Dax-Erweiterung hat für Mitbestimmung Folgen
ab Köln
Der Einfluss der Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen nimmt ab. Zu diesem Ergebnis kommt die Personalberatung Russell Reynolds im Rahmen ihrer jährlichen Aufsichtsräteanalyse. Waren 2015 noch alle 30 Dax-Firmen mitbestimmt, sind es aktuell nur noch 26 Unternehmen. Im Herbst, wenn der Dax auf 40 Unternehmen erweitert wird, verschärft sich die Lage. Sollten die aktuellen Kandidaten für den Dax 40 zum Zuge kommen, säßen in zehn der 40 Kontrollgremien keine Arbeitnehmervertreter mehr, wie aus der Studie hervorgeht. Noch drastischer sei die Entwicklung im MDax.
„Es muss hinterfragt werden, ob das durchaus erfolgreiche Modell der Mitbestimmung schleichend ausgehebelt wird. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber vielfach Regelungen ausschließlich für paritätisch mitbestimmte Unternehmen definiert“, gibt Thomas Tomkos, Leiter der Deutschen Board Practice von Russell Reynolds, zu bedenken.
Der Hauptgrund für den abnehmenden Einfluss der Arbeitnehmervertreter sei die Internationalisierung des Dax. So seien mit Vonovia, Brenntag, Hellofresh und Deutsche Wohnen allein vier Firmen bei ihrer Gründung nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Da sie nun im Rechtskleid der europäischen Aktiengesellschaft SE firmierten, änderten daran auch Veränderungen in der Unternehmensgröße nichts. Mit Linde, Qiagen und Airbus haben zudem drei Firmen ihren Sitz im Ausland und unterliegen deshalb nicht der deutschen Mitbestimmung.
Daneben gibt es für Porsche eine Ausnahme, solange das Unternehmen als Finanzholding tätig ist. Von der paritätischen Mitbestimmung ausgenommen sind zudem Fresenius Medical Care und Siemens Healthineers, weil sie als Teilkonzerne mitbestimmter Konzernmütter gelten. Die Dax-Anwärter Zalando und Hannover Re sind überdies nur zur Drittelmitbestimmung verpflichtet. Noch deutlicher als im Dax werde die Entwicklung im MDax. Gab es 2016 von den damals 50 Mitgliedsunternehmen zwölf Firmen ohne Arbeitnehmervertreter, sind es heute unter den 60 Indexmitgliedern schon 26 Firmen, also fast die Hälfte, die keinen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben.
Doch nicht nur die Mitbestimmung kommt im Zuge der Indexerweiterung unter die Räder, auch die Frauenquote bröckelt wieder. Das gerade verabschiedete zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) gilt nämlich nur für börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Nach heutigem Stand gälte das Gesetz nach der Erweiterung nur noch für 28 der dann 40 Dax-Mitglieder. Neben den zehn Firmen, die der Mitbestimmung nicht unterliegen, sind zwei weitere Firmen nur drittelmitbestimmt.
Liegt der Frauenanteil auf Aktionärsvertreterseite aktuell bei 33,6 % – mit Ausnahme von Linde erreichen alle übrigen Firmen die gesetzliche Vorgabe von 30 % –, wird sich die Quote gemäß der Studie nach der Erweiterung auf 32,4 % verringern. Nach Meinung von Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen Board Practice von Russell Reynolds, sollte sich Deutschland nach der erfolgreichen Aufholjagd in den letzten Jahren nicht mit dem Erreichten zufriedengeben. „Es muss nun daran gearbeitet werden, dass endlich auch der Einfluss in Form von Vorsitzen von Aufsichtsgremien und ihren Ausschüssen von Männern und Frauen in vergleichbarem Verhältnis ausgeübt wird“, fordert der Personalberater, und das aus gutem Grund. Aktuell gibt es im Dax 30 nur eine Aufsichtsratschefin (Henkel). Zugleich hat sich der Anteil der weiblichen stellvertretenden AR-Vorsitzenden binnen Jahresfrist auf 25 (i.V. 29) % verringert. Erschwerend kommt hinzu, dass sämtliche Frauen, die den Stellvertreterposten innehaben, von der Arbeitnehmerbank kommen.