In USA wird geforscht, in Europa produziert

Europas Pharmaindustrie fürchtet um wichtigsten Exportmarkt

Die Zolldrohung aus den USA bereitet Europas Pharmaindustrie Kopfzerbrechen. Zwar investiert Bayer deutlich mehr jenseits des Atlantiks, produziert aber vorwiegend in der EU, wie Pharma-Chef Stefan Oelrich im Interview erläutert.

Europas Pharmaindustrie fürchtet um wichtigsten Exportmarkt

Pharmaindustrie fürchtet um größten Exportmarkt

Chef der Bayer Pharma warnt vor US-Zöllen – Hoher Produktionsanteil in Europa

ab Köln

Die Drohung der USA, alle Importe mit Zöllen zu belegen, macht auch vor pharmazeutischen Produkten nicht Halt. Das sei ein Riesenthema für die europäische Pharmaindustrie, weiß Stefan Oelrich, der im Vorstand von Bayer für die Pharmasparte verantwortlich ist. Wenngleich Bayer mehr Geld in den USA investiere, „haben wir in der Pharmaproduktion einen überdurchschnittlichen Anteil in der EU“, erläutert Oelrich im Interview der Börsen-Zeitung.

USA mit hohem Handelsdefizit

Anlass zur Sorge gibt die Handelsbilanz der Amerikaner: Bei Pharmazeutika wiesen die USA nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen zuletzt ein Handelsdefizit von 126 Mrd. Dollar auf. Drei Viertel davon entfielen auf die EU. Größter Exporteur innerhalb der EU ist Irland mit 66 Mrd. Euro, auf Platz 2 rangiert Deutschland mit 17 Mrd. Euro. Und schlimmer noch: Seit den frühen 2000er Jahren hat sich das Defizit der USA nach den Verbandsangaben kontinuierlich ausgeweitet.

Mit Abstand größter Pharmamarkt

Die USA sind der mit Abstand größte Pharmamarkt und kommen auf knapp die Hälfte des globalen Absatzvolumens. Anders als in der Automobilindustrie, in der es schon heute Zölle gibt, sind Hemmnisse im Pharmahandel vor gut drei Jahrzehnten weitgehend abgeschafft worden. Umso härter würde die Zollkeule die Branche treffen. Ifo-Handelsökonom Andreas Baur rechnet laut „Süddeutscher Zeitung“ damit, dass die Exporte in die USA um 35% fallen könnten, wenn ein Zoll in Höhe von 20% erhoben würde.

Keine Spekulation über Verlagerung

An Spekulationen über eine Verlagerung der Produktion will sich Oelrich nicht beteiligen. „Aber natürlich machen wir uns – wie jede Pharmafirma, die in Europa stark ist – Gedanken“, sagt der Pharmamanager, der seit Juni 2023 als erster Vizepräsident der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) die in Europa tätige biopharmazeutische Industrie vertritt. Wenngleich Europa überlege, Anreize zu setzen, um Forschungsprojekte nach Europa zu lenken, verfügen die USA nach Oelrichs Einschätzung über eine überlegene Kapitalmarktarchitektur. Biotech-Innovationen aus den Universitäten würden dort in Produkte übersetzt und zu Start-ups transformiert. „Dann gehen diese Firmen an die Nasdaq, dort passiert dann die echte Wertschöpfung.“ Das gebe es kaum in Europa, so der Bayer-Vorstand.

Im Interview Seite 7