Matthias Tillmann, Trivago

„Die Nachfrage ist trotz Inflation stark gestiegen“

Nur weil alles teurer wird, lassen sich die Leute dieser Tage offenbar nicht von ihren Urlaubsplänen abbringen. Der Hotel-Suchmaschinenbetreiber Trivago spürt nach einem kräftigen Umsatzsprung im zweiten Quartal jedenfalls weiter eine hohe Reiselust bei seinen Nutzern. Wie es weitergeht, ist jedoch unklar.

„Die Nachfrage ist trotz Inflation stark gestiegen“

Karolin Rothbart.

Herr Tillmann, Die Inflation frisst sich langsam, aber sicher in die Geldbeutel der Verbraucher. Laut einer Umfrage von PwC unter gut 1000 Bundesbürgern denken drei Viertel über Einschränkungen bei ihren Urlaubsausgaben nach. Ist das für Trivago eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Das ist eine gute Frage. Wenn ich auf das zweite Quartal gucke, wo wir auch schon deutlich höhere Preise für Reisen und Hotels gesehen haben, hat das Thema keine negative Auswirkung auf die Nachfrage gehabt − im Gegenteil. Wir haben gesehen, dass die Nachfrage vor allem in Europa, aber auch in der Region Amerikas im Vergleich zum Vorjahr trotz Inflation stark gestiegen ist. Auch jetzt in den wichtigsten Monaten Juli und August sehen wir keine Zurückhaltung. Mit Blick nach vorn stellt sich natürlich die Frage, ob das so bleibt. Unabhängig davon glaube ich aber, dass das Produkt Hotelpreisvergleich in Zeiten von steigender Inflation mehr Sinn macht. Genau darauf zielen wir auch mit unserer aktuellen TV-Kampagne ab.

Sie hatten sich für das zweite Quartal ja eine kräftige Steigerung der Marketingaktivitäten vorgenommen. Sind Sie hier mit dem Erreichten zufrieden?

Auf jeden Fall. Wir investieren saisonal bedingt im zweiten Quartal immer mehr Geld in unser Marketing. In diesem Jahr waren es insgesamt 85,3 Mill. Euro. Das ist ungefähr die Hälfte von dem, was wir im zweiten Quartal 2019 ausgegeben haben, aber deutlich mehr als im zweiten Quartal 2021. Die TV-Werbung haben wir dabei zum ersten Mal seit der Pandemie wieder hochgefahren. Da herrschte anfangs noch ein bisschen Unsicherheit, ob wir das gleiche Maß an Effizienz erreichen wie im Jahr 2019. Am Ende wurden unsere Erwartungen aber übertroffen. Unser Umsatz ist um 52 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

Im Gegensatz zu anderen Reiseanbietern, die für ihre Marketingzwecke vornehmlich auf gut messbares Performance-Marketing im Internet setzen, hat Trivago schon immer viel Geld für TV-Werbung ausgegeben. Wir stellen Sie hier sicher, dass sich die Investitionen auch lohnen?

Performance Marketing, zum Beispiel via Google oder Social Media ist natürlich auch ein wichtiger Kanal für uns. Aber ja, unser Anteil an TV-Werbung war immer relativ hoch. Wir haben jedes Jahr eine neue TV-Kampagne. Dieses sogenannte Brand Marketing ist tatsächlich komplizierter zu messen, weil man seine Ausgaben nicht jeden Tag anpassen und den Erfolg auch nicht unmittelbar ablesen kann. Man muss die Kampagne vorab für eine feste Laufzeit buchen und sie wird selbst dann ausgestrahlt, wenn sich der Markt eintrübt. Es gibt aber auch hier Steuerungsmöglichkeiten. Wir testen unsere neuen Spots beispielsweise vor der Ausstrahlung im Vergleich zu den alten Spots und bekommen so eine erste Indikation, wie die Leute darauf reagieren. Da haben wir in den vergangenen Jahren ein gutes Benchmarking aufgebaut. Daneben können wir noch beim Thema Pricing optimieren, etwa indem wir nicht die ganze Zeit ausstrahlen, sondern nur zu gewissen Sendezeiten.

Wie erfolgreich waren Ihre Marketingaktivitäten mit Blick auf das Ergebnis?

Sehr erfolgreich − gemessen am bereinigten Ebitda, das im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 von 4,3 Mill. Euro auf jetzt 30,3 Mill. Euro gestiegen ist, haben wir das beste Quartalsergebnis in der Firmengeschichte erreicht. Selbst im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 bedeutet das eine Steigerung um über 60 %. Das lag aber nicht nur an der Marketing-Effizienz, sondern auch an den Kosteneinsparungen der vergangenen zwei Jahre.

Im April ist Trivago in Australien wegen Irreführung von Verbrauchern zu einer Strafe in Höhe von umgerechnet rund 32 Mill. Euro verklagt worden. Den Nutzern der Suchmaschine wurde nicht das günstigste Zimmer angezeigt, sondern jenes, für das Trivago die höchste Provision bekam. Wie wirkt sich die Strafzahlung auf den Gewinn in diesem Jahr aus?

Die erste Rückstellung, die wir dafür gebildet haben, liegt schon ein paar Jahre zurück. Im ersten Quartal wurde uns die finale Entscheidung mitgeteilt, wobei der Betrag über unseren Schätzungen lag. Dementsprechend hatte das eine negative Auswirkung auf das Ergebnis im ersten Quartal. Im zweiten Quartal haben wir die Zahlung geleistet. Die 32 Mill. Euro sind jetzt aus unseren Cash-Reserven raus, aber sie hatten keinen Einfluss mehr auf das Ergebnis.

Das dritte Quartal ist für die Reisebranche naturgemäß das wichtigste überhaupt. Doch in Süd- und Westeuropa wurden zuletzt immer neue Hitzerekorde gemessen. Wir wirken sich die Extremtemperaturen auf das Reiseverhalten aus?

Die unerwartet kräftige Nachfrage ist auch im Juli und August konstant geblieben. Wir hatten aber ein paar Verschiebungen in manchen Märkten, zum Beispiel in Italien – da sehen wir, dass die Nachfrage zurückgeht, wenn es sehr heiß wird. Ende Juni/Anfang Juli war das auch in Großbritannien der Fall. Das hat sich aber zurückgedreht und die Nachfrage kam später. Darüber hinaus war die Nachfrage in Europa sehr stark.

Wie sieht es derzeit außerhalb Europas aus?

In den USA lief das Geschäft auch sehr gut. Wo wir noch deutlich unter dem Vor-Pandemie-Niveau sind, ist in den asiatischen Märkten und in Osteuropa. Da sind teilweise die Märkte wegen des Kriegs in der Ukraine noch beeinträchtigt. In Asien hat Chinas Null-Covid-Politik weiterhin Auswirkungen − nicht nur auf die Volksrepublik selbst. Die Maßnahmen führen auch in den angrenzenden Ländern zu einem deutlich veränderten Reiseverhalten. Wir sehen beispielsweise mehr inländische als internationale Reisen.

Das Interview führte

BZ+
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