EDF verlangt staatliche Entschädigung
wü Paris
Kurz vor der Rückverstaatlichung von Électricité de France (EDF) wird der Ton zwischen dem Stromversorger und seinem Hauptaktionär, dem französischen Staat, immer schärfer. Konzernchef Jean Bernard Lévy hat jetzt den Staatsrat eingeschaltet, um die zu Beginn des Jahres von der Regierung aufgedrückte Deckelung der Strompreise annullieren zu lassen. Er fordert zudem eine Entschädigung von 8,34 Mrd. Euro für die Maßnahme.
Angesichts des Anstiegs der Energiepreise hatte die Regierung von Emmanuel Macron EDF im Januar verpflichtet, eine höhere Menge an Atomstrom zu festgelegtem Preis an Konkurrenten zu verkaufen. Damit will sie erreichen, dass Strom auch für die Haushalte erschwinglich bleibt, die ihn nicht direkt von EDF beziehen. Ohne die Maßnahme wären die Stromrechnungen der Haushalte um 35% gestiegen, erklärte das Wirtschaftsministerium jetzt.
Lévy hatte die Deckelung zu Beginn des Jahres als Schock bezeichnet und sie heftig kritisiert. Nachdem der Stromriese im Januar davon ausgegangen war, der Schritt könne das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von EDF um bis zu 8,4 Mrd. Euro drücken, geht er inzwischen davon aus, dass alle Maßnahmen zur Deckelung der Strompreise das Ebitda im Gesamtjahr mit 10,2 Mrd. Euro belasten wird. Das Ebitda des Konzerns dürfte deshalb im zweiten Halbjahr wesentlich niedriger als im ersten ausfallen, warnte Finanzchef Xavier Girre kürzlich.
Dennoch war Lévy zunächst davor zurückgeschreckt, auf direkten Konfrontationskurs zum staatlichen Hauptaktionär zu gehen – sehr zum Unmut anderer Aktionäre und Gewerkschaftsvertreter, die dem französischen Staat vorwerfen, EDF zu plündern; er hält 83,9% des Kapitals. Lévy hatte dann jedoch im Mai angekündigt, eine informelle Beschwerde gegen die Strompreisdeckelung beim Staat eingereicht zu haben. Damit legte er den Grundstein für weitere juristische Schritte. Kurz nach Ankündigung der Rückverstaatlichung Anfang Juli hatte das Wirtschaftsministerium erklärt, die Suche nach einem Nachfolger für Lévy beginne, da er früher als wie ursprünglich geplant im Frühjahr 2023 aufhören könnte.
Streubesitz in Aufruhr
Belegschaftsaktionäre des Versorgers gehen ebenfalls gegen den Staat als Mehrheitsaktionär vor. Sie werfen ihm vor, EDF durch unüberlegte und ausbeuterische Entscheidungen zulasten des besonderen Interesses des Versorgers und seiner Minderheitsaktionäre in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Die Aktionärsschutzvereinigung Adam hat sich an die französische Börsenaufsicht gewandt, da sie den Preis von 12 Euro je Aktie, die der Staat für die noch zu übernehmenden 15,9% zahlen will, für zu niedrig hält. Als EDF 2005 an die Börse ging, betrug der Emissionspreis 32 Euro. Adal kritisiert ebenfalls die Rolle des französischen Staates bei EDF, der sowohl Mehrheitsaktionär als auch „Vormund“ des Versorgers sei. Adam hält von 16,58 Euro je Aktie für die Minderheitsaktionäre für angemessen.