Einzelhandel trudelt immer tiefer in die Krise
md Frankfurt
Zwei prominente Adressen aus dem deutschen Einzelhandel haben mit negativen Schlagzeilen den Blick auf die angespannte Lage der Branche gelenkt.
Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat erneut einen Antrag auf Staatshilfe gestellt. Das wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen bestätigt. Zur Höhe der beantragten Hilfen gab es keine Angaben.
Auch die in den vergangenen Jahren erfolgsverwöhnten Online-Händler bekommen die Krise zu spüren. So sagte Alexander Birken, Vorstandschef der Otto Group, dem „Handelsblatt“: „In Deutschland ist unser Umsatz im ersten Geschäftshalbjahr von März bis August um 13,5% zurückgegangen.“
Galeria habe sich seit der Corona-Pandemie mit Erfolg strategisch neu aufgestellt, betonte Vorstandschef Miguel Müllenbach jüngst in einem Mitarbeiterbrief, aus dem dpa-afx zitiert. „Seit Februar dieses Jahres ist jedoch – ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine – eine Situation eingetreten, in der das Konsumklima in Deutschland auf ein historisches Rekordtief eingebrochen, die Energiepreise dramatisch explodiert und die Inflation auf ein Rekordhoch gestiegen sind.“ Das habe auch Galeria schwer getroffen. So müsse das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren allein für Energie über 150 Mill. Euro mehr aufwenden als bislang geplant.
Die Probleme, die Müllenbach aufzählte, treffen die gesamte Einzelhandelsbranche. Auf der einen Seite schießen die Kosten in die Höhe, auf der anderen Seite ist die Kaufbereitschaft der Konsumenten wegen der hohen Preissteigerungen, auch bei Gütern des täglichen Bedarfs, und der trüben Konjunkturaussichten auf ein Tief gefallen, das selbst die miese Stimmung zu Beginn der Coronakrise weit hinter sich lässt. Als Folge greifen Verbraucher zu günstigeren Produkten, etwa Handelsmarken, oder halten ihre Geldbörsen ganz geschlossen. Größere Anschaffungen werden verschoben oder gestrichen. Otto-Chef Birken zufolge achten die Verbraucher „auf jeden Cent“.
Galeria hatte laut Reuters vor einer Woche erklärt, aufgrund der „wirtschaftlich angespannten Situation“ sei man gezwungen, den Integrationstarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi zu kündigen, um das Unternehmen „insgesamt nachhaltig zu stabilisieren“. Folge dieser Kündigung sei u.a. das „Einfrieren“ der Vergütung der Beschäftigten auf dem aktuellen Lohnniveau.
Vorstandschef Müllenbach sagte in dem Mitarbeiterbrief vom 7. Oktober, das Unternehmen befinde sich „erneut in bedrohlicher Lage“. Er warnte: „Wir werden unseren Weg nur erfolgreich fortsetzen können, wenn es uns gelingt, die Finanzierung von Galeria neu zu strukturieren und dem Unternehmen neues, frisches Kapital zuzuführen.“
Es ist das dritte Mal innerhalb von knapp zwei Jahren, dass der Warenhauskonzern auf staatliche Hilfen zurückgreifen will. Bereits Anfang 2021 (460 Mill. Euro) und Anfang 2022 (220 Mill. Euro) hatte das Unternehmen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie um Unterstützung gebeten. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds griff Galeria in zwei Hilfsaktionen mit insgesamt 680 Mill. Euro unter die Arme.
Galeria Karstadt Kaufhof gehört der Signa Holding des österreichischen Investors René Benko. Diese verfügt unter anderem über ein milliardenschweres Immobilienportfolio. Kritiker der Staatshilfe bezweifeln die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells Warenhaus oder sehen Galeria-Eigentümer Benko in der Pflicht, der wankenden Kaufhauskette unter die Arme zu greifen.
Beim Versandriesen Otto läuft es wenigstens im Ausland, etwa in den USA, noch gut. Dort gebe es ein Wachstum von mehr als 8%, sagte Birken dem „Handelsblatt“. So sei der Umsatz über die ganze Gruppe im ersten Geschäftshalbjahr um 5,6% gesunken. Die steigenden Kosten könne man nur zu einem kleinen Teil an die Kunden weitergeben.