Corestate bleiben nur noch drei Wochen für Refinanzierung
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Seit Mai arbeitet das ums Überleben kämpfende Immobilienunternehmen Corestate Capital an einer Umschuldung, doch noch immer steht eine Einigung mit den Bondholdern aus. CEO Stavros Efremidis hat eine Investorengruppe an Land gezogen, die ein alternatives Refinanzierungskonzept verfolgt. Die Zeit drängt: In drei Wochen ist der erste von zwei Bonds fällig.
Von einem Abbruch der Verhandlungen will man im Corestate-Lager aber nichts wissen, eher von einer Unterbrechung. Man komme sich näher. Die beiden Vorschläge seien wirtschaftlich nicht weit voneinander entfernt. Schlussendlich müssten sich die Anleihegläubiger, insbesondere Pimco, und die Investorengruppe einigen.
Einblick in die konkurrierenden Refinanzierungskonzepte und die erwartete Geschäftsentwicklung gibt ein Dokument, das die Steuerungseinheit der Gläubiger veröffentlicht hat. Das Dokument basiert auf Angaben von Corestate. Das sogenannte Ad-hoc-Komitee (AHC) deckt 49 % des Gesamtnominalbetrags der am 28. November 2022 fälligen Wandelschuldverschreibungen und 79 % des am 15. April 2023 fälligen Bonds ab. Der Wandler hat ein Volumen von 200 Mill. Euro, die Firmenanleihe von 300 Mill. Euro. Insgesamt steht also eine halbe Milliarde Euro im Feuer.
Einen Termin für die Gläubigerversammlung gibt es inzwischen. Es ist der 28. November – der Tag, an dem die Rückzahlung des Wandlers ansteht. Zuvor soll eine außerordentliche Hauptversammlung am 22. November den Weg für die Ausgabe von maximal 200 Millionen neuer Aktien frei machen. Ein erster Termin am 3. November war mangels Teilnehmer geplatzt – es war weniger als die Hälfte des Grundkapitals präsent. Die Einladung für die Gläubigerversammlung soll am Donnerstag dieser Woche rausgehen.
Eine Insolvenz gilt als Worst Case. Denn an den Immobilienmärkten herrscht große Verunsicherung, die Transaktionsvolumina sind eingebrochen. In diesem Marktumfeld seien bei Verkäufen kaum vernünftige Preise zu erzielen, heißt es unter Beteiligten.
Gläubigerverzicht
Einverständnis scheint darüber zu herrschen, dass es ohne Gläubigerverzicht nicht geht. Sowohl das Konzept der Bondholder als auch das der Investorengruppe sieht vor, die Altanleihen in 100 Mill. Euro neue Notes zu tauschen. Damit würden die Bondholder auf 80 % ihrer Forderung verzichten.
Als Gegenleistung verlangen die Gläubiger weitreichende Sicherheiten und einen Debt-Equity-Swap, die Investoren bieten nur eine Art Besserungsschein. Die geforderten Sicherheiten beziehen sich auf die wesentlichen Tochtergesellschaften und Vermögenswerte. Im Corestate-Lager stößt das auf Ablehnung, weil dadurch die Fortführung des Unternehmens erschwert werde. Die derzeitigen Anleihen sind unbesichert.
Der Swap sieht die Ausgabe von ca. 148 Millionen neuen Aktien vor, so dass die Bondholder dann 81,25 % des Aktienkapitals kontrollieren würden. Darüber hinaus wollen die Anleihehalter bis zu 25 Mill. Euro frisches Geld bereitstellen, und zwar über eine weitere Bondausgabe (Super Senior Notes).
Vorstandschef Efremidis wiederum hat eine Gruppe von Eigenkapitalinvestoren zusammengestellt, die 45 Mill. Euro zuschießen will. Darüber gebe es verbindliche Zusagen, wird versichert. Der Betrag setzt sich aus einer Kapitalerhöhung im Volumen von 15 Mill. Euro und einem Convertible zusammen, der 30 Mill. Euro bringen soll. Am Ende würden die Investoren etwa 76 % des Aktienkapitals halten, die bestehenden Anteilseigner 19 % und das Management 5 %. Bei den namentlich nicht genannten Eigenkapitalinvestoren handele es sich um bestehende und neue Geldgeber, heißt es.
Als „Upside Sharing“ bieten die Investoren den Bondhaltern 50 % der Nettoerlöse aus Rückzahlungen von Brückenfinanzierungen, Beteiligungen an den Stratos-Fonds und aufgelaufenen, aber nicht bezahlten Coupon-Teilnahmegebühren aus dem Fonds Stratos II an. Diese Erlöse seien nicht im Geschäftsplan enthalten. Sie fielen zusätzlich zu dem ausstehenden Betrag aus neuen Notes an.
Ein Knackpunkt ist, dass die Bondholder einen Restrukturierungsexperten im Vorstand installieren sollen. Dagegen soll sich Efremidis wehren, der nicht nur CEO ist, sondern auch großer Aktionär. Der Immobilienprofi besitzt 9,4 % der Aktien. Er war vor einem Jahr zusammen mit seinem Kompagnon Karl Ehlerding bei Corestate eingestiegen.
In unternehmensnahen Kreisen wird darauf verwiesen, dass die Vorstandsbestellung Sache des Aufsichtsrats sei. Dieser sehe bei keinem der vorgeschlagenen Kandidaten einen Mehrwert, da sie allesamt aus nichtdeutschsprachigen Firmen kämen und nur limitierte Erfahrung im deutschen Investmentmanagementmarkt hätten. Die Transparenz gegenüber den Gläubigern sei auch ohne Restrukturierungsvorstand gesichert.
Als Berater hat Corestate den Finanzdienstleister Rothschild und die Kanzlei Weil, Gotshal & Manges an Bord geholt. Den Businessplan hat der Restrukturierungsberater FTI-Andersch validiert. Für das Gläubiger-Komitee arbeiten Houlihan Lokey und die Kanzlei Milbank.
Abmahnung für CFO
Überlagert wird die Restrukturierung durch einen Bruch im Vorstand. Denn CFO Udo Giegerich hat eine Abmahnung erhalten, gegen die er auf dem Klageweg vorgeht, wie das „Manager Magazin“ berichtet. Das Unternehmen will sich zu der Personalangelegenheit nicht äußern, „aber man mahnt einen Vorstand nicht ohne Grund ab“, wird versichert. Giegerich fungiert seit 1. August 2021 als CFO.
Derweil implodiert das operative Geschäft geradezu. Das zeigt der Geschäftsplan, der für 2023 Umsätze von lediglich 75 Mill. Euro vorsieht. Im vergangenen Jahr waren es noch 245,6 Mill. Euro. Bis 2026 ist eine gewisse Erholung auf dann 83 Mill. Euro geplant. Schwarze Zahlen sieht die Planung erst wieder für das Geschäftsjahr 2025 vor. Für das laufende Jahr stehen gewaltige 647,5 Mill. Euro Nettoverlust im Budget – mehr als das Sechsfache der Erlöse.
Im ersten Halbjahr 2022 war der Corestate-Umsatz auf weniger als ein Viertel des Vorjahreswerts geschrumpft. Die Gesamterlöse aus fortgeführten Aktivitäten erreichten nur noch 22,9 Mill. Euro nach 98,3 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum. Vor allem das Debt-Geschäft brach weg, weil die Einnahmen aus der Strukturierungs- und Finanzierungsberatung stark zurückgingen und ein erheblicher Teil der Performancegebühren wegfiel.
Parallel schnellten die Verluste in die Höhe. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stürzte von +35,7 Mill. Euro auf −125,4 Mill. Euro, und der Konzernverlust überschritt die Marke von einer halben Milliarde Euro, jeweils bezogen auf das fortgeführte Geschäft. Verantwortlich dafür waren vor allem Wertberichtigungen und Risikovorsorgen, darunter Goodwillabschreibungen für die Tochter Helvetic Financial Services und die Corestate Bank. Lässt man Sondereffekte aus Abschreibungen und latenten Steuern außen vor, liegt der Konzernverlust immer noch bei 150 Mill. Euro. Den Neunmonatsbericht will Corestate am 15. November vorlegen.