Autoindustrie

EU-Automarkt unter Vorkrisenniveau

Die europäischen Autohersteller rechnen für 2022 mit einem Absatzzuwachs nach zwei Jahren rückläufiger Zahlen. Das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie ist aber noch in weiter Ferne.

EU-Automarkt unter Vorkrisenniveau

sck München

Nach zwei Jahren schrumpfender Absatzzahlen wegen der Corona-Pandemie sehen die europäischen Autohersteller Licht am Ende des Tunnels. Der Branchenverband Acea mit Sitz in Brüssel rechnet damit, dass in der EU die Neuwagenverkäufe 2022 um 7,9% auf 10,5 Millionen Stück wachsen werden. Acea-Präsident und BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse stützt seine Prognose auf eine sich stabilisierende Versorgung mit Mi­krochips. Deutliche Engpässe bei der Lieferung von Halbleitern trugen dazu bei, dass trotz einer hohen Pkw-Nachfrage im vergangenen Jahr die Neuwagenzulassungen in der Gemeinschaft um 2,4% auf 9,7 Millionen Einheiten zurückfielen. Die Autobauer konnten mit dem Bedarf nicht Schritt halten.

Lücke zu 2019 bleibt groß

Die Lobbyisten von Acea wollten den jüngsten Ausblick aber nicht als Trendwende verstanden wissen. Zipse wies darauf hin, dass der Markt auch im laufenden Jahr noch unter dem Vorkrisenniveau liegen werde. Die Lücke zu den 13 Millionen im Jahr 2019 betrage etwa ein Fünftel. Die Pandemie brach im Winter 2020/2021 aus. Aufgrund des Mangels an Halbleitern forderte der Acea die EU-Institutionen mit Blick auf den European Chips Act auf, „ihre Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern, um solche Schäden für strategische europäische Industrien in Zukunft zu vermeiden.“ Die EU-Kommission stellte zeitgleich ihre Initiative zur Unterstützung der europäischen Chipindustrie vor (siehe Bericht und Kommentar auf Seite 1). Diese sieht zusätzliche Hilfen vor. Dadurch soll der EU-Anteil an der globalen Chipproduktion bis 2030 von 10% auf 20% zulegen.

Für einen Lichtblick sorgt derweil das Geschäft mit Elektrofahrzeugen. „Vor dem Hintergrund eines schrumpfenden Fahrzeugmarktes, der durch Probleme in der Lieferkette behindert wurde, gewannen elek­trisch aufladbare Autos im vergangenen Jahr weiter an Marktanteil und machen nun fast einen von fünf verkauften Neuwagen in der EU aus“, berichtete der Acea. „Die starke Performance elektrisch aufladbarer Autos ist eine sehr erfreuliche Nachricht“, so Zipse. „Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass dies immer noch ein ziemlich fragiler Markt ist, der in hohem Maße auf Fördermaßnahmen wie Kaufanreize und vor allem die weit verbreitete Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur angewiesen ist“, mahnte er.

Zeitdruck

Ihm bereitet vor allem der zeitliche Rückstand beim Aufbau eines Ladenetzes für Elektroautos Sorgen. Derzeit liegt nach Angaben des Acea das Tempo des Infrastrukturausbaus weit hinter der Nachfrage der Verbraucher nach elektrisch aufladbaren Autos zurück. Tatsächlich sei der Absatz von Elektroautos in den vergangenen fünf Jahren viermal schneller gewachsen als der Aufbau von Ladestationen. „Die Verkäufe von Elektroautos sind zwischen 2017 und 2021 um mehr als das Zehnfache gestiegen, während die Zahl der öffentlichen Ladegeräte in der EU im gleichen Zeitraum um weniger als das 2,5-Fache gestiegen ist“, sagte Zipse. Nach Angaben des Verbands sind es rund 260000. „Wenn diese Situation nicht dringend durch die Einführung ehrgeiziger Ziele für alle EU-Mitgliedstaaten angegangen wird, werden wir sehr bald auf eine Blockade stoßen.“ Das EU-Parlament debattiert über eine Verordnung über die Infrastruktur für E-Autos.