Die Strafmaßnahmen der EU könnten der deutschen Autoindustrie die Zukunft kosten
EU-Strafmaßnahmen könnten deutsche Autoindustrie die Zukunft kosten
Von Ferdinand Dudenhöffer*
Die EU-Kommission hat Anfang Oktober die von EU-Präsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Untersuchung wegen staatlicher Förderung für chinesische Elektroautos begonnen. Begründet wird das Verfahren damit, dass entsprechende Importe der Wirtschaft in der EU schaden, wie aus einer am 4. Oktober veröffentlichten Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union hervorgeht.
Nicht ob, sondern wann
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der EU-Untersuchung keine sogenannten Wettbewerbsverzerrungen und ungerechtfertigten staatlichen Hilfen an chinesische Autobauer gefunden werden, dürfte bei null liegen. Ansonsten blamiert sich Frau von der Leyen. Wenn Befunde vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass darauf nicht reagiert wird, ebenfalls bei null. Es ist mit einem Mix aus Strafzöllen und Einfuhrrestriktionen für Importe von China-Autos zu rechnen. Die einzige Frage, die daher bleibt, lautet, wann treten die Strafmaßnahmen in Kraft und welche möglichen Gegenmaßnahmen aus China sind zu erwarten?
Die Gegenmaßnahmen dürften sich an der wirtschaftlichen Tragweite der EU-Strafmaßnahmen orientieren. Damit wären Strafzölle und gegebenenfalls Obergrenzen für Importe nach China gesetzt. Inwieweit gesellschaftsrechtliche Rahmen tangiert werden, lässt sich derzeit nicht sagen, aber ausschließen sollte man so etwas nicht. Warum sollte nicht auch eine Strafsteuer auf die Gewinne der europäischen Autobauer und Zulieferer in China erwogen werden? Damit wird der Erfolg der europäischen Autobauer in China eingebremst, denn „Abschöpfung“ von Gewinnen lähmt die Profitabilität und damit auch die Investitionen der überwiegend deutschen Autobauer in China. Im wichtigsten Automarkt der Welt würde man mit einem deutlichen Handicap gegenüber den chinesischen Autobauern antreten. Bereits heute tun sich deutsche Autobauer in China schon schwer.
Mit dem Handicap der Gewinnabschöpfung durch Strafsteuer würde man erheblich zurückfallen. Die einfache Überlegung von Strafzöllen für Importe wäre dagegen harmlos. Die würden hauptsächlich Porsche treffen und einige Oberklasse-Fahrzeuge von Mercedes-S-Klasse und BMW, wie etwa die S-Klasse, den Maybach oder Rolls-Royce und ein paar BMW 7er. Das sind Nadelstiche, aber sie zerstören nicht die Substanz. Luxusklasse-Kunden reagieren gewöhnlich mit starrer Preiselastizität, sprich der „Stern“ wird auch bei höherem Preis nicht links liegen gelassen. Etwas schwieriger wären die Importe des neuen Mini, der im Joint Venture mit Great Wall in China gefertigt wird, oder der Smart.
Strafzölle umgehbar
Selbstverständlich spielen die chinesischen Autobauer die Strafzölle in ihren Importoffensiven nach Europa schon durch. In diesem Planspiel ist man schnell bei dem Phänomen der Transplants, sprich der „Untertunnelung“. Die Japaner haben in den sechziger Jahren dazu in USA die Blaupause geliefert. Damals wollten sich die USA vor japanischen Autoimporten schützen und haben Obergrenzen für Japan-Importe definiert. Und was haben die Japaner getan? Schnell wurden eigene Werke in den USA „hochgezogen“. Die Importbeschränkungen wurden untertunnelt. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum Toyota in den USA heute an zweiter Position ist, knapp hinter Marktführer General Motors.
Aus "Made in China"...
Die Transplants der Chinesen sind kurzfristig in weniger als zwei Jahren umsetzbar. Einfach die Produktionsdienstleister in Europa, die an mangelnder Auslastung leiden, nutzen. Valmet, Magna, Nedcar freuen sich über jeden Produktionsauftrag. Chinesische Autos in Europa könnten als Marketing-Fallstudie reüssieren. Die Strafzölle der EU-Präsidentin machen „Made in China“ zu „Built in Europe“. Die Aufmerksamkeit ist äquivalent zu hunderten Millionen an Werbekosten. Dabei sind die Produktionsdienstleister nur eine erste Stufe. Richtig spannend wird es, wenn BYD und die anderen Elektroautobauer aus China ihre eigenen Produktionswerke „hochziehen“. Der einzige Unterschied zu den USA der siebziger Jahre: Die Chinesen sind schneller, dynamischer und mit besseren Kosten ausgestattet, auch durch eigene Batterieproduktionen.
... wird "Built in Europe"
Die EU-Kommission schädigt mit ihren kommenden Strafaktionen die deutsche Autoindustrie nachhaltig. Eine Gewinnsteuerabschöpfung kappt die China-Gewinne und damit die aus dem Cashflow finanzierten Investitionen im weltgrößten Automarkt. Die Chinesen fahren in China noch schneller an den westlichen Autobauern vorbei. Dank der EU. Dieser Vorsprung ist nicht mehr aufholbar. Die Distanz wird im Zeitverlauf größer und größer. Die Europäer werden zu Verlierern des Spiels. Was nett gedacht war, birgt die größte Gefahr für die europäische Autoindustrie, den Verlust der Kosten-, Innovations- und Preiswettbewerbsfähigkeit: Die Zukunft steht auf dem Spiel.
* Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research, Duisburg