteil in den USA sowie in Asien und ergänzen unser Heizungsgeschäft, in dem wir in Europa bereits ein führender Anbieter sind.
Bleibt es also dabei, dass die Übernahme Mitte 2025 vollzogen werden soll?
Ja. Voraussetzung ist natürlich, dass die Wettbewerbsbehörden zustimmen.
Wo wird dann die Zentrale des Heizungs- und Klimageschäfts sein?
Das ist noch nicht entschieden.
Wie finanziert Bosch den Kauf ausschließlich mit eigenen Mitteln?
Grundsätzlich könnten wir den Kauf aus eigenen Mitteln leisten. Um uns aber weiterhin finanzielle Spielräume zu erhalten, werden wir für die Finanzierung voraussichtlich auf eine Mischung aus vorhandener Liquidität und Fremdkapital zurückgreifen. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise 4,5 Mrd. Euro mit einem Euro-Bond aufgenommen, um generell solche finanzielle Flexibilität zu haben. Ob wir im nächsten Jahr mit einer weiteren Anleihe auf den Kapitalmarkt gehen, werden wir im ersten Quartal entscheiden.
Wäre für das Heizungs- und Klimageschäft ein Börsengang eine Option?
Also ich kann nur wiederholen, was wir immer wieder sagen: Für die Bosch-Gruppe insgesamt kommt ein Börsengang nicht in Frage. Für einzelne Bereiche schließen wir es nicht aus. Konkrete Pläne haben wir aber nicht.
Wann wäre ein solcher Schritt attraktiv?
Wir wollen ja in allen Segmenten unter den Top Drei in der Welt sein. Da ist auch ein Zusammenschluss in einem Joint Venture denkbar. Einen Teil an die Börse zu bringen, könnte dann erforderlich sein. Kapitalmarktfähig zu sein, bedeutet aber mehr.
Nämlich was?
Es ist ja nicht so, dass wir keine Kapitalmarkterfahrung hätten. In Indien haben wir eine börsennotierte Gesellschaft, von der Bosch 71% der Aktien gehören. Und unser Euro-Bond im Mai 2023 war mit 4,5 Mrd. Euro der größte in Europa seit 2019. Eine Privatplatzierung in den USA im Oktober 2023 brachte 1,2 Mrd. Dollar ein. Aber es geht auch um die Zeitschiene.
Was meinen Sie damit?
Als wir jetzt einen Teil der Gebäudetechnik an den Finanzinvestor Triton verkauft haben, umfasste die Transaktion 60 Legal Entities.
... juristische Einheiten ...
Eine solche Abspaltung kostet viel Zeit und Geld. Der Aufwand ist sehr groß. Nochmals, es gibt keine konkreten Pläne, aber wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Kapitalmarktfähigkeit verbessern können.
Das Interview führte Joachim Herr.