Dem IPO-Boom folgt Ernüchterung
cru Frankfurt
Auch wenn der schwedische Autohersteller Volvo den Sprung aufs Parkett noch wagen will – die Stimmung der Investoren für Börsengänge trübt sich zusehends ein. „In Deutschland ist in diesem Jahr nicht mehr viel zu erwarten. Der Batteriehersteller BMZ und das Arzneimittelunternehmen Cheplapharm, die als Börsenkandidaten gelten, werden ihre Intention to float voraussichtlich nicht mehr wie erwartet 2021 ankündigen, sondern erst 2022. Dazu beigetragen haben einige übertrieben hoch angesetzte Preise bei früheren Börsengängen, deren Kurse jetzt unter Wasser sind“, sagt der IPO-Verantwortliche einer großen US-Investmentbank.
Für die jüngste Zurückhaltung der IPO-Investoren gibt es neben der gestiegenen Volatilität, dem sich abzeichnenden Ende des billigen Notenbankgeldes und dem eingetrübten Konjunkturausblick noch mehr Gründe: Die Inflation steigt, und die Situation des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande zeigt die Probleme hoch verschuldeter Unternehmen. Zugleich sind die Bewertungen bereits sehr hoch, und die Aktien vieler Börsenneulinge sind unter den Ausgabepreis gefallen.
Der niederländische Online-Händler für Haushaltsgeräte Coolblue hat vergangene Woche seinen Börsengang abgesagt und reihte sich damit in die Liste von neun weiteren europäischen Unternehmen ein, die seit dem Sommer ihre Börsennotierung auf unbestimmte Zeit verschoben haben – bei insgesamt 30 Börsengängen in diesem Zeitraum. In Deutschland zählten zu den Absagen die Sprachlern-App Babbel und der Pharmalogistiker Transoflex.
Volatilität gestiegen
Es wird erwartet, dass noch mehr europäische Börsengänge abgesagt werden, weil die Volatilität – gemessen am „Angstindex“ Vix – gestiegen ist und sich die Kurse vieler Börsenneulinge schlecht entwickelt haben (siehe Grafik). Während sich einige der jüngsten Börsengänge solide entwickelten, haben viele Unternehmen, die zu Beginn des Jahres an die Börse gingen, den Anlegern auch mehrere Monate später keine angemessene Rendite beschert.
So werden nur elf der 19 Börsengänge, die seit Mitte September durchgeführt wurden, über dem Emissionspreis gehandelt, zwei liegen auf dem Niveau des Ausgabepreises und sechs unter dem Wert. Das ist etwas besser als bei den von Januar bis Juli abgeschlossenen Börsengängen, bei denen 52 von 104 IPOs im Plus liegen. In den ersten sieben Monaten gab es zehn Absagen von Börsengängen – seither waren es noch einmal genauso viele.
Ein Teil der schwachen Performance der vor dem Sommer abgeschlossenen Börsengänge kann auf die jüngste Marktrotation zurückgeführt werden, bei der die Anleger Wachstumstitel reduzierten und wieder in Value-Titel investierten. Einige dieser Aktien, die jetzt unter dem Emissionspreis gehandelt werden, hatten zeitweilig ansehnliche Kursgewinne erzielt.
Gewinner werden Verlierer
Eine Aktie, bei der sich das Blatt gewendet hat, ist die des britischen Online-Grußkartenunternehmens Moonpig, das im Juni 40% über dem IPO-Preis lag, inzwischen aber 9% darunter liegt. Auch der deutsche Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 erreichte beim Börsendebüt einen Höchststand, als die Aktien mit einem Plus von 45% schlossen; inzwischen liegt der Kurs um 22% unter Ausgabepreis.
Der britische Lieferdienst Deliveroo war von Anfang an ein Flop, schloss aber Mitte August zum ersten Mal über dem IPO-Preis von 390 Pence. Die Aktien sind zwar nicht auf die kurz nach dem Börsengang verzeichneten Tiefststände gesunken, liegen aber immer noch mehr als 30% unter Wasser. Insgesamt werden 16 Börsenneulinge – 15% der Börsengänge aus dem ersten Halbjahr – mit einem Minus von mehr als 20% gehandelt, fünf davon mit einem Minus von mehr als 40%. Einige haben aber auch ihre außergewöhnlich positive Entwicklung beibehalten, etwa die Online-Auktionsplattform Auction Technology Group mit einem Anstieg von 123%.