Konjunktur

Chemie zeichnet düsteres Bild

Die deutsche Chemieindustrie muss sich nach eigener Einschätzung warm anziehen. Denn die extrem hohen Energiepreise machen der Branche stark zu schaffen. Die Produktion bricht ein.

Chemie zeichnet düsteres Bild

hek Frankfurt

Die außerordentlich hohen Gas- und Strompreise setzen der energieintensiven Chemiebranche immer stärker zu. In allen Sparten sei die Produktion eingebrochen, schreibt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Konjunkturbericht. Die Geschäftserwartungen seien im Keller, die Angst vor einer Rezession sei groß. „Wir müssen uns im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen, um diesen Winter und auch das kommende Jahr zu überstehen“, kommentiert Verbandspräsident Christian Kullmann.

Die deutsche Chemieproduktion ist im zweiten Quartal laut VCI um 6,4 % zum vorangegangenen Dreimonatszeitraum eingebrochen. Der Vergleich mit der Vorjahresperiode zeigt ein Minus von 5,4 %. Die Kapazitätsauslastung bleibe mit 81,4 % unter dem Normalniveau.

Vor diesem Hintergrund setzt der VCI seine Jahresprognose noch tiefer an als bisher. Der Verband stellt sich nun auf Produktionseinbußen von 5,5 % ein. Lässt man die Pharmafirmen außen vor, bewegt sich das Minus sogar bei 8,5 %. Im Juli hatte der VCI einen Mengenrückgang von 1,5 % und für die reine Chemie von 4 % prognostiziert.

Mit astronomischen Energiepreisen, stark gestiegenen Rohstoffkosten und anhaltenden Lieferengpässen habe die Branche die Folgen des Kriegs in der Ukraine sehr deutlich gespürt, konstatiert der VCI. Den Betrieben falle es immer schwerer, die hohen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Erste Unternehmen schrieben rote Zahlen.

„Die immensen Herausforderungen bringen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen in ernste Gefahr“, klagt Kullmann. Die Drosselung der Produktion sei ein erster Schritt. „Wenn bestimmte Prozesse ganz stillgelegt werden müssen, laufen sie möglicherweise nie wieder an“, warnt der Präsident.

Vorbereitung auf Gasmangel

Für den Umsatz erwartet der VCI eine Zunahme um 16 % im laufenden Jahr. Das sei aber kein Grund zur Freude. Denn das Plus sei ausschließlich kostengetrieben.

Die Branche rechne überwiegend mit einem „sehr schwierigen zweiten Halbjahr“, heißt es im Bericht. Die jüngst beschlossene Gasumlage verteuere Gas und Strom zusätzlich, was die Chemie besonders treffe. Daher sei eine weitere Produktionsdrosselung zu befürchten. Die Chemie ist der größte industrielle Energieverbraucher in Deutschland.

Die Vorbereitungen für eine Gasmangellage laufen laut VCI auf Hochtouren. Sollte es dazu kommen, müssten viele Unternehmen gasintensive Anlagen drosseln oder stilllegen. In der Folge müssten auch nachgelagerte Anlagen in der Wertschöpfungskette gedrosselt werden. Szenario-Rechnungen der Bundesnetzagentur zeigten, dass Deutschland im Winter 2022/23 einem Gasmangel gefährlich nahe komme. Vor allem in Süddeutschland drohten Versorgungsengpässe. Im zweiten Quartal legte der Umsatz infolge der um 24 % gestiegenen Erzeugerpreise binnen Jahresfrist um 21,6 % zu. Im Vergleich zum Vorquartal stand ein Anstieg von 3,4 % zu Buche – bei um 7,9 % höheren Erzeugerpreisen.

In der Grundstoffchemie sei die Produktion im zweiten Jahresviertel eingebrochen, berichtet der VCI. Im Einzelnen gab es bei Anorganika ein Minus von 8 %, bei Petrochemikalien von 10 % und bei Polymeren von 3,5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Preise zogen kräftig an, so dass die Umsätze noch einmal ausgeweitet worden seien. Die Fein- und Spezialchemie verzeichnete infolge der nachlassenden Industriekonjunktur einen Erzeugungsrückgang von 11% im zweiten Quartal. Dagegen hielten sich Wasch- und Körperpflegemittel mit minus 1,5 % gut.

Das Vorjahresniveau erreichte nur die Pharma, obwohl hier die Produktion gemessen am Vorquartal um 8,6 % absackte. Aufgrund geringer Preissetzungsspielräume im Arzneimittelmarkt seien die Pharma-Erzeugerpreise nur leicht gestiegen.

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