Ceconomy beendet Gesellschafterstreit
Von Annette Becker, Düsseldorf
Bis spätestens Ende September sollte der Gesellschafterstreit zwischen den Anteilseignern der Media-Saturn-Holding, Ceconomy und Convergenta, endlich Geschichte sein. Bis dahin dürften die in der Hauptversammlung des Elektronikhändlers gefassten Kapitalbeschlüsse im Wege eines Freigabeverfahrens endlich ins Handelsregister eingetragen und die dazugehörigen Kapitalmaßnahmen durchgeführt sein. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft der Familie Kellerhals, Convergenta, steigt zur größten Einzelaktionärin von Ceconomy auf, derweil die Media-Saturn-Holding (MSH) zur 100-prozentigen Tochter von Ceconomy wird. Das sorgt nicht nur unter Governance-Aspekten für mehr Transparenz, sondern erleichtert auch die operative Führung der Elektronikfachhandelskette.
Der Weg zur Einigung war jedoch lang und steinig und so mancher Vorstand, der in die Fehde involviert war, ist heute längst nicht mehr im Amt. Der Streit geht auf das Jahr 2011 zurück. Seinerzeit richtete die Metro, die 75,4 % an MSH hielt, unter ihrem damaligen Vorstandschef Eckhard Cordes mit dem Beirat ein neues Entscheidungsgremium innerhalb der Media-Saturn-Holding ein. Der Beirat konnte anders als der Gesellschafterausschuss mit einfacher Mehrheit Entscheidungen von Tragweite fassen.
Bis dahin war der Gesellschafterausschuss das zentrale Entscheidungsgremium der MSH, in dem Beschlüsse jedoch der Zustimmung von 80 % bedurften. Die Metro zielte darauf ab, die quälend langen Abstimmungsrunden zwischen den Gesellschaftern abzukürzen und dabei en passant das den Minderheiten – Convergenta und Leopold Stiefel – dereinst zugestandene Vetorecht auszuhebeln. Das ließen die Minderheitsgesellschafter, allen voran Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals (21,6 %), nicht mit sich machen und gingen gerichtlich gegen den Beschluss vor.
Es sollte nicht die letzte Klage bleiben. Vielmehr überzogen sich die Gesellschafter seither regelmäßig mit Klagen, die bisweilen auch bis vor den Bundesgerichtshof getragen wurden. Erst 2018 setzte der damalige Ceconomy-Chef Pieter Haas der Klageorgie mit einer Stillhaltevereinbarung ein Ende. Eine Lösung für den Gesellschafterstreit war damit jedoch noch lange nicht gefunden, obwohl sich auch namhafte Mitglieder des Aufsichtsrats wie auch der Metro-Großaktionäre als Schlichter versuchten.
Vergiftetes Gesprächsklima
Die Ausgangslage war verfahren, weil gerade auf Seite von Kellerhals viele Emotionen im Spiel waren. Über Jahre wurden Entscheidungen in der MSH nur auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners getroffen, unabhängig davon, dass damit dem Geschäft geschadet wurde. Das über die Jahre vergiftete Gesprächsklima hat die Verhandlungen nicht eben erleichtert. Erst im Dezember gelang in den Diskussionen über die Bereinigung der Gesellschafterstruktur der Durchbruch. Vereinbart wurde, dass Convergenta ihre Anteile an der MSH in eine Direktbeteiligung an Ceconomy tauscht.
Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Beteiligungstausch anmutet, ist beim Blick auf die Transaktionsstruktur allerdings alles andere als trivial. Denn Convergenta erhält neben 125,8 Millionen neuen Aktien aus einer Sachkapitalerhöhung auch eine Wandelanleihe im Nennbetrag von 151 Mill. Euro, die in 27,9 Millionen Ceconomy-Aktien gewandelt werden kann. On top kommen 130 Mill. Euro Bares, die in zwei Tranchen ausgezahlt werden.
Die Komplexität der Struktur ist nicht zuletzt den unterschiedlichen Vorstellungen und Bedürfnissen der MSH-Gesellschafter geschuldet. Juristischen Beistand für Ceconomy leistete ein Team der Kanzlei Noerr um die Düsseldorfer Partner Harald Selzner und Martin Neuhaus. Die Kanzlei arbeitete praktisch seit der Spaltung der Metro Group in den Lebensmittelgroßhändler Metro und Ceconomy, den Fachhändler für Unterhaltungselektronik, im Jahr 2017 an dem Thema.
Ausgehend von völlig unterschiedlichen Bewertungsvorstellungen galt es eine Struktur und einen Bewertungskorridor zu finden, mit dem beide MSH-Gesellschafter leben konnten. Da Ceconomy finanziell nicht in der Lage war, den lästigen Minderheitsgesellschafter einfach mit Cash herauszukaufen, musste lange an der konkreten Ausgestaltung der Transaktion gefeilt werden. Basierend auf dem gewichteten Dreimonatsdurchschnittskurs von Ceconomy vor dem 14. Dezember 2020 von 4,17 Euro wird die Convergenta-Beteiligung an MSH (21,6 %) mit 815 Mill. Euro bewertet.
Niedriger Kurs von Vorteil
Dass sich überhaupt ein Lösungsfenster öffnete, lag nicht zuletzt an der pandemiebedingt niedrigen Ceconomy-Bewertung. Denn klar war, dass die Aktienkomponente die Chance auf Kursgewinne eröffnen muss. Bei einem zu hohen Kurs, wäre die Transaktion für die börsennotierte Ceconomy zu teuer geworden, durfte es doch nicht zu einer unangemessenen Verwässerung der Altaktionäre kommen. Von daher war die Vertraulichkeit der Verhandlungen ein ganz maßgeblicher Baustein der Transaktion. Ein Leak hätte unweigerlich zu einem Kursanstieg geführt, der die Transaktion ausgehebelt hätte.
Keine tiefen Taschen
Entsprechend groß war die Erleichterung, dass es bis zur Bekanntgabe Mitte Dezember keine Indiskretion gab und der Kurs anschließend die vermutete Richtung nach Norden einschlug. Binnen weniger Tag legte der Aktienkurs ausgehend von etwa 4 Euro um mehr als 40 % auf 5,72 Euro zu. Inzwischen notiert die Aktie allerdings wieder auf deutlich niedrigerem Niveau – nicht zuletzt das Ergebnis des zweiten scharfen Lockdowns.
Während Convergenta mit dem Wunsch auf eine möglichst hohe Barkomponente in die Verhandlungen zog, wäre Ceconomy eine reine Buchtransaktion am liebsten gewesen. Diese beiden Pole galt es einander anzunähern. Aufgrund der coronabedingten Verschärfung der wirtschaftlichen Lage musste Convergenta im vorigen Jahr aber schnell akzeptieren, dass sich die Höhe der Barkomponente an den finanziellen Möglichkeiten von Ceconomy orientieren musste. Das war allerdings auch folgerichtig, weil Convergenta mit Blick auf die Liquiditätssicherung im Zuge der Krise ganz nonchalant auf die Muttergesellschaft Ceconomy zeigte, bei der die alleinige Finanzverantwortung gesehen wurde.
Ceconomy stellte sich der Verantwortung und sicherte sich im Mai eine milliardenschwere Kreditlinie aus dem Notprogramm der KfW. Diese wurde bislang zwar nicht in Anspruch genommen, führte aber dazu, dass auch die staatliche Förderbank einen Haken unter die Transaktion setzen musste. Daher wird der zweite Teil der Barkomponente in Höhe von 50 Mill. Euro auch erst nach Beendigung des Konsortialkreditvertrags mit KfW-Beteiligung ausgezahlt, spätestens Ende 2023.
Ein weiteres Risiko für die Transaktion bestand darin, dass die Hauptversammlung (HV) den Kapitalbeschlüssen zustimmen musste. Entsprechend hoch waren die Anforderungen an die Ausgestaltung, galt es doch, das Austauschverhältnis möglichst anfechtungssicher zu gestalten. Zwar wurden die HV-Beschlüsse erwartungsgemäß von bekannten Berufsklägern angefochten. Bei Ceconomy geht man jedoch davon aus, die Transaktion im Wege des beantragten Freigabeverfahrens realisieren zu können.
Auf der sicheren Seite wähnt sich Ceconomy dabei auch, weil die Hauptversammlung die Beschlüsse zur Sachkapitalerhöhung und zur Schaffung des bedingten Kapitals für die Wandelanleihe mit fast 99 % angenommen hat. Bis Ende Juli wird mit einer Entscheidung gerechnet. Es wäre ein schönes Abschiedsgeschenk für Ceconomy-Chef Bernhard Düttmann, der den Deal maßgeblich vorangetrieben hat. Zum 1. August übergibt Düttmann den CEO-Posten an Karsten Wildberger, der zugleich auch Chef der Media-Saturn-Holding wird. Sollte das Gericht der Argumentation von Ceconomy folgen, stünde dem Closing nichts mehr entgegen, mit der Realisierung der Kapitalmaßnahmen könnte begonnen werden. Die Anfechtungskläger hätten dann nur noch die Möglichkeit, auf Schadenersatz zu klagen.
Großaktionäre überzeugt
Abgesichert hatte sich Ceconomy zumindest dahingehend, dass alle bisherigen Großaktionäre im Vorfeld von der Sinnhaftigkeit der Transaktion überzeugt werden konnten. Das war insofern aber auch kein Kunststück als die umfangreichen Verlustvorträge von Ceconomy – es geht immerhin um je 1,2 Mrd. Euro Körperschafts- und Gewerbesteuer – nur über die organschaftliche Verknüpfung nach unten gehoben werden können. Insgesamt wird mit einer Wertschöpfung aus der Nutzung der Verlustvorträge von 360 Mill. Euro kalkuliert.
Bislang ist der Familienkonzern Haniel mit einem Anteil von 22,5 % der größte Einzelaktionär, 14,2 % hält die Meridian Stiftung der Familie Schmidt-Ruthenbeck, der Mobilfunkanbieter Freenet besitzt 9,1 %, die Beisheim-Stiftung 6,6 % und die Agnelli-Investmentgesellschaft 5,2 %. Nach der Kapitalerhöhung mausert sich Convergenta mit knapp 26 % zur größten Einzelaktionärin. Bei Ausübung der Wandelanleihe kann der Anteil auf bis zu 29,9 % ausgebaut werden.
Bisher erschienen:
Deutsche Telekom (28.5.)
Deutsche Börse (4.6.)
Siemens (11.6.)