Der Umbau ist auch eine Frage der Größe
Von Stefan Kroneck und
Joachim Herr, München
Der Teufel steckt im Detail: Im Wandel der Antriebstechnik sind neben den Autoherstellern deren Zulieferer damit konfrontiert, dass die Fertigungstiefe in der Elektromobilität geringer ausfällt als für Verbrennungsmotoren. Denn batteriebetriebene Motoren benötigen deutlich weniger Komponenten als Pkw mit Diesel- oder Benzinmotoren.
Für die Automobilzulieferer hat damit die Transformation der Branche ebenfalls Folgen für den Personalbedarf. Tendenziell wird man in der Fertigung weniger Mitarbeiter einsetzen als heute. In jüngster Vergangenheit machten viele Autozulieferer Schlagzeilen mit einem umfangreichen Personalabbau. Allein die größten fünf Adressen in Deutschland – Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen, Mahle und Schaeffler – streichen zusammen weltweit rund 60000 Stellen. Der enorme Abbau betrifft auch Arbeitsplätze in Deutschland, darunter fallen die Bereiche Mechanik, Hydraulik und Antriebstechnik.
Aufgrund des Coronaschocks mussten die unter Druck geratenen Häuser noch stärker auf die Kostenbremse treten. In der Branche ist man sich einig, dass die Folgen der Pandemie die Transformation in Richtung Elektromobilität beschleunigt haben (siehe Grafik).
Für zusätzliches Tempo sorgen die neuen ambitionierten Grenzwerte der EU für Kohlendioxidemissionen. Der schnellere Wandel macht es anspruchsvoller, den Übergang mit den bisherigen Plänen für den Stellenabbau zu bewältigen. „Es wird sehr schwer sein, die Balance zwischen Klimaschutz, Beschäftigung und den Mobilitätswünschen der Menschen herzustellen“, sagt Wolf-Henning Scheider, der Vorstandsvorsitzende von ZF. Volkmar Denner, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Bosch, drückt es direkter aus: Die europäische Politik scheine sich auf das kurzfristige Ende des Verbrennungsmotors zu fixieren und die Folgen für die Beschäftigung zu missachten.
Zudem sieht ZF-Chef Scheider die Politik in der Pflicht, für die nötigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Scheider mahnt einen klaren Plan zum Aufbau der Infrastruktur an – von der Stromerzeugung über die Stromnetze bis zu Ladestationen.
Hilfe vom Staat verpufft
Tendenziell haben Konzerne deutlich bessere Chancen, den Strukturwandel zu bewältigen, als kleine mittelständische Lieferanten, die ihr Geschäftsmodell ausschließlich auf Verbrennungsmotoren ausgerichtet haben. Sofern diese nicht gegensteuern, laufen sie Gefahr, vom Markt zu verschwinden. Staatliche Hilfspakete, um die Transformation voranzutreiben, kommen in solchen Fällen zu spät, wenn das Management die Zeichen der Zeit verschlafen hat.
Einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte zufolge tragen jene Zulieferer derzeit die höchsten Risiken, die sich in ihrem Produktangebot nach wie vor auf Verbrennungsmotoren und Abgassysteme konzentrieren. Dagegen seien die geringsten Risiken dort anzutreffen, wo die Betriebe sich konsequent auf Elektroantriebe und Sensortechnik umstellen, heißt es in der Analyse.
Die großen Unternehmen sind diversifiziert aufgestellt. Den teuren Umbau eines Bereichs können andere Geschäftsfelder querfinanzieren. Standorte werden zugleich geschlossen. Zur Arrondierung der Zukunftsfelder werden Aktivitäten zugekauft. Dank strikter Sparmaßnahmen und einer behutsamen Nutzung von Bankkrediten hätten viele Zulieferer jetzt Spielraum für Investitionen, wie die Beratungsgesellschaft Alix Partners feststellt. Den großen Unternehmen stehen ausreichend finanzielle Mittel für Expansion in Wachstumsfeldern zur Verfügung.
Investitionen lohnen sich
So plant Bosch, allein in diesem Jahr 700 Mill. Euro in Vorleistungen für die Elektromobilität zu investieren. Das sind immerhin 200 Mill. Euro mehr als im vergangenen Jahr. Bisher steckte der größte Autozulieferer der Welt nach eigenen Angaben 5 Mrd. Euro in die Elektromobilität. Das scheint sich zu lohnen: Bis Ende des vergangenen Jahres akquirierte der Stiftungskonzern in diesem Segment Aufträge im Volumen von mehr als 20 Mrd. Euro. „Während der Markt für elektrische Antriebskomponenten derzeit jährlich um gut 20% wächst, legt Bosch um nahezu 40% zu“, berichtet Konzernchef Denner.
Bei Mahle übt man sich in Gelassenheit. Die Transformation sei anspruchsvoll, aber zu bewältigen, heißt es. Der schwäbische Spezialist weist darauf hin, dass rund 60% seines Geschäfts unabhängig vom Pkw-Verbrennungsmotor seien. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass das für 40% nicht gilt. Daher war auch Mahle zum Handeln gezwungen. 2020 kündigte das Unternehmen an, 7600 Stellen zu streichen.
Dass das Geschäft mit Verbrennern alsbald vollkommen verschwindet, nimmt der Konzern nicht an. Verwiesen wird unter anderem auf Überseemärkte wie Südamerika. Dort würden Verbrenner auch künftig eingesetzt. Große Erwartungen setzt Mahle auf das Geschäft mit Thermomanagement-Systemen für den Fahrzeuginnenbereich. Diesem kommt in E-Autos eine noch größere Bedeutung als bei Verbrennern zu. Denn der Wirkungsgrad von E-Autos wird höher, wenn es gelingt, diese in einem optimalen Temperaturbereich zu halten. Schaeffler sieht Letzteres ähnlich. Der Automobil- und Industriezulieferer in Herzogenaurach (Franken) setzt ebenso auf mechanische Technologien, die für E-Autos sehr gefragt sind. Das SDax-Mitglied ist stark diversifiziert. Rund ein Viertel des Umsatzes entfällt auf den Industriebereich. Beim Autogeschäft könne nicht exakt zwischen Elektro und Verbrenner getrennt werden, so Schaeffler. So würden künftig Radlager auch bei E-Autos benötigt.
Nicht ohne Reibungsverluste
Der Konzern macht rund 40% seines Umsatzes mit Kugel- und Wälzlagern aller Art. Schaeffler plant, den Umbau mit der Veräußerung von Randgeschäften und Zukäufen in Wachstumsfeldern zu arrondieren. Ob auf diesem Gebiet der dieser Tage zurückgetretene Finanzvorstand Klaus Patzak radikaler vorgehen wollte, ist offen. Jedenfalls schmiss er nach nur einem Jahr hin. Das zeigt, dass Transformationen dieser Art nicht ohne Reibungsverluste – auch im Management – verlaufen. Zuvor gab Schaeffler bekannt, 4400 Arbeitsplätze abzubauen.
Bisher erschienen:
Ende des Verbrenners nur noch eine Frage der Zeit (10.8.)
Ladeinfrastruktur bleibt Knackpunkt (9.8.)