Deutsche Raketenbau-Startups auf der Suche nach Treibstoff
Treibstoff gesucht
Ohne Satelliten geht auf der Erde nicht viel, ohne ausreichend Cash für jene, die sie in den Orbit befördern wollen, aber auch nicht. Über die deutsche Kleinraketen-Szene und ihren schwierigen Weg in eine US-dominierte Milliardenbranche.
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Die Rakete ist DAS Startup-Symbol schlechthin, doch selten handelt es sich bei den Geschäften innovativer Jungfirmen um echte Raketenwissenschaften. Im Falle von Isar Aerospace aus Ottobrunn, Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse aus Neuenstadt am Kocher ist das Motiv aber zutreffend. Die drei deutschen Firmen liefern sich seit ihrer Gründung im Jahr 2018 ein Rennen um den Eintritt in den Trägerraketen-Markt. Ein Markt, der aufgrund des stetig wachsenden Bedarfs an Satelliten zur Kommunikation, Internetversorgung, Erdbeobachtung, Forschung und ja, auch zur Ausübung militärischer Aktivitäten immer bedeutsamer wird. Denn die Satelliten müssen ja irgendwie ins All befördert werden. Laut Fortune Business Insights war die globale Weltraum-Startdienstleisterbranche im Jahr 2023 rund 4,3 Mrd. Dollar schwer. Den Prognosen zufolge soll das Volumen bis 2032 auf fast 11 Mrd. Dollar steigen.
Bislang haben vor allem die USA – und dort im Speziellen Elon Musk – diesen Markt im Griff. Von den gut 180 im Jahr 2023 gezählten Raketenstarts wurden 96 allein von SpaceX ausgeführt. Das Startup dominiert dabei nicht nur den Markt für Startdienstleistungen, sondern auch den Satellitenmarkt selbst: 6.700 aktive, von SpaceX betriebene Starlink-Satelliten wurden zuletzt im Weltraum gezählt. Das entspricht etwa zwei Dritteln aller insgesamt zurzeit im All befindlichen Satelliten.
Einen solchen Vorsprung jemals aufzuholen, dürfte für die deutschen Konkurrenten, von denen bislang lediglich Hyimpulse im vergangenen Jahr eine kleinere, einstufige Höhenforschungsrakete auf bis zu 60 Kilometer Höhe gebracht hat, zwar schwierig werden. Dennoch sei die Raumfahrt als solche kein „Winner-takes-it-all“-Markt, glaubt Julian Tsoi, der als Director im Venture and Growth Banking Team der Investmentbank Lazard europäische Tech-Firmen in Finanzfragen berät. „Ich denke, es gibt immer noch eine Lücke, die europäische Unternehmen füllen können.“ Für Investoren und Unternehmen gehe es hierbei auch um Fragen der Souveränität.
Ruf nach mehr Staatshilfe
Für mehr Souveränität in der Raumfahrt braucht es aber eben auch mehr finanzielle Mittel. Und die ließen sich – so tönt es einstimmig aus der Branche – eben nur mit öffentlicher Unterstützung anlocken. „Öffentliche Förderungen, sei es in Form von Zuschüssen, Non-Dilutive-Fundings, Subventionen usw., sind für private Investoren sehr wichtig“, sagt Tsoi. Denn unter privaten Geldgebern bestehe die Auffassung, „dass die Raumfahrt ein absolutes Hochrisiko-Investment ist und dass sie für sehr lange Zeit unrentabel und kapitalintensiv sein kann“. Deshalb müsse unter anderem auch die Nachfrage durch öffentliche Akteure wie der Europäischen Weltraumorganisation ESA und von Regierungen gestärkt werden.
Bei SpaceX sei es nicht anders gelaufen, sagt Christian Schmierer, CEO und Mitgründer der schwäbischen Hyimpulse, die sich mit ihren als nachhaltig beworbenen Kerzenwachs-Antrieben mittlerweile einen Namen als „Öko-Raketenbauer“ gemacht hat. Das US-Startup von Elon Musk habe es nur geschafft, „weil es von Anfang an systematisch auch staatliche Unterstützung bekommen hat, bis es dann so weit in der Produktentwicklung war, dass es jetzt als etabliertes Unternehmen immer kommerzieller wird.“ Selbst jetzt seien die Amerikaner noch von staatlichen Akteuren wie der NASA oder dem Verteidigungsministerium als Ankerkunden abhängig, sagt Schmierer. Die hiesige Politik habe das bei ihrem Wunsch, Weltraumtechnik genauso zu kommerzialisieren wie SpaceX, vergessen.
Immerhin: Im November hat die ESA mehr als 44 Mill. Euro an Kofinanzierungsmitteln für vier europäische Raketen-Startups bereitgestellt. Isar Aerospace, Rocket Factory und Hyimpulse gehörten alle drei dazu – das vierte Unternehmen im Bunde war Orbex aus Schottland.
Es muss aber auch mehr aus Deutschland kommen, sagt Schmierer. „Der Bund hat bis zu diesem Jahr ungefähr 70 Mill. Euro in drei Micro-Launch-Unternehmen investiert, während Frankreich allein Anfang 2024 insgesamt 400 Mill. Euro zur Verfügung gestellt hat.“ Mit Microlaunchern sind kleine Trägerraketen gemeint, die hauptsächlich Kleinsatelliten bis 500 Kilogramm transportieren können. Der private Boom mit solchen Kleinraketen sei zu Beginn von Deutschland aus in Gang gesetzt worden und nicht von Frankreich, betont Schmierer. „Die jüngeren Unternehmen dort werden aber nun alle umfassender vom Staat unterstützt als die älteren deutschen Wettbewerber.“
Öffentliche Unterstützung ist für private Geldgeber aber nicht alles – sie wollen auch technologische Erfolge sehen. So seien die Investorengespräche nach dem Start der Höhenforschungsrakete „auf jeden Fall schneller und positiver vorangegangen als in der Zeit davor“, erzählt Schmierer. Das Startup, das bislang rund 17 Mill. Euro privaten Mitteln eingesammelt hat, arbeite derzeit an einer Finanzierungsrunde im Volumen von 30 Mill. Euro. Diese soll im ersten Quartal 2025 abgeschlossen werden, so Schmierer. Die mehrstufige Kleinträgerrakete „SL1“ von Hyimpulse soll laut aktuellem Zeitplan dann Ende 2026 erstmals abheben.
Verzögerungen gehören dazu
Die beiden anderen Rivalen sind finanziell schon besser ausgestattet als Hyimpulse. Rocket Factory Augsburg hat nach eigenen Angaben bislang knapp 60 Mill. Euro eingesammelt. Als Hauptinvestor steht der Bremer Raumfahrtkonzern OHB hinter dem Startup, Geld floss aber auch schon vom US-Finanzinvestor KKR. Anders als Wagniskapitalgeber seien die Investoren langfristig an Bord und würden nicht „den schnellen Gewinn“ suchen, sagt Sprecher Jonas Kellner.
Mit einem solchen Ansatz hätten die Geldgeber im vergangenen Jahr auch wenig Freude gehabt: Bei dem Versuch, die erste private deutsche Trägerrakete ins All zu befördern, explodierte im August die Unterstufe der Rocket Factory-Rakete „RFA One“. Die Untersuchung des Vorfalls sei mittlerweile abgeschlossen und der Bau der neuen Erststufe in vollem Gange, sagt Kellner. 2025 wolle man es wieder versuchen.
Noch mehr Mittel als Rocket Factory stehen Isar Aerospace zur Verfügung: Das Startup hat sich insgesamt schon 400 Mill. Euro an Finanzierungsvolumen gesichert, womit es nach eigenen Angaben das „bestfinanzierte unabhängige New-Space-Unternehmen in Europa“ ist. Zu den Investoren gehören unter anderem Earlybird, Bayern Kapital, Airbus Ventures, Lakestar und die Nato. Trotz des vergleichsweise üppig vorhandenen Kapitals lief aber auch für die Münchener bislang nicht alles glatt. Das Startup musste den Erstflug seiner „Spectrum“-Rakete schon mehrfach verschieben.
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