Dreckschleuder wird zum Musterknaben
Von Andreas Hippin, London
Das börsennotierte Kohlekraftwerk Drax, dessen Kühltürme seit den 1960er Jahren das Landschaftsbild in North Yorkshire dominieren, hat sich von einer klassischen Dreckschleuder zum Musterknaben der britischen Klimapolitik entwickelt. Einst wurde dort Kohle aus benachbarten Zechen verstromt. Bereits vor einigen Jahren begann man mit der Umstellung auf Holzpellets als Brennstoff. Im März sollen die beiden letzten Blöcke, in denen noch Kohle verfeuert wird, auf Biomasse umgestellt werden.
Zuletzt erwarb Drax für 422 Mill. Pfund die kanadische Pinnacle Renewable Energy, einen Hersteller von Holzpellets mit elf Werken in British Columbia, Alberta und Alabama. Der Zukauf macht den Brennstoff für Drax billiger. Die Kosten des Unternehmens hatten zuletzt transportkostenfrei (Free on Board, FOB) bei 161 Dollar pro Tonne gelegen, die Kosten von Pinnacle belaufen sich auf 124 Dollar. Drax nähert sich damit zudem dem Ziel, sich bis 2027 selbst mit 5 Mill. t Brennstoff zu versorgen. Ab dem kommenden Jahr sollen es bereits 2,9 Mill. t sein.
Einer Studie von Chatham House aus dem Jahr 2017 zufolge werden bei der Verbrennung von Holz wegen der höheren Feuchtigkeit und der geringeren Dichte im Vergleich zu anderen fossilen Brennstoffen mehr Treibhausgase freigesetzt. Der Verfasser, Duncan Brack, beriet zuvor das britische Ministerium für Energie und Klimawandel. Er hält die Idee, die Emissionen aus der Verbrennung von Holz könnten durch das Pflanzen neuer Bäume ausgeglichen werden, für unglaubwürdig.
Fiktive Emissionsreduktion
Nach europäischem Recht sind Holzpellets jedoch eine CO2-neutrale Energiequelle. Dabei wird argumentiert, dass bei der Verbrennung zwar Treibhausgase freigesetzt werden, die Bäume der Atmosphäre während ihres Wachstums aber auch Kohlendioxid entzogen hätten – ein natürlicher Kreislauf also. So gesehen konnte Drax die Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu der Zeit, in der das Unternehmen Kohle aus benachbarten Zechen verfeuerte, um 80% reduzieren, ohne dass deswegen wirklich weniger Dreck in die Atmosphäre gepustet wurde. Und was den Transport der Holzpellets über den Atlantik angeht, argumentierte die ehemalige Drax-Chefin Dorothy Thompson einmal, dass der „Carbon Footprint“ von Lkw, die sich aus Schottland auf den Weg nach Yorkshire machen, größer sei.
Es muss sich also gar nicht viel ändern, um den Anforderungen der „Green Economy“ gerecht zu werden – zumindest nicht bei den großen CO2-Emittenten wie Drax. Denn anders als den Aktivisten von Greenpeace und Extinction Rebellion geht es den zahlreichen Fürsprechern der Energiewende aus der Wirtschaft meist nur darum, ein Häkchen an der richtigen Stelle machen zu können, um entweder in den Genuss von Fördergeldern zu kommen oder einen Aderlass – etwa in Form der Verpflichtung zum Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten – abzuwenden. Am Ende verhinderte wohl nur der Brexit den Aufstieg von Drax zum EU-Vorzeigeunternehmen.